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"Vertuscht, verharmlost, verschwiegen"

3. März 2014

Es braucht schon einen Jahrestag, um die nukleare Katastrophe von Fukushima wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Ärzteorganisation IPPNW tut genau dies und warnt: "Der Unfall ist noch nicht unter Kontrolle".

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Geisterstadt Namie nach der Katastrophe von Fukushima (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vertuscht, verharmlost und verschwiegen: Mit scharfen Worten kritisiert die internationale Ärzteorganisation IPPNW die japanische Regierung. Drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe werde jegliche Untersuchung möglicher strahlenbedingter Erkrankungen verhindert, sagte die Vertreterin der deutschen IPPNW-Sektion, Angelika Claußen, in Berlin. Der Verdacht liege nahe, dass die Behörden kein tieferes Interesse an der Aufklärung gesundheitlicher Folgen der Katastrophe hätten.

Ärzte würden in Japan von Regierungsberatern, Krankenversicherungen und Fachverbänden unter Druck gesetzt, wenn sie die medizinische Auswirkungen der Katastrophe von Fukushima erforschen wollten. Unter anderem seien dadurch spezifische Blutuntersuchungen verhindert worden, berichtete Angelika Claußen.

Angelika Claußen, Tschernobylbeauftragte des IPPNW (Foto: IPPNW)
Angelika ClaußenBild: IPPNW

Die "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW) sind ein Zusammenschluss von Medizinern aus mehreren Ländern, die sich unter anderem für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzen. 1985 wurde die Organisation mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

"Täglich neue Lecks"

IPPNW befürchtet einen Anstieg der Säuglingssterblichkeit oder eine Häufung von Leukämieerkrankungen bei Säuglingen wie nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl. Statistiken, mit denen solche Veränderungen untersucht werden könnten, lägen aus Japan jedoch nicht vor. Es sei lediglich eine gestiegene Anzahl von Schilddrüsenkrebsfällen festgestellt worden. Allerdings würde die Präfektur Fukushima bestimmen, wer entsprechende Krebs-Screenings durchführen dürfe, heißt es.

Die japanische Journalistin Oshidori Mako teilt diese Kritik: "Der Unfall ist noch nicht unter Kontrolle", sagte sie in Berlin. Jeden Tag würden neue Strahlenlecks entdeckt. Zugleich versuchten die Behörden von den Folgen der Radioaktivität abzulenken. Dazu würden etwa Schulen oder Einrichtungen gezwungen, Lebensmittel aus der Region Fukushima zu verwenden, um deren Unbedenklichkeit zu demonstrieren. Eine freie Berichterstattung über die Atomkatastrophe werde es auch künftig nicht geben, befürchtet Oshidori Mako und verweist auf ein Ende 2012 verabschiedetes Gesetz zum besseren Schutz von Staatsgeheimnissen. Die Journalistin steht unter Beobachtung der japanischen Regierung.

"Viele Opfer, keine Anklagen"

Am Wochenende hatten in der japanischen Hauptstadt Tokio mehrere hundert Menschen dagegen protestiert, dass noch immer niemand für die Atomkatastrophe juristisch zur Verantwortung gezogen wurde. "Es gibt viele Opfer, aber keine Anklagen", sagte die Organisatorin der Veranstaltung, Ruiko Muto. Im Jahr 2012 hatten 15.000 Betroffene eine Klage gegen den Atomkraftwerkbetreiber Tepco eingereicht. Im September 2013 entschied die Staatsanwaltschaft jedoch, keine Anklage zu erheben. Dagegen läuft ein Berufungsverfahren.

Bei dem verheerenden Erdbeben und Tsunami vom 11. März 2011 war das Kernkraftwerk Fukushima so schwer beschädigt worden, dass die Kühlanlagen ausfielen und es in der Folge zu einer Kernschmelze in mehreren Reaktoren kam. Nach dem Desaster wurde eine Sperrzone um das Kraftwerk eingerichtet, rund 160.000 Menschen verließen das Katastrophengebiet.

rb/nis (afp, dpa, epd)