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Iran, Saudi-Arabien und der neue Nahe Osten

Kersten Knipp15. Oktober 2015

Schwierige Mission: Deutschlands Außenminister Steinmeier sucht im Nahen Osten das Gespräch mit zwei regionalen Großmächten: Iran und Saudi-Arabien. Die Erzrivalen stehen sich auf mehreren Feldern gegenüber.

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Straßenkampf in Aleppo, 04.03.2015 (Foto: Anadolu Agency)
Bild: picture-alliance/AA/Ahmed Muhammed Ali

Wohin die Reise des deutschen Außenministers geht, dürfte klar sein - zumindest geographisch. Sie führt ihn erst nach Teheran und dann nach Riad. Längst nicht so klar ist, in welche politische Richtung sich die Gespräche der kommenden Tage entwickeln werden. Es sind derzeit nämlich mehrere Szenarien denkbar. Deren Grundrichtung wird sich auf der ersten Station seiner Reise entscheiden: in Teheran.

Teheran hat ein politisch erfolgreiches Jahr hinter sich. Die iranischen Atom-Verhandlungen fanden einen erfolgreichen Abschluss, zahlreiche gegen das Mullah-Regime verhängte Sanktionen wurden aufgehoben. Die Bilder der offenbar in entspannter Stimmung verlaufenden Gespräche zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschwad Zarif gingen um die Welt - und signalisierten, dass die Eiszeit zwischen Washington und Teheran zu tauen beginnt. Der Iran, das deuteten auch die anderen Bilder von offenbar locker verlaufenden Unterhaltungen zwischen Sarif und westlichen Politikern an, ist zurück auf der der internationalen Bühne. Als solcher, so versucht Teheran es darzustellen, beteiligt er sich sogar am "Kampf gegen den Terrorismus".

US-Außenminister Kerry und sein iranischer Amtskollege (Foto: AP)
Ins Gespräch vertieft: US-Außenminister Kerry und sein iranischer Amtskollege Sarif (vorne links)Bild: picture-alliance/AP/L. Gillieron

Iranischer Expansionskurs

Der Iran, so jedenfalls scheint es auf den ersten Blick, befindet sich auf Entspannungskurs. Ob es sich auch tatsächlich so verhält, ist allerdings offen. Für die politische Zukunft des Landes, schreibt der Nahost-Experte Volker Perthes in seinem neuen Buch "Das Ende des Nahen Osten, wie wir ihn kannten", böten sich zwei gleichermaßen plausible Szenarien an. Das erste: Der Iran setzt auf Ausgleich mit seinen regionalen und internationalen Partnern, müht sich um Dialog und pflegt einen mäßigenden Einfluss, so etwa auf die Akteure im syrischen Krieg. Nicht ausgeschlossen, dass dieser sich dadurch beenden ließe. Das zweite: Der Iran fühlt sich durch Aufhebung der Sanktionen gestärkt und kräftig genug, seine Interessen zu verfolgen - konsequent und, wenn es schlecht läuft, auch rigoros, ohne allzu große Rücksicht auf die Belange seiner Nachbarn. Auch innenpolitisch, bei den anstehenden Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen (2016/2017), könnte sich die Politik des Landes wieder verhärten - zur Enttäuschung all derer, die auf Reformen in näherer Zukunft gehofft hätten.

Politisch legt der Iran ein robustes Verhalten an den Tag - und das zeigt wohin sich das Land ideologisch bewegt. "Der gewachsene Drang der iranischen Regierung, seine Aktivitäten im Nahen Osten auszudehnen, widerspricht der amerikanischen Auffassung, dass die Atomvereinbarung das Land dahin bringen wird, sich vor allem auf sich selbst zu konzentrieren", schreibt die Zeitung "Sharq al-Awsat" Anfang Oktober. Was wir derzeit erlebten, sei das genaue Gegenteil.

Kampf um Latakia, 10.10.2015 (Foto: AP)
In Syrien gehen die Kämpfe unvermindert weiter - auch in LatakiaBild: picture alliance/AP Photo/A. Kots

Tatsächlich betreibt Teheran Außenpolitik derzeit ganz wesentlich mit militärischen Mitteln. In Syrien kämpfen Spezialkräfte auf Seiten des Diktators Baschar al-Assad, der sich nun auch auf tatkräftigen russischen Beistand verlassen kann. Und auch im unmittelbaren Nachbarland Irak ist der Iran aktiv. Dort engagiert er sich aufseiten der schiitisch dominierten Regierung von Haidar al-Abadi im Kampf gegen die Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS). "Während die iranische Politik in Syrien und im Irak auf eine konfessionelle Reinigung setzt, hat das Land auf der internationalen Bühne mehr Unterstützer als je zuvor", schreibt die Zeitung "Al-Araby al-jadeed". Diese hat sie, weil sich die globalen Prioritäten ganz offenbar verschoben haben: Sowohl Russland als auch die USA - und die meisten europäischen Staaten - sind mehr am Kampf gegen den IS als gegen Baschar al-Assad interessiert.

Saudischer Waffengang

Schreitet die iranische Politik in diese Richtung fort, wird Steinmeier größte Mühe haben, seine Gesprächspartner auf der zweiten Station der Reise, in Saudi-Arabien, zu besänftigen. Auch das Königreich hat einen aggressiven Kurs eingeschlagen, innen- ebenso wie außenpolitisch. Leidtragender ist der Jemen, wo Saudi-Arabien seit März an der Spitze einer internationalen Koalition einen blutigen Krieg führt. Der gilt den Huthis, die laut Saudi-Arabien mit dem Iran zusammenarbeiten sollen. Knapp 2400 Zivilisten sind in dem Krieg nach UN-Angaben bis Ende September bereits getötet worden. "Eine Bevölkerung, die bereits an bitterer Armut, Unsicherheit, Unterernährung und eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsfürsorge leidet, sieht sich nun einer schlimmen humanitären Notlage gegenüber", heißt es in der unter anderem vom Büro der Vereinten Nationen zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) herausgegebenen Studie "State of crisis: explosive weapons in Yemen". Die saudischen Bemühungen, die Gegner Assads militärisch zu unterstützen und den Syrien-Krieg dadurch zu beenden, haben bislang nicht gefruchtet. Umso entschiedener führt es den Krieg im benachbarten Jemen, dem Armenhaus der arabischen Welt.

Saudischer Soldat mit jemenitischem Jungen, 26.09.2015 (Foto: Reuters)
Der Starke und der Schwache: Saudi-Arabien im JemenBild: Reuters/Faisal Al Nasser

Auch innenpolitisch gibt sich das Königshaus rigoros. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres wurden 102 Menschen hingerichtet. Der liberale Blogger Raif Badawi sitzt ebenso in Haft wie der schiitische Aktivist Ali al-Nimr. Dieser wurde wegen Protestes gegen die Regierung zum Tod verurteilt. Als er 2011 gegen das Regime auf die Straße ging, war Al-Nimr gerade 16 Jahre alt. Seitdem sitzt er in Haft.

Immer wieder wird Saudi-Arabien auch der Förderung einer besonders militanten Form des Islam beschuldigt. Der schiitische Aktivist Hamza al-Hassan bezeichnete den IS in mehreren Tweets als "made in Saudi Arabia", also als saudisches Produkt. Der wahhabitische Islam, der in Saudi-Arabien Staatsreligion ist, und die Terror-Organisation, hätten die gleichen ideologischen Wurzeln.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier begibt sich auf schwieriges politisches Terrain. Um die Kultur des Dialogs steht es in der Region nicht gut.