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Iranische Reformer weitgehend ausgeschaltet

Peter Philipp 24. Mai 2005

Im Iran hat der erzkonservative Wächterrat fast alle reformorientierten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Die Partei von Mostafa Moein spricht von einem Staatsstreich und ruft zum Wahlboykott auf.

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Das geistliche Oberhaupt Irans Ajatollah Ali ChameneiBild: dpa

Konservative Kreise in Teheran bemühen sich seit Wochen, die Zukunft zu lesen und die Wahlbeteiligung vorauszusagen, mit der am 17. Juni der nächste Staatspräsident des Landes gewählt werden wird. Die Prognosen lauteten bisher "45 bis 52 Prozent", ohne jede fundierte Begründung allerdings. Seit dem Wochenende (21./22.5.) aber dürfte nun feststehen, was man bisher schon vermutet hatte: Dass solche Zahlen unrealistisch sind. Denn es zeichnet sich ab, dass die Präsidentschaftswahlen auf noch weniger Interesse bei der Bevölkerung stoßen werden als die Parlamentswahlen 2004.

Der Wächterrat - heimlicher Herrscher?

Der Grund ist derselbe: Der erzkonservative Wächterrat hat die meisten Kandidaten von den Wahlen ausgeschlossen. Darunter auch den Favoriten der Reformer, den ehemaligen Wissenschaftsminister Mostafa Moein. Und wie im vergangenen Jahr bleiben nun fast nur konservative Kandidaten übrig. Unter ihnen der ehemalige Staatspräsident Akbar Haschemi Rafsandschani, der ehemalige Außenminister Ali-Akbar Velajati, der bisherige Chef des staatlichen Rundfunks Ali Laridschani und die ehemaligen Chefs der Polizei und der "Revolutionsgarden". Nur der frühere Parlamentspräsident Mehdi Karrubi wird den Reformern zugezählt, von diesen aber nicht als ihr Kandidat betrachtet.

Die größte Reform-Bewegung, "Musharekat" ("Islamische

Beteiligungsfront Iran"), unter Führung von Reza Chatami, einem Bruder des jetzigen Präsidenten, fühlt sich in die Tage und Wochen vor den Parlamentswahlen im Frühjahr 2004 versetzt: Fast alle Reform-Kandidaten wurden damals vom Wächterrat disqualifiziert und die Chatami-Anhänger riefen deswegen zu einem Boykott der Wahlen auf. Dasselbe wollen sie diesmal versuchen und die Erfolgsaussichten eines solchen Appells könnten gut sein. Denn die politische Apathie unter den Iranern hält weiterhin an und wird durch das willkürliche Vorgehen des Wächterrates nur noch gefestigt.

Ungeschriebenes Gesetz gegen Frauenkandidatur

Das konservative Gremium hatte über 1014 Kandidaten zu befinden und ließ nur sechs von ihnen bestehen. Unter den Disqualifizierten sind nicht nur einige Reformer, sondern auch eine Reihe von Frauen, die sich eingetragen hatten, obwohl Frauen nach einem ungeschriebenen Gesetz für das Präsidentenamt nicht in Frage kommen. Die überwiegende Mehrheit der Kandidaten allerdings war nicht ernst zu nehmen: "Arbeitslose und Ungebildete darunter. Auch solche, die sich einen Spaß machen wollten" - meinte ein Sprecher des Wächterrates.

Die disqualifizierten Kandidaten können Einspruch erheben, Moein hat aber bereits wissen lassen, dass er nicht mit dem Wächterrat über seine Kandidatur diskutieren werde. Und so dürften die Wahlen sich in erster Linie unter den Konservativen selbst abspielen. Bleiben sie alle im Rennen, dann könnte dies dazu führen, dass sie sich gegenseitig behindern und es zu einem zweiten Wahlgang -

einer Stichwahl - kommen muss. Noch wahrscheinlicher freilich dürfte sein, dass einige dieser Kandidaten sich zurückziehen und Rafsandschani als klarer Favorit übrig bleibt.

Warten auf ein Machtwort

Der Vorgänger Chatamis hatte sich lange geziert, ob er auch dessen Nachfolger werden solle. Seit er seine Kandidatur offiziell angekündigt hat, besteht aber kaum ein Zweifel, dass er das Rennen machen wird, und dass kaum jemand Interesse haben wird, ernsthaft gegen den mächtigen alten Mann der iranischen Politik anzutreten.

Eine geringe Wahlbeteiligung wird zwar nicht gut aussehen, sie ist aber auch in gefestigten Demokratien kein Grund, die Legitimität der Wahl in Frage zu stellen. Die Disqualifizierung von Kandidaten im Vorfeld der Wahlen wäre schon eher dazu geeignet. Gegen den Wächterrat aber hat sich bisher noch niemand durchsetzen können. Nur das geistige Oberhaupt - Ajatollah Ali Chamenei - könnte hier ein Machtwort sprechen. Bisher hat er aber nur empfohlen, die Disqualifizierung von zwei Reformern - unter ihnen Moein - zu überdenken.