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Irans Frauen - Menschen zweiter Klasse?

Esther Felden8. März 2016

Darya Safai kämpft gegen das im Iran geltende Stadionverbot für Frauen. Dabei geht es eigentlich um mehr, sagt sie. Denn der Ausschluss von Sport-Events stehe stellvertretend für die Rolle der Frauen insgesamt.

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Iran Wochengalerie KW7 - WM Strand- Volleyball
Bild: IRNA

Darya Safai lässt sich den Mund nicht verbieten. "Wenn man sich die geltenden Gesetze im Iran anschaut und die Art und Weise, wie Frauen im Land behandelt werden, dann muss man sagen: Da ist eigentlich gar nichts in Ordnung." Frauen im Iran würden in praktisch allen Lebensbereichen benachteiligt. Das macht die 40jährige, zierliche Frau wütend. Seit Jahren setzt sie sich deshalb für mehr Gleichberechtigung in ihrer Heimat ein.

Aber: Sie kämpft ihren Kampf aus dem Exil. Flucht aus dem Iran war für sie der einzige Weg, um dem Gefängnis zu entgehen. "Mein Leben war in Gefahr, deshalb musste ich weg von dort." 1999 zählten Darya Safai und ihr Mann zu den Hauptorganisatoren von Studentenprotesten an der Uni Teheran. Damals war die angehende Zahnmedizinerin im letzten Studienjahr. Als die Regierung gegen die Demonstrationen vorging, wurde sie festgenommen. Ihrem Mann gelang es, sich in die Türkei abzusetzen. 24 Tage saß Safai in Einzelhaft. Dann wurde sie vorübergehend freigelassen. Bevor der Prozess aufgenommen wurde, nutzte sie ihre Chance, um wie ihr Mann über die Grenze ins Nachbarland zu fliehen. Von dort aus ging es für das Paar weiter nach Belgien. Seit 2000 leben die beiden dort, arbeiten als Zahnärzte. In Abwesenheit wurde Darya Safai später von einem Gericht zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Der Fall Ghavami lenkt internationale Aufmerksamkeit auf das Stadionverbot

Ins Gefängnis kam auch Ghoncheh Ghavami. Die Studentin mit britischem und iranischem Pass wollte im Juni 2014 ein Volleyball-Länderspiel der Männer in Teheran besuchen. Doch das ist seit 2012 offiziell verboten, genau wie seit der Iranischen Revolution Fußballstadien für Frauen tabu sind - wenn Männer dort spielen. Für ihren Versuch landete Ghavami im berüchtigten Evin-Gefängnis. Vorwurf: Propaganda gegen den Staat. Der Fall machte international Schlagzeilen, es hagelte Kritik am Vorgehen der iranischen Behörden. Im November dann wurde die zu einem Jahr Gefängnis verurteilte Studentin auf Kaution entlassen. Sie verließ den Iran umgehend. Für zwei Jahre darf sie nicht mehr in den Iran einreisen.

Ghoncheh Ghavami vor einer Bretterwand (picture-alliance/AP Photo/Free Ghoncheh)
Mehrere Monate saß die iranisch-stämmige Studentin Ghoncheh Ghavami im Evin-Gefängnis in TeheranBild: picture-alliance/AP Photo/Free Ghoncheh Campaign

Im Zuge des Ghavami-Falles verhängte der Volleyball-Weltverband FIVB Sanktionen gegen den Iran. Das Land sollte keine Wettbewerbe mehr ausrichten dürfen, solange nicht auch Frauen in der Volleyball-Halle erlaubt seien. Doch in der Praxis ist das bislang noch nicht angekommen. Im Juni 2015 wurden Frauen bei einem World-League-Spiel gegen die USA wieder daran gehindert, die Sportstätte zu betreten. Und erst vor knapp zwei Wochen zeigte sich einmal mehr, dass der Iran sich nicht an die Abmachung hält: Bei einem Beachvolleyball-Turnier auf der iranischen Insel Kisch wurde Frauen der Zutritt verwehrt. Dabei hätte das Land im Vorfeld zugesichert, dass die Spiele "für alle Fans - unabhängig von Alter und Geschlecht - zugänglich seien", hieß es von Seiten des FIVB.

Stadionverbot als Beispiel, um auf Missstände aufmerksam zu machen

Der Ausschluss von Sportveranstaltungen - für Darya Safai ist er nur ein kleines Puzzleteil, das sich nahtlos in das Gesamtbild einfügt. Wenn man Frauen aus den Stadien verbanne, schließe man sie quasi aus der Gesellschaft aus, ist sie überzeugt. Doch die Tatsache, dass das Thema durch die Meldungen rund um die Volleyball-Geschehnisse internationale Aufmerksamkeit erfuhr, ist aus ihrer Sicht auch eine Chance. "Glücklicherweise wird das zu einem Exempel für die gesamte Gender-Debatte im Iran. Die Frauen im Iran sind nicht mehr bereit, die Geschlechterdiskriminierung zu akzeptieren. Und ich hoffe, dass sie mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft Erfolg haben mit ihrem Anliegen."

Die iranische Frauenrechtlerin Darya Safai (Foto:DW/E. Felden)
Von Belgien aus kämpft Darya Safai für mehr Frauenrechte im IranBild: DW/E. Felden

Noch aber sehe die Realität im Iran ganz anders aus. "Zum Beispiel ist das Tragen der Hijab [Kopftuch, Schleier, Anm.d.Red.] für Frauen eigentlich vorgeschrieben. Eine Frau verliert bei einer Scheidung automatisch das Sorgerecht für ihre Kinder, wenn der Mann sie haben will. Und 2012 gaben drei Dutzend Universitäten im Land bekannt, dass sie künftig fast 80 Studiengänge für Frauen verbieten würden." Einige Fächer seien einfach für die weibliche Natur nicht geeignet, hieß es damals zur Begründung aus dem Wissenschaftssministerium. Insbesondere Ingenieursstudiengänge sind davon betroffen, aber auch Sprachwissenschaften oder Wirtschaftsstudiengänge.

Enttäuschte Erwartungen unter Rohani?

Die Diskriminierung fängt im Kindesalter an, schon neunjährige Mädchen können zwangsverheiratet werden und sind vor dem Gesetz strafbar. "Sie können dann sogar nach iranischem Recht von einem Gericht zum Tode verurteilt werden", erklärt Darya Safai. Erst im Januar veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Bericht zur Todesstrafe. Darin prangert AI an, dass die iranische Führung an Gesetzen festhalte, die auch die Exekutionen von Kindern und Jugendlichen erlaube. Bei Jungen allerdings liegt das Mindestalter für die Todesstrafe sechs Jahre höher als bei Mädchen. Dem Amnesty-Bericht zufolge wurden zwischen 2005 und 2015 mindestens 73 Minderjährige im Iran hingerichtet - auch nach dem Amtsantritt von Präsident Hassan Rohani im Sommer 2013.

Ein in die iranische Flagge eingewickelter Fan in der Volleyball-Halle (Foto: K. Bazyar)
2012 wurde das Fußball-Stadionverbot ausgeweitet – seitdem dürfen Frauen auch keine Männer-Volleyball-Spiele mehr anschauenBild: K. Bazyar

Rohani folgte damals auf den Hardliner Mahmoud Ahmadinedchad. Mit ihm waren nach der Wahl viele Hoffnungen verknüpft, auch was die Menschenrechtslage im Land betraf. Darya Safai allerdings war immer skeptisch, ob er die hohen Erwartungen erfüllen würde. "Ich habe von Anfang an nicht gedacht, dass er ein Reformer ist. Er selbst hat das auch nie behauptet. Er sagt, dass er zu den Werten der Iranischen Revolution steht." Rohani sei vielmehr vom Ausland und von den Medien zu etwas gemacht worden, was er gar nicht sei. Aber selbst ein erklärter Reformer auf dem Präsidentenstuhl hätte aus ihrer Sicht wenig Chancen, viel zu verändern. "Im Iran ist es ja nicht der Präsident, der Entscheidungen trifft, sondern letztendlich der Oberste Rechtsgelehrte, Ali Chamenei. Er entscheidet, was gut für das Land und die Bevölkerung ist und was nicht. Selbst dem weltoffensten Präsidenten wären da die Hände gebunden."

Gespräche auch von Seiten der FIFA

"Was denken Sie, was Sie den Frauen im Land bisher Gutes getan haben?" Diese Frage würde sie Rohani gern einmal persönlich stellen. Dass sie keine Scheu vor großen Namen oder hohen Positionen hat, das stellte sie vor etwas über einem Jahr unter Beweis. Da nämlich schrieb Darya Safai einen Brief an FIFA-Präsident Sepp Blatter, in dem sie an ihn appellierte, sich gegen das Verbot für Frauen in Fußballstadien auszusprechen. Der Brief wurde von über 200 iranischen Wissenschaftlern, Aktivisten und Künstlern unterschrieben, darunter auch Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Tatsächlich wandte Blatter sich daraufhin an den iranischen Präsidenten, allerdings ohne Ergebnis.

Sepp Blatter (links) mit dem iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani in Teheran (Foto: president.ir)
Schon im November 2013 hatte FIFA-Präsident Blatter den Iran besucht und dabei nach eigenen Angaben bei einem Treffen mit Präsident Rohani das Thema Stadionverbot für Frauen angesprochenBild: president.ir

Trotz allem lässt Darya Safai sich nicht entmutigen. Sie will weiter kämpfen für die Rechte der Frauen im Iran. Und glaubt fest daran, dass es sich lohnen wird. "Ich denke, eines Tages wird sich etwas ändern. Ich bin und bleibe optimistisch."