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Irland als Beispiel

Christoph Hasselbach17. Januar 2013

Vor dem Europaparlament in Straßburg hat der irische Ministerpräsident Enda Kenny die Schwerpunkte der beginnenden irischen Ratspräsidentschaft erläutert. Sein Land empfiehlt er als Reformvorbild.

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Kenny am Rednerpult, im Hintergrund Abgeordnete (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Enda Kenny scheint der Liebling des Europaparlaments zu sein, nicht er persönlich, sondern als Vertreter seines Landes. Denn die irische Konsolidierungspolitik zusammen mit dem Hilfsprogramm der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) gelten als leuchtendes Vorbild: Irland hat damit einen Staatsbankrott verhindert. Der drohte vor allem dadurch, dass der irische Staat die völlig überschuldeten Banken retten musste und damit selber in Gefahr geriet.

Kenny sagte vor dem Europaparlament in Straßburg stolz, sein Land habe "alle, wirklich alle Verpflichtungen gegenüber EU und IWF erfüllt". Die irische Wirtschaft wachse wieder, die Exporte seien auf neue Rekordwerte geklettert, die Staatsausgaben unter Kontrolle. Und dann die krönende Ankündigung: "Wir sind entschlossen, vor Ende dieses Jahres aus dem Hilfsprogramm auszusteigen."

Schulz: Iren haben Europas Bankensystem gerettetSolche Reden kann die EU im Moment dringend brauchen. Von Athen bis Lissabon ächzen die Menschen unter der Sparpolitik, viele sehen aber noch kein Licht am Ende des Tunnels. Zwar klagen auch die Iren, aber sie haben die Opfer offenbar geduldig und einsichtig getragen. Den Grund dafür, dass sie - anders als die Griechen, Portugiesen oder Spanier -  nicht gegen die Sparpolitik auf die Straße gegangen sind, sieht EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso darin, dass es in Irland "den politischen Willen gibt, die Opfer sozialpolitisch zu begleiten, und Reformen Hand in Hand mit sozialem Zusammenhalt gehen."

Demonstrationszug mit Spruchbändern gegen Sparpolitik (Foto: dapd)
Proteste gegen die irische Sparpolitik waren eher seltenBild: dapd

Diesen Weg empfahl er indirekt den anderen Problemländern. Doch der irische Beitrag geht noch viel weiter, findet Europaparlamentspräsident Martin Schulz. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Enda Kenny nach der Debatte drückte Schulz seine persönliche Meinung aus, dass die Iren "den Zusammenbruch des europäischen Bankensystems verhindert haben. Wenn die Krise in Irland dazu geführt hätte, dass das irische Bankensystem zusammengebrochen wäre, wäre der Ansteckungseffekt in ganz Europa unvermeidbar gewesen." Dieses Argument nutzt die irische Regierung allerdings auch, um nun bessere Rückzahlungsbedingungen zu fordern. Bisher kann sie noch längst nicht jedes Land überzeugen.

Schwerpunkt: mehr Arbeitsplätze

Doch auch wenn Kenny glaubt, das Schlimmste der Eurokrise sei überstanden, hat er die weiter hohe Arbeitslosigkeit im Blick. Im eigenen Land liegt sie bei 15 Prozent, in manchen anderen Ländern noch deutlich höher. Kenny will während der irischen Ratspräsidentschaft den Kampf besonders gegen die hohe Jungendarbeitslosigkeit zu einem Schwerpunkt machen.

Der deutsche Abgeordnete der Grünen im europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer, gab Kenny den Rat: "Wenn Sie Stabilität, Wachstum und Jobs wollen, dann müssen Sie sich aktiv für eine Industriepolitik einsetzen, die auf der Basis von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit gegründet ist." Der Grüne befindet sich damit in seltener Einigkeit mit der konservativen Volkspartei, die ebenfalls eine "Re-Industrialisierung" Europas fordert.

Warnung an CameronWoran Kenny aber nicht rütteln mag, sind die niedrigen Unternehmenssteuern in Irland. Viele kritisieren sie als faulen Wettbewerbsvorteil. Und auch eine Finanztransaktionssteuer lehnt Irland für sich ab, und zwar mit dem Argument, Irland liege zu nahe an London, wo die Steuer sicher nicht eingeführt werde. Er werde aber die Einführung der Steuer in anderen EU-Ländern nicht behindern, sagte Kenny und äußerte grundsätzliches Verständnis.

Cameron neben EU-Ratspräsident Van Rompuy (Foto: dapd)
Kenny warnt Cameron (links): EU-Austritt wäre "Katastrophe"Bild: dapd

Apropos London: Dem britischen Premierminister David Cameron riet Kenny, sich nicht von der EU zu entfernen. Ein Austritt Großbritanniens wäre "eine Katastrophe", warnte Kenny und erläuterte begeistert, welche Vorteile die europäische Integration für sein eigenes Land gebracht habe. Cameron will am Freitag (18.01.2013) eine mit Spannung erwartete europapolitische Grundsatzrede halten. Darin dürfte der Premier die Absicht erklären, das britische Verhältnis zur EU zu lockern.