Interview mit Fritz Kortner - Mai 1967 | Schauspieler im Gespräch | DW | 25.10.2010
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Schauspieler im Gespräch

Interview mit Fritz Kortner - Mai 1967

„Ich versuche die Transparenz des geschriebenen Textes in Lebenszustände umzusetzen“ – Fritz Kortner spricht über seine Arbeit

Fritz Kortner in dem Film Schatten - Eine nächtliche Halluzination aus dem Jahr 1923

Fritz Kortner in dem Film "Schatten - Eine nächtliche Halluzination" aus dem Jahr 1923

Einmal beklagte er sich bei seinem Intendanten Everding: "Wir kommen nicht weiter, wir haben wenig Zeit. Dauernd diese Reisetage!" Everding: "Wieso, was für Reisetage?" Die Antwort war: "Nun – Christi Himmelfahrt, Mariä Himmelfahrt…" – die Theaterwelt weiß unzählige Anekdoten über eine ihrer schillerndsten Persönlichkeiten, Fritz Kortner, zu berichten. Denn er gehörte zu der Reihe jener Regisseure und Schauspieler, die das deutschsprachige Theater nachhaltig geprägt haben. Es war zugleich eine Karriere, die wie keine andere immer wieder für Schlagzeilen sorgte.

"Für den Schauspielberuf gänzlich ungeeignet"

Fritz Kortner wurde am 12.5.1892 als Sohn eines jüdischen Juweliers in Wien geboren. Nach dem Besuch der Realschule lernte er zunächst das Handwerk an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Zuvor musste Kortner allerdings viel Überzeugungsarbeit leisten, denn sein Vater war gegen den Berufswunsch seines Sprosses. Doch der Juwelierssohn ließ nicht locker, lieh sich Geld für die Aufnahmeprüfung, die er sodann mit Bravour bestand. Der Widerstand des Vaters war nun gebrochen. Sein erstes Engagement bekam Kortner 1910 in Mannheim und nicht etwa in Wien, denn bei seiner Eignungsprüfung am Wiener Burgtheater bescheinigte man ihm: "für den Schauspielberuf gänzlich ungeeignet". Überliefert ist auch der Wortlaut des Prüfungsergebnisses: "Starkes Temperament, durch Erscheinung nur für Intrigantenrollen qualifiziert. Starke Ansätze zu Manieriertheit, namentlich in Behandlung der Sprache. Mangel an individuellem Reiz und Mangel an geistiger Transparenz" ( "Neue Zürcher Zeitung", 7.5.96). Wie falsch die Kommission in ihrer Beurteilung lag, sollte sich bald zeigen, denn bereits 1 Jahr nach seinem Debüt in Mannheim wurde Kortner von Felix Hollaender an das Deutsche Theater in Berlin engagiert. Der Startschuss für eine große Karriere war gefallen.

22 Jahre ohne Rast

Für Fritz Kortner begann nun die Zeit zahlloser Engagements, während der er an vielen deutschen Theatern spielte. Wien, Berlin, Dresden, Hamburg – dies waren die Hauptstationen seines Wirkens. Letztendlich entwickelte sich Fritz Kortner zu einem der populärsten Charakterdarsteller. Rollen wie Richard III., Macbeth, John Gabriel Borkmann, Danton, Coriolan, Hamlet, Herodes, Philipp II., Shylock und Ödipus – um nur einige zu nennen – festigten diesen Ruf. Hinzu kamen auch Rollen in Filmen, die man ihm ab 1919 zahlreich angeboten hatte. So war er auch dem Kinopublikum nicht unbekannt, denn Kortner wirkte in vielen Filmklassikern dieser Zeit mit. Hier spielte er unter anderem mit Louise Brooks oder auch mit Marlene Dietrich. Doch diese steile Karriere sollte nun unterbrochen werden.

"Dem natürlichen Tode näher"

1933 kehrte Kortner zunächst nach Wien zurück. Von dort aus fuhr er zu einer Europatournee, die er zunächst in England beendete. 1938 ging er dann in die USA und ließ sich in Hollywood nieder. Sein schauspielerisches Können beeindruckte jedoch die amerikanischen Produzenten weniger als die deutschen – hier musste er sich mit wenigen kleineren Rollen begnügen. So schrieb Kortner Bühnenstücke und arbeitete an durchaus erfolgreichen Drehbüchern. 1947 kehrte er – inzwischen als amerikanischer Staatsbürger - nach Deutschland zurück. In seinen Memoiren schrieb er 1959 gleich am Anfang: "Von dem gewaltsamen Hitlertod war ich aus Deutschland geflohen und kehrte zurück, um viele Jahre dem natürlichen Tode näher." "Der Spiegel" vom 23.4.49 wusste in dem Artikel "Genau zugehört" zu berichten, dass Kortner die Reise selbst bezahlen musste. Doch der Anlass für diesen Artikel war ein anderer: die Uraufführung des Films "Der Ruf" im Berliner Marmorhaus, zu dem Kortner das Drehbuch schrieb und selbst die Hauptrolle übernahm. Zuvor wurde in den Münchner Kammerspielen seine Komödie "Donauwellen" uraufgeführt. Es war zugleich auch der Anfang seiner "zweiten Karriere" in Deutschland.

Ein Gigant, der niemals ein Theaterintendant war

Stefan Moses - Retrospektive

Fritz Kortner auf einem Empfang für Künstler und Wissenschaftler am 04.09.1965 in Bayreuth. Vordere Reihe (von li nach re) die Schauspielerin Agnes Fink, die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und Rut Brandt, dahinter (l-r) der Regisseur und Schauspieler Bernhard Wicki, der Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner, der Komponist Hans Werner Henze, der Schriftsteller Günter Grass, Willy Brandt und der Berliner Wirtschaftssenator Karl Schiller

In München und Berlin hat Kortner nun ab 1949 als Schauspieler und als Bühnenregisseur Erfolge gefeiert, doch Proteste des Berliners Publikums nach einer Premiere veranlassten ihn dazu, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach München zu verlagern. Hauptsächlich trat er nun als Regisseur auf und sein Ruf als ein nie gänzlich zufriedener, stets den Schauspielern das Letzte abverlangender Inszenator eilte ihm ständig voraus. Rigoros setzte er seine Spiel-Vorstellungen durch und probte oft über die vorgesehene Probenzeit hinaus. Überliefert ist auch, dass Kortner über Improvisationen eines seiner Schauspieler durchaus herzlich lachte, doch diese dann zu unterlassen befahl mit dem Kommentar: "Ich habe zwar gelacht, aber weit unter meinem Niveau." Er betätigte sich auch als Filmregisseur und trat in einigen Filmen und Produktionen des Fernsehens auf. 1957 wurde Kortner, der nie eine Intendanz eines Theaters übernahm, mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet. Er starb am 22.7.70 in München.

Im Mai 1967 sprach Sid-Sindelar Brecht mit Fritz Kortner und befragte ihn unter anderem zu den wesentlichen Merkmalen seiner Regiearbeit.

Autor: Andreas Zemke

Redaktion: Diana Redlich

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