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Olympische Zensur

2. August 2008

Das IOC hat sein Versprechen eines unzensierten Internet-Zugangs während der Olympischen Spiele in Peking zurückgenommen. Aber die "Magie der Spiele" werde die "hitzigen Debatten" überstrahlen, hofft IOC-Präsident Rogge.

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Jacques Rogge in Peking, Quelle: AP
Jacques Rogge in PekingBild: AP

IOC-Präsident Jacques Rogge hat die Zugeständnisse Chinas beim Internet-Zugang als "beispiellos für dieses Land" gewürdigt. "Was zählt, ist der Fortschritt", sagte der Belgier zum Abschluss der Exekutivtagungen am Samstag (02.07.2008) in Peking. Auf seiner ersten Pressekonferenz in Peking wollte er nur noch von "größtmöglichem" Zugang für die 25.000 Journalisten sprechen. Bislang hatte das IOC, allen voran Rogge selbst, Olympia-Journalisten immer wieder "unzensierten" Zugang ins Internet in Peking zugesichert.

Auf der Pressekonferenz lehnte es Rogge ab, sich für eine Irreführung der Medien zu entschuldigen. "Ich entschuldige mich nicht für etwas, wofür wir nicht verantwortlich sind", sagte Rogge. "Die Chinesen betreiben das Internet." Er räumte aber ein, dass das IOC möglicherweise etwas naiv gewesen sei. "Wir sind Idealisten", sagte Rogge. "Idealismus ist etwas, das mit Naivität verbunden ist."

"Keine Vereinbarung"

Rogge rechnet nicht mit Protestaktionen von Athleten in den olympischen Stätten. Zuvor hatte die Exekutive den Antrag des französischen NOK und seiner Athletenkommission abgelehnt, zur Eröffnung mit Abzeichen "Für eine bessere Welt" einzumarschieren. Zugleich unterstrich das IOC erneut das Recht zur freien Meinungsäußerung aller Athleten in Pressekonferenzen oder Interviews. Der IOC-Präsident geht davon aus, dass nach der Eröffnungsfeier ab dem 9. August die "Magie der Spiele" die "hitzigen Debatten" der letzten Tage überstrahlen wird.

IOC-Sprecherin Giselle Davies, Quelle: AP
IOC-Sprecherin Giselle DaviesBild: AP

Rogge hatte zuvor die Darstellung des Chefs der IOC-Pressekommission, Kevan Gosper, zurückgewiesen, dass es eine geheime Übereinkunft über den Internet-Zugang gegeben habe. "Es hat absolut keinen Deal gegeben, keine Vereinbarung mit den Chinesen." Allerdings hatte das IOC niemals eine chinesische Zusage gehabt, dass das Internet tatsächlich frei zugänglich sein wird, wie der IOC-Koordinierungschef für die Spiele, Hein Verbruggen, einräumen musste. Dem olympischen Briefdienst "Sport Intern" sagte Verbruggen, China habe nie "vollständig freien Internetzugang", sondern nur "ausreichenden" Zugang garantiert.

Viele Journalisten, Sportfunktionäre und Menschenrechtsgruppen sahen einen "Wortbruch" und übten scharfe Kritik an IOC und dem Olympia-Organisationskomitee BOCOG. Erst nach einem Krisengipfel zwischen Verbruggen, Olympia-Direktor Gilbert Felli und dem BOCOG lockerten die chinesischen Gastgeber die Blockade ins World Wide Web.

Die Zensur geht weiter

Unter internationalem Druck gab China in den vergangenen Tagen für Journalisten einige Webseiten frei. So waren zum Beispiel am Samstag die Seiten von der Deutschen Welle und Amnesty International frei zugänglich, nicht aber die in den USA ansässige Menschenrechtsgruppe Human Rights in China (HRiC). Der US-Sender Radio Free Asia (RFA) konnte erreicht werden, aber nicht die Katholische Nachrichtenagentur Asianews, die sich mit Chinas Untergrundkirche befasst. Die Seiten der exiltibetischen Regierung und Organisationen waren ebenfalls weiter blockiert. Man könne die Verantwortlichen nur ermutigen, diesen Weg weiter fortzusetzen, sagte die IOC-Pressechefin Giselle Davies. Generell sieht man sich im IOC mit seiner Linie bestätigt, durch Gespräche hinter den Kulissen die Fronten aufzuweichen und nicht auf Konfrontation zu setzen.

Panzerwagen vor dem Hotel, in dem die IOC-Mitglieder wohnen, Quelle: AP
Panzerwagen vor dem Hotel, in dem die IOC-Mitglieder wohnenBild: AP

Es hagelte allerdings heftige Kritik. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Barbara Lochbihler, warf dem IOC Versagen vor. "Zensur ist ein Verrat an den olympischen Werten", sagte Lochbihler der "Neuen Osnabrücker Zeitung". In den sieben Jahren seit Vergabe der Spiele an Peking hätte das IOC auch "viel früher nachfragen müssen", ob das Versprechen von Chinas Führung, für eine Verbesserung der Menschenrechte zu sorgen, eingehalten werde. Auf die Lockerungen reagierten Menschenrechts-Organisationen indessen mit vorsichtigem Lob. In einer offiziellen Stellungnahme von Reporter ohne Grenzen hieß es: "Der Vorgang zeigt, dass die chinesische Regierung nicht vollkommen unempfindlich auf Druck reagiert."

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte Unverständnis über die Zensur. "Ich verstehe nicht, warum die chinesische Regierung mit der Begrenzung des Internet-Zugangs erneut weltweite Skepsis geweckt hat", sagte Steinmeier in einem Interview des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Der Weg zu einer offeneren Gesellschaft verlaufe allerdings nie linear und ohne Rückschläge - "erst recht nicht in einem so komplexen Land wie China".

"Protest-Zonen" ohne Proteste

Das Pressezentrum in Peking, Quelle: AP
Das Pressezentrum in PekingBild: AP

Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble warb um mehr Anerkennung für die Fortschritte Chinas. Der CDU-Politiker zeigte sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" überzeugt, dass Olympia die Öffnung des Landes vorantreiben wird: "Die Chinesen scheinen einzusehen, dass Freiheit und Menschenrechte die beste Basis für eine gute Zukunft sind."

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von einem "riesigen Skandal". Wenn das IOC die Zensur von Internetseiten akzeptiere, mache es sich mitschuldig an einem Verstoß gegen elementare Menschenrechte: "Die olympische Idee kennt keine Grenzen - das IOC mutiert gerade zum Hauptgefährder dieser Idee", sagte Roth dem Berliner "Kurier am Sonntag"

Demonstration von Reporter ohne Grenzen in Peking, Quelle: AP
Demonstration von Reporter ohne Grenzen in PekingBild: AP

Unterdessen zeichnete sich ab, dass Proteste gegen die chinesische Regierung bei den Olympischen Spielen auch in den offiziell ausgewiesenen "Protest- Zonen" nicht möglich sein werden. Eine pensionierte chinesische Ärztin wurde im Pekinger Polizeipräsidium bei dem Versuch festgenommen, eine Kundgebung in einer der drei Zonen anzumelden, berichtete die "South China Morning Post"(Samstag-Ausgabe). Die aus der ostchinesischen Stadt Suzhou angereiste Frau plante keine politische Kundgebung, sondern wollte eine Demonstration von 100 Wohnungseigentümern gegen einen Baukonzern anmelden. Auch mehrere taiwanesische Geschäftsleute sind der Hongkonger Zeitung zufolge mit dem Versuch gescheitert, eine Demonstration anzumelden. Ebenfalls abgelehnt worden sei der Plan einer Gruppe chinesischer Nationalisten, mit einer Demonstration den chinesischen Anspruch auf die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln zu untermauern.(stu)