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Wächterrat benennt Kandidaten

Jashar Erfanian22. Mai 2013

Bei der Kandidatenauswahl für die kommende Präsidentschaftswahl im Iran konnten die religiösen Kräfte einen Erfolg verbuchen. Abgelehnt wurden Reformer Rafsandschani und Präsidenten-Berater Rahim-Mashaei.

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Ahmad Jannati, Chef des Wächterrats der Islamischen Republik Iran (Foto: Fars)
Bild: Fars

In den letzten Monaten ist viel darüber spekuliert worden, wer bei den iranischen Präsidentschaftswahlen am 14. Juni 2013 auf den Wahlzetteln stehen wird. Am Dienstag (21.05.2013) gab das Innenministerium die Namen der acht Kandidaten bekannt, die der Wächterrat, ein zwölfköpfiges Gremium aus Geistlichen und Juristen, zur Wahl zugelassen hat.

Sechs konservative Kandidaten

Favorit für das Präsidentschaftsamt scheint Said Dschalili zu sein, wenn es nach dem Lager geht, das Irans geistlichem Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei nahesteht. Für den Chefunterhändler des Iran im Atomkonflikt mit dem Westen hatte mancher Konservativer seine Kandidatur zurückgezogen. Unterstützt wird Dschalili zudem von Teilen des iranischen Militärapparats und, allem Anschein nach, auch von den Revolutionsgarden, deren Presseorgan Fars News sich in jüngster Vergangenheit sehr positiv über Dschalili geäußert hatte.

Irans Atomunterhändler Dschalili gestikuliert im Gespräch (Foto: EPA)
Top-Kandidat der Konservativen: Atom-Unterhändler Said DschaliliBild: picture alliance/dpa

Ausgeblieben ist bis dato jedoch die offizielle Unterstützung von Chamenei. Auf diese warten auch die fünf weiteren Präsidentschaftsanwärter des konservativen Lagers. Chancen werden neben Dschalili auch dem Teheraner Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf, dem ehemaligen Außenminister Ali Akbar Welajati und dem Top-Berater Chameneis, Gholam Ali Haddad-Adel eingeräumt. Dschalili könnte von dieser Konstellation profitieren, meint Scott Lucas, Iran-Experte an der Universität von Birmingham, England. "Eine Wahlempfehlung Chameneis für Dschalili ist wahrscheinlich. In dem Fall würden Velayati und Haddad-Adel den Weg frei machen und ihre Kandidatur zurückziehen. Unwahrscheinlich ist dagegen, dass Ghalibaf, der sich Siegchancen zurechnet, aus dem Rennen ausscheidet." Als chancenlos gelten Experten zufolge der ehemalige Führer der Revolutionsgarden Mohsen Rezaei und der ehemalige Post- und Ölminister Mohammad Gharazi.

Präsidentenlager ohne Kandidaten

Wie viele politische Beobachter seit langer Zeit vermuteten, lehnte der Wächterrat die Kandidatur von Esfandiar Rahim-Mashaei, dem Wunschkandidaten von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, ab. Der Top-Berater des Präsidenten wird von von vielen Religiösen als zu liberal empfunden. Ihm wird unter anderem vorgeworfen der Führer einer "abweichenden Strömung" zu sein, die es auf das klerikale System des Iran abgesehen habe. Rahim-Mashaei hatte in der Vergangenheit durch eine national-religiöse Rhetorik und durch Stellungnahmen zu theologischen Fragen den Zorn der konservativen Geistlichkeit auf sich gezogen. Rahim-Mashaei kündigte laut einem Medienbericht umgehend Einspruch vor dem Obersten Gerichtshof gegen seine Disqualifikation an. Laut der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur Fars News sagte er außerdem: "Ich denke, dass meine Disqualifikation ungerecht ist. Ich bitte den Geistlichen Führer Chamenei, dies in Ordnung zu bringen."

Esfandiar Rahim Mashaei ist enger Vertrauter des Präsidenten (Foto: Isna)
Kandidatur gescheitert: Präsidenten-Berater Rahim-MashaeiBild: Isna

Das politische Lager Ahmadinedschads steht nun ohne eigenen Kandidaten da. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie der Präsident nun reagieren wird. In den letzten Monaten hatte Ahmadinedschad stets angedeutet, dass er eine Ablehnung Rahim-Mashaeis nicht akzeptieren werde. Fraglich ist, ob Ahmadinedschad die Mittel hat, um sich gegen die Entscheidung des mächtigen Wächterrates zur Wehr zu setzen. "Wahrscheinlich wird Ahmadinedschad mit Äußerungen provozieren. Massenproteste wird er kaum auf die Beine stellen können", so Scott Lucas gegenüber der Deutschen Welle.

Polit-Veteran Rafsandschani disqualifiziert

Ex-Präsident Rafsandschani bei einem Vortrag (Foto: Irna)
Kandidatur gescheitert: Ex-Präsident Akbar Hashemi RafsanjaniBild: Irna

Auch Ayatollah Akbar Hashemi Rafsandschani wurde vom Wächterrat abgelehnt. Der 78-jährige Geistliche, einer der bedeutendsten und einflussreichsten politischen Persönlichkeiten des Landes, galt als großer Hoffnungsträger und Favorit des Reformlagers für die kommende Präsidentschaftswahl. Trotz der Spekulationen der vergangenen Tage, der Wächterrat könnte Rafsandschani aufgrund dessen hohen Alters für amtsuntauglich erklären, kommt die Ablehnung des Ex-Präsidenten (1989 bis 1997) einem Paukenschlag gleich. "Die Disqualifikation ist überraschend. In Anbetracht der möglichen wütenden Reaktion sowohl seitens der Öffentlichkeit als auch aus dem Rafsandschani-Lager war mit einer Ablehnung nicht zu rechnen", sagt Scott Lucas.

Statt Rafsandschani werden auf den Wahlzetteln zwei weitere Reformpolitiker stehen: Der ehemalige stellvertretende Parlamentspräsident Mohammad-Reza Aref und Hassan Rouhani. Beide hatten im Vorfeld angedeutet, im Falle eines Antritts von Rafsandschani aus dem Rennen ausscheiden zu wollen. Als profilierter von beiden Kandidaten gilt Rouhani, der unter dem reformorientierten ehemaligen Präsidenten Mohammad Chatami Chefunterhändler des Iran im Atomkonflikt mit dem Westen war. In seiner Amtszeit konnte zeitweise ein Aussetzen der iranischen Urananreicherung erreicht werden.

Iran-Kenner Scott Lucas räumt weder Aref noch Rouhani große Chancen bei den Wahlen ein. Doch vielleicht sei das letzte Wort zur Kandidatur Rafsandschanis noch nicht gesprochen: "Ein mögliches Szenario ist, dass dieser auf Initiative Chameneis doch noch zugelassen wird - sozusagen als 'wohlwollende Geste', um freie Wahlen vorzugaukeln."