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Iraks Kampf gegen den Terrorismus

Kersten Knipp10. September 2012

Auch gut neun Monate nach dem Abzug der US-Soldaten ist die Situation im Irak instabil. Das größte Problem bleibt der Terrorismus. Hoffnung macht ausgerechnet die katastrophale Entwicklung Syriens.

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Irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten betrachten die Überreste eines Wagens, in dem eine Autobombe explodierte (Foto: AP/dapd)
Bild: dapd

Mehr als 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag hat der Irak im August exportiert – das sind die höchsten Ausfuhren seit 30 Jahren. Erfolgsmeldungen aus dem Irak wie diese sind rar. Und auch diese Zahlen helfen der Wirtschaft nur bedingt. Zwar stammen mehr als 90 Prozent der gesamten Einnahmen des Landes aus der Erdölforderung - doch für die Iraker selber bietet der Sektor nur wenige Chancen. Gerade einmal ein Prozent der irakischen Arbeitskräfte sind hier beschäftigt. Eine ungleich bedeutendere Rolle spielt die Landwirtschaft, in der ein gutes Fünftel aller Iraker sein Auskommen findet, allerdings ein bescheidenes. Insgesamt tragen Ackerbau und Viehzucht lediglich vier Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Auch der private Sektor hat sich entgegen aller Hoffnung kaum weiterentwickelt. Das Land verzeichnet eine Arbeitslosenquote von 18 Prozent. Die weit verbreitete Armut, steigende Analphabetenraten und vor allem die grassierende Korruption stellen den Irak weiterhin vor große Herausforderungen.

Religiös und politisch motivierter Terror

Auch um die Sicherheitslage steht es nicht gut. Die Polizei ist noch immer weit davon entfernt, die Sicherheit der Bürger garantieren zu können. Allein am Sonntag (09.09.2012) sind bei einer Anschlagsserie mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen. Nachdem ein Gericht den flüchtigen Vizepräsidenten Tarek al-Haschemi zum Tode verurteilt hatte, zündeten Terroristen in mehreren Städten Bomben. Der Terror im Irak hat wieder zugenommen, seit der Streit zwischen den Parteien der Schiiten und Sunniten eskaliert ist.

Ein Iraker am Ort einer Explosion in Baghad (Foto: EPA)
Ohnmacht angesichts der GewaltBild: picture-alliance/dpa

Auch die über das ganze Land verteilten und gegen sämtliche religiösen Gruppen gerichteten Attentate im Fastenmonat Ramadan mit zahlreichen Toten zeigen, wie schlagkräftig die unterschiedlichen terroristischen Gruppierungen noch immer sind. Die Bewaffneten gehören ganz unterschiedlichen Gruppen an. Neben Kämpfern der international operierenden Al-Kaida halten auch nicht-fundamentalistische Gruppen das Land in Atem. Außerdem versuchen radikale Sunniten, Schiiten und Kurden durch Einsatz von Gewalt ihren politischen Einfluss zu vergrößern.

Nach wie vor speise sich der Terrorismus aus der gewaltgeprägten Vergangenheit des Landes, erläutert im Gespräch mit der DW Usama Hasan von der in London ansässigen "Quilliam-Foundation", die sich als anti-islamistischer Think-Tank versteht. 30 Jahre lang hätten die Iraker unter der eisernen Faust Saddam Husseins gelebt. "Wie in vielen arabischen Ländern basierte die Ordnung auf dem massiven Einsatz von Gewalt, auf einem repressiven und tyrannischen System. Es war ein Polizeistaat, der auf Haft, Mord und Folter setzte. All dies diente dazu, die Bevölkerung einzuschüchtern." Dieses System sei zwar nach der US-Invasion zerschlagen worden. Doch das Erbe wirke weiter - und dies umso mehr, als es nach wie vor noch nicht hinreichend durch rechtstaatliche Strukturen ersetzt worden sei. Es brauche Jahre, damit sich Demokratie und zivile Strukturen entwickeln können, so Hasan. In Europa habe dieser Prozess Jahrhunderte gedauert.

Arabischer Frühling weckt Hoffnung

Wie sich der Terrorismus entwickeln wird, lässt sich derzeit nur schwer vorhersagen. Ausgerechnet die katastrophale Entwicklung in Syrien könnte die Gewalt langfristig womöglich eindämmen. So musste der Iran erkennen, dass seine Versuche, Syriens Machthaber Baschar al-Assad an der Macht zu halten, von allen Nachbarstaaten boykottiert werden. Das könnte ihn dazu veranlassen, auch im Irak nur noch zurückhaltend Einfluss zu nehmen. In Teheran habe man durchaus Interesse an stabilen Verhältnissen im Irak, glaubt Usama von der "Quilliam-Foundation". Die iranischen Machthaber verfolgten vor allem ein Ziel, nämlich den amerikanischen Einfluss im Irak zu minimieren – "und das lässt sich auch ohne Gewalt erreichen".

Ein zerbrochenes Bild mit dem Porträt des gestürzten irakischen Diktatorsd Saddam Hussein (Foto: AP)
Vater der Gewalt im Irak: Der gestürzte Diktator Saddam HusseinBild: AP

Auch Irans großer sunnitischer Gegenspieler Saudi-Arabien geht seit geraumer Zeit auf Distanz zum Terrorismus. Ohnehin müsse man genau unterscheiden, erklärt der Islamwissenschaftler Thomas Pierret im Gespräch mit der DW. "Der saudische Staat unterstützt keinen islamistischen Terrorismus. Es handelt sich um private Sponsoren aus der Golfregion – aus Saudi-Arabien und anderen Ländern." Diese Sponsoren, so Pierret, hätten terroristische Gruppen auch anderswo unterstützt, etwa in Tschetschenien und in Afghanistan. Ihnen gehe es darum, einem besonders strengen Islam zum Durchbruch zu verhelfen. Darum verteilten sie ihr Geld auch nur an ganz bestimmte Gruppen. "Dafür haben sie sehr präzise Kriterien. Sie setzten voraus, dass die, die sie unterstützen, gute Muslime und nach Möglichkeit auch Salafisten sind."

Grenzen des Geldes

Allerdings stößt auch das Geld an seine Grenzen. Vielen Irakern sei die salafistische Auslegung der Religion fremd, erklärt Usama Hasan. Darum habe gerade Al-Kaida in den vergangenen Jahren im Irak eine negative Bilanz ziehen müssen. "Die Gruppe hat es nicht geschafft, sich der Unterstützung der Iraker zu versichern. Viele irakische Kämpfer - Nationalisten, die zunächst gegen die amerikanischen Streitkräfte kämpften - haben sich den Amerikanern irgendwann angeschlossen, um Al-Kaida zu bekämpfen. Sie lehnten deren strikte Interpretation der islamischen Gesetze ab." So sei die Terror-Organisation im Irak schwächer geworden - ein Prozess, der sich auch auf globaler Ebene beobachten lasse: "Durch die Ermordung bedeutender Führer wie etwa Sarkawi und natürlich Bin Laden im letzten Jahr hat Al-Kaida weltweit einen gewaltigen Rückschlag erlitten."

Dennoch müssen die Iraker weiter mit dem Terrorismus leben. Zu viele soziale und ökonomische Probleme sind ungelöst. Zudem ist offen, wie sich der Zerfall der Staatsmacht im benachbarten Syrien auswirken wird. Die dort aktiven Dschihadisten könnten auch in den Irak einsickern. All dies fordert die irakischen Sicherheitskräfte ebenso wie die Politik.