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Irakpolitik in der Kritik

25. Juni 2004

In der US-Bevölkerung wird die Irakpolitik von Präsident Bush zunehmend kritisch gesehen. Auch Außenminister Powell hat das Problem erkannt. Viel Hilfe von den Bündnispartnern der NATO ist allerdings nicht zu erwarten.

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Hier geht's lang: US-Soldat auf Patrouille mit seinen irakischen KollegenBild: AP


Erstmals seit Beginn des Krieges lehnt eine Mehrheit der US-Bürger das militärische Engagement im Irak ab. Nach einer am 24. Juni veröffentlichten Umfrage des US-Senders CNN, der Zeitung "USA Today" und des Gallup Instituts halten 54 Prozent der Befragten die Entsendung von Truppen in den Irak für einen Fehler. Anfang des Monats waren es noch 41 Prozent. Die Mehrheit (55 Prozent) glaubt auch nicht mehr an das von Präsident Bush immer wieder vorgebrachte Argument, dass die USA durch den Irak-Krieg sicherer vor Terroranschlägen geworden seien.

Zugewinn trotz Kritik

Wie die "USA Today" auf ihrer Internetseite berichtete, ist es das erste Mal seit dem Vietnamkrieg (1964-1975), dass die Mehrheit der US-Bürger in der Entsendung von US-Truppen einen Fehler der Regierung in Washington sieht. Zu Beginn des Irak-Krieges im vergangenen Jahr hatten diesen noch drei von vier US-Bürgern für gerechtfertigt gehalten. Wie die Umfrage weiter ergab, kann Bushs demokratischer Herausforderer im Kampf um die Präsidentschaft, John Kerry, jedoch nicht von dem Stimmungsumschwung im Hinblick auf den Irak-Krieg profitieren. Laut Umfrage gewann Bush in der Wählergunst hinzu und liegt mit einem einzigen Prozentpunkt vor Kerry, den derzeit 47 Prozent der Befragten wählen würden. Grund sind die wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen der letzten Zeit.

"Ernstzunehmendes Problem"

Wenige Tage vor der geplanten Machtübergabe im Irak an die Übergangsregierung sind am 24. Juni bei einer brutalen Anschlagsserie rund 100 Menschen getötet worden. "Wir haben die Art des Widerstandes unterschätzt", sagte Außenminister Colin Powell der BBC, "so, wie sich die Lage derzeit entwickelt, ist der Widerstand zu einem ernstzunehmenden Problem geworden." In sechs irakischen Städten gingen Sprengsätze hoch. Allein bei der Explosion von fünf Autobomben in der nordirakischen Stadt Mosul starben nach offiziellen Angaben etwa 50 Menschen. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Da sich die Attacken vor allem gegen Polizeiwachen richteten, waren viele Polizisten unter den Opfern.

Vertreter der US-geführten Besatzungstruppen sprachen in Bagdad von "abgestimmten Aktionen" besatzungsfeindlicher Kräfte - mit dem Ziel, die geplante Machtübergabe zu torpedieren. Bei offensichtlich koordinierten Angriffen auf Polizeistationen im westirakischen Ramadi und in der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Bakuba kamen laut Augenzeugen 29 Menschen ums Leben. US-General Mark Kimmitt sagte, die Angriffe in Bakuba gingen auf das Konto arabischer Terroristen; die Anschläge im Westirak seien das Werk von "Überresten des alten Regimes" von Saddam Hussein.

Die NATO wird es nicht richten (können)

Der irakische Ministerpräsident Ijad Allawi hat die NATO um "technische Hilfe" und Unterstützung bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte gebeten. Wie die genau aussehen wird, ist allerdings offen. Bislang leistet die Allianz lediglich im polnisch kommandierten Sektor im Irak Unterstützung mit Kommunikations-, Logistik- und Transportdienstleistungen. Kampftruppen auf irakischem Boden unter NATO-Flagge wird es nach Einschätzung von Diplomaten auch in Zukunft nicht geben. Stattdessen sei eine koordinierende Rolle des Bündnisses denkbar. Die herausragende militärische Rolle im Irak spielen die USA, die dort rund 138.000 Soldaten im Einsatz haben. Wichtigster Koalitionspartner ist Großbritannien mit etwa 9000 Soldaten, weit vor Italien mit 3000 und Polen mit 2400 Soldaten vor Ort.

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer steht dem Engagement der NATO im Irak abwartend-kritisch gegenüber. Die Allianz solle sich auf bereits bestehende Einsätze und Aufgaben konzentrieren, insbesondere die Mission in Afghanistan, forderte der Generalsekretär in seiner jüngsten Rede in London am 19. Juni. Denn offensichtlich sind die NATO-Staaten nicht einmal in der Lage, genügend Truppen und Ausrüstung für den Einsatz am Hindukusch zu mobilisieren. "Wo ist der Fehler in unserem System", fragte de Hoop Scheffer, "wenn wir es nicht schaffen, die paar wenigen dringend notwendigen Ressourcen bereitzustellen für die Einsätze, die wir bereits übernommen haben?" Dennoch: Man werde dem irakischen Ministerpräsidenten nicht "die Türe vor der Nase zuschlagen." (arn)