1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Irakische Flüchtlinge

Karin Leukefeld13. Dezember 2008

Rund 220.000 irakische Flüchtlinge in Syrien sind beim UN-Flüchtlingshilfswerk registriert. Obwohl die irakische Regierung mit einem Rückkehrprogramm von 195 Millionen US-Dollar lockt, wollen die meisten nicht zurück.

https://p.dw.com/p/GEYY
Irakische Flüchtlinge 2003 in Basra. Quelle: ap
Seit Jahren auf der Flucht: Als 2003 die Amerikaner kamen, verließen tausende Iraker ihr LandBild: AP

Die "Straße der Iraker" in Saida Zeyneb, im südlichen Damaskus. Neben Bäckereien, Marktständen und einfachen Cafés gibt es viele Reisebüros. Hier werden Fahrten nach Jordanien, Saudi-Arabien, in den Libanon oder in den Irak angeboten. Der Bus nach Bagdad fährt am frühen Nachmittag, Haydar Abdulrahim Yassin wartet im kleinen Büro der Al Basil Gesellschaft auf die Abfahrt. Er lebe seit 1991 in Schweden, erzählt der etwa 50-jährige Mann. Im Kuwaitkrieg sei er desertiert, doch nun werde es Zeit, seine Familie wiederzusehen.

"Um aus Syrien auszureisen, nehme ich meinen schwedischen Pass, für die Einreise in den Irak habe ich meinen irakischen Pass", erzählt er. "Ich fahre erst nach Bagdad, von dort nach Hilla, Diwaniya und dann nach Samawa. Die Fahrt ist lang, bis Bagdad sind es mindestens 11 Stunden."

Kein Zuhause mehr

Familie flieht aus Bara 2003. Quelle: ap
Sie sind um ihr Leben gerannt - und haben heute nichts mehr: Irakische FlüchtlingeBild: AP

Samawa liegt im Südirak, an der Grenze zu Saudi-Arabien. Dort sei es ruhig, sagt Haydar Yassin. Das habe ihm seine Familie am Telefon erzählt. Obwohl er als Orthopädietechniker eine wichtige Arbeitskraft in seiner Heimat wäre, will Haydar Yassin nicht im Irak bleiben. In Schweden habe er Arbeit, im Irak aber sei die Zukunft unklar, auch wenn die Regierung will, dass die Iraker zurückkehren.

"Viele Flüchtlinge haben im Irak dort kein Zuhause mehr, keine Arbeit, sie sind arm", sagt er. "Die meisten Leute, mit denen ich gesprochen habe, wollen nach Europa, nicht zurück in den Irak. Die Lage dort ist einfach zu schlecht."

Hoffnung auf Neubeginn

Täglich reisen Iraker von Syrien in ihre Heimat, doch meist nur, um familiäre oder bürokratische Angelegenheiten zu regeln. Danach kommen sie zurück, viele mit der Hoffnung, in einem anderen Land ein neues Leben zu beginnen.

Irakische Flüchtlinge vor UN-Quartier in Damskus. Quelle: ap
Der Andrang vor dem UN-Quartier in Damaskus ist großBild: AP

16.400 Anträge auf Umsiedlung hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, im vergangenen Jahr gestellt. Knapp ein Drittel davon, 6000 Anträge, wurden von verschiedenen Staaten bewilligt. Die Europäische Union wird 10.000 Iraker aufnehmen, wurde kürzlich in Brüssel entschieden. Wie viele irakische Flüchtlinge sich in Syrien wirklich aufhalten, sei schwer zu sagen, meint Philip Leclèrc, Zweiter Repräsentant des UNHCR in Syrien. Klar sei, dass das Leben für sie immer schwieriger wird.

Millionen Flüchtlinge

"Nach Regierungsangaben umfasst die syrische Einwanderungskartei 1.1 Millionen irakische Bürger. Das sind aber nur diejenigen, die hier offiziell gemeldet sind", sagt Leclèrc. Hinzu kämen die Menschen, die nicht offiziell gemeldet haben. Ihre Zahl zu schätzen sei sehr schwierig, so Leclèrc. "Wir wissen sicher, dass 220.000 Fälle beim UNHCR registriert sind und direkt versorgt werden. Das größte Hindernis für die Iraker hier in Syrien ist, dass sie nicht arbeiten dürfen."

UN-Kommissar als Clown verkleidet in einem Flüchtlingslager in Syrien spielt mit Kindern. Quelle: ap
Die UNO versucht, Kindern zu helfen - sie leiden besonders unter der FluchtBild: AP

Und so leben viele Flüchtlinge von der Unterstützung ihrer Angehörigen im Ausland, andere von ihrer Pension oder Erspartem. Wer nichts mehr hat, sucht Hilfe in der Moschee oder bei der Kirche - oder in der irakischen Botschaft in Damaskus. Hunderte Menschen begehren dort jeden Tag Einlass, sagt Berivan Dosky, die Zweite Sekretärin. In der Botschaft erneuern sie die Pässe, stellen Pässe oder Geburtsurkunden aus und beglaubigen Dokumente. "Die Leute kommen für fast alles", erzählt sie. "Manche wollen in den Irak zurück, haben aber nicht genügend Geld. Oder ein Angehöriger ist gestorben, dann bitten sie um finanzielle Unterstützung. Denn viele haben kein Einkommen und damit auch kein Geld mehr."

Geld für die Rückkehr

Immerhin 195 Millionen US-Dollar habe die irakische Regierung zur Verfügung gestellt, um den Flüchtlingen zur Rückkehr zu verhelfen, sagt Berivan Dosky. "Jede Familie, die zurückkehrt, erhält als Starthilfe 1 Million Irakische Dinar, etwa 1000 US-Dollar. Wer seinen Arbeitsplatz verlassen hat, bekommt seinen Job zurück." Die Zeit der Abwesenheit werde dabei als unbezahlter Urlaub gewertet, erklärt sie.

Studierende könnten dort weiter studieren, wo sie abgebrochen haben, die Fehlzeit werde nicht angerechnet. "Und Leute mit Qualifikationen werden innerhalb kurzer Zeit eine Anstellung bei der Regierung erhalten", sagt sie. "Die größte Ermutigung für alle aber ist, dass sich die Sicherheitslage in Irak sehr verbessert hat."

Arbeitsverbot quält

Mary Wahan Assoian teilt diese Einschätzung nicht. Die 54-Jährige lebt seit vier Jahren in einem mehrstöckigen Wohnhaus südlich der Ringstrasse von Damaskus und versorgt ihren Bruder, der Down Syndrom hat. Die Kosten für Medikamente, Miete und Lebensunterhalt haben ihre Ersparnisse aufgebraucht, seufzt die armenische Christin. Erst hatte man in Bagdad ihr Haus geplündert, dann gab es Drohungen, ihren Bruder zu entführen, erzählt sie.

18 Jahre lang leitete sie die Vertretung einer deutschen Transportfirma in Bagdad. Das Arbeitsverbot in Syrien macht ihr zu schaffen. "Ich arbeite wirklich gern", sagt sie. "30 Jahre lang habe ich gearbeitet. Hier in Syrien bin ich wie eine Gefangene: Ein fremdes Land, Einsamkeit und Krankheiten."

Mary Wahan kennt den Aufruf der irakischen Regierung zur Rückkehr, doch sie traut ihm nicht. Als Christin sieht sie für sich und ihren Bruder keine Zukunft in ihrer Heimat, dem Irak. Sie wird wohl wie viele andere Flüchtlinge für immer in der Fremde bleiben.