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Iran öffentliche Hinrichtungen

Kiarash Babai24. Januar 2013

Die öffentliche Hinrichtung zweier Männer löste Diskussionen in Irans Blogosphäre aus. Kritisiert wurde die Vollstreckung in Teherans Künstlerpark, aber auch der Voyeurismus von Teilen der iranischen Gesellschaft.

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Öffentliche Hinrichtung im Iran und Schaulustige (Foto: MEHR)
Iran HinrichtungBild: MEHR

Die Zahl von Hinrichtungen im Iran ist weiterhin hoch. Laut Amnesty International wurden im Jahr 2012 die Todesstrafe mehr als 500 Mal vollstreckt. Jeder Zehnte zum Tode Verurteilte wurde in der Öffentlichkeit hingerichtet, berichten Menschenrechtsorganisationen. Die Zahl der öffentlichen Exekutionen nehme seit einigen Jahren zu.

Am 20. Januar wurden zwei junge Männer, die wegen Raub und Erpressung zum Tode verurteilt waren, öffentlich hingerichtet. Beide waren unter 25 Jahre alt. Sie wurden, wie üblich bei zur Schau gestellten Exekutionen im Iran, an auf Polizeiwagen installierten Kränen aufgehängt. Diesmal geschah dies nicht, wie sonst üblich, in einem Sportstadion oder auf einem Marktplatz, sondern im sogenannten Künstlerpark, einem Treffpunkt von Schriftstellern und Musikern, mitten in Teheran.

Ort der Vollstreckung: Künstlerpark

Öffentliche Hinrichtungen sind in Irans Blogosphäre umstritten, doch diese  Hinrichtung hat im Netz zu einer ungewöhnlich heftigen Diskussion geführt. Viele fragten sich, warum ausgerechnet der Künstlerpark als Hinrichtungsstätte herhalten musste. Ein Blogger aus Teheran vermutet, die Regierung verfolge die Absicht, Intellektuellen und Dissidenten ein Signal zu senden. "Das Regime will durch einen abschreckenden Schauprozess zeigen, dass die Todesstrafe auch für Kritiker in Frage kommen kann." Ein anderer Blogger bekräftigt diese Ansicht: "Gestern Hinrichtung auf einem Sportplatz, heute Hinrichtung im Künstlerpark. Warum findet die Todesstrafe an solchen öffentlichen Orten statt? Vielleicht soll die Bevölkerung noch mehr eingeschüchtert werden."

Das Publikum wartet am in einem Park in Teheran auf eine öffentliche Hinrichtung. (Foto: ISNA)
Künstlerpark in Teheran am Tag der HinrichtungBild: ISNA

Andere Internetnutzer sind der Meinung, der Ort der Hinrichtungen sei eher nebensächlich. Sie fordern die Abschaffung der Todesstrafe. Ein User weist zudem darauf hin, dass zwischen der Festnahme und der Hinrichtung der beiden jungen Männer nur sehr wenig Zeit vergangen ist. Er stellt den juristischen Prozess und die Gerichtsverhandlung in Frage.

Reaktionen auf der DW-Facebook-Seite 

Auch auf der Facebook-Seite der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle reagierten innerhalb von wenigen Stunden hunderte User auf das Ereignis, kommentierten die Hinrichtung in der Öffentlichkeit und kritisierten die Regierung.
Viele vertraten die Meinung, dass weder die Todesstrafe noch öffentliche Hinrichtungen die Zahl der Verbrechen im Iran in den letzten Jahren reduziert haben. "Wenn die Todesstrafe als Abschreckung funktioniert hätte, müssten weniger Verbrechen begangen werden", schreibt ein User. "Die Zahlen steigen aber deutlich.“

Faceboook undTwitter-Symbole (Foto: DW-Infografik)
Heftige Diskussionen in den Social-Media Angeboten von DW-FarsiBild: DW

Schaulustige in der Kritik

Die Kritik in Irans Blogosphäre und den Sozialen Netzwerken richtet sich jedoch nicht nur gegen die Regierung. Viele User wenden sich in ihren Kommentaren auch gegen die Massen von Menschen, die sich dicht gedrängt eine öffentliche Exekution anschauen.

"Der Besuch von Hinrichtungen ist heutzutage eine Art eine Freizeitbeschäftigung", kritisiert ein User. Wie er beklagen auch andere in ihren Einträgen, dass sich vor allem junge Menschen und häufig sogar Kinder in Schlangen drängeln, um eine Hinrichtung anzuschauen. "Gewalt produziere Gewalt" meint ein Facebook-Mitglied und fragt: "Warum bringt ihr eure Kinder mit, wenn ihr eine Hinrichtung in der Öffentlichkeit bejubeln wollt? Öffentliche Hinrichtungen sind staatliche Anwendung von Gewalt. Könnt ihr garantieren, dass eure Kinder, die in diesem Alter solch eine Gewalt erleben, nicht psychische Störungen davontragen und eines Tages selbst zu Kriminellen werden?"Auch der iranische Blogger Amir Hadi Anvari mahnt zu mehr Zurückhaltung. Er sieht die iranische Gesellschaft in der Pflicht. "Solange es Menschen gibt, die an Bäumen hochklettern, um einen besseren Platz zum Anschauen einer Hinrichtung zu bekommen und mit ihren Handys die Vollstreckung aufnehmen, ist das Ende der Todesstrafe schwer vorstellbar. Diejenigen, die das Ende von Hinrichtungen im Iran verlangen, haben von der Realität der iranischen Gesellschaft keine Ahnung."

Menschenmassen, dicht gedrängt, bei einer öffentlichen Hinrichtung (Foto:DW)
Hunderte von Menschen haben sich versammelt um eine Hinrichtung zu verfolgenBild: DW

Zu den beiden Fällen im Künstlerpark meldeten sich in der Blogosphäre auch Befürworter der Todesstrafe zu Wort. Sie halten diese Strafe für geeignet zur Abschreckung. Gegner und Befürworter sind sich jedoch in einem Punkt einig: dass Hinrichtungen nicht in der Öffentlichkeit stattfinden sollten.