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"Irreführende Mogelpackung"

17. Dezember 2010

Basierend auf dem sogenannten Fortschrittsbericht zu Afghanistan hat Außenminister Westerwelle einen konkreten Abzugstermin für die Bundeswehr genannt. Die Regierungserklärung ist Thema in den deutschen Zeitungen.

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Titelseiten diverser Tageszeitungen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In der "Leipziger Volkszeitung" heißt es:

"Der Titel klingt hoffnungsvoll, ist jedoch eine irreführende Mogelpackung. Denn Fortschritte verzeichnet in Afghanistan vor allem der Rückschritt: 2010 war das Jahr mit den meisten Kämpfen, Anschlägen und Todesopfern auf afghanischer Seite und unter den Isaf-Streitkräften seit Beginn des Nato-Einsatzes. Noch nie war die Sicherheitslage so bedrohlich wie derzeit. Vor diesem Hintergrund muss die Schlussfolgerung überraschen, das Jahr 2010 markiere einen Wendepunkt, der einen baldigen Abzug rechtfertigt."

Neue Osnabrücker Zeitung:

"Was war da von Fortschritt und Erfolg die Rede. Die Regierungserklärung zu Afghanistan im Bundestag und die Vorstellung der überarbeiteten Strategie für dieses Land in den USA haben unübersehbar ein- und dieselbe Stoßrichtung: Es wird schon mal der halbe Sieg erklärt. Das schafft einen Pseudogrund, das frustrierende Engagement in Afghanistan seinem Ende näher zu bringen. Und zwar so, dass schon der Truppenabzug an sich in Deutschland und den USA als Erfolg durchgehen kann. Wer wissen will, welche Ergebnisse der Einsatz bisher tatsächlich bewirkt hat, erfährt mehr in dem am gleichen Tag veröffentlichten Bericht des Roten Kreuzes. Darin ist die Rede von einer "eher trüben Phase" der westlichen Anstrengungen, das Los der Afghanen zu bessern. Dort wird schonungslos thematisiert, wie die Bedrohungslage der Bevölkerung die ohnehin dramatisch schlechte medizinische Versorgung im Land behindert. Es wird verschämt daran erinnert, dass sich so gut wie kein westlicher Entwicklungshelfer mehr über die Grenzen einiger weniger Städte hinauswagt."

Die in Potsdam erscheinende "Märkische Allgemeine" schreibt:

"Auch nach der angestrebten Übergabe der Hoheit an die afghanischen Truppen im Jahr 2014 werden noch internationale Verbände am Hindukusch bleiben, auch deutsche. Das ist gut und vernünftig: So, wie die US-Truppen nach ihrem formellen Abzug aus dem Irak dort noch für Stabilität sorgen, kann die internationale Gemeinschaft auch am Hindukusch kein Interesse daran haben, das Land ins Chaos des Bürgerkriegs zurückfallen zu lassen. Was an Westerwelles Festlegung unschön aufstößt, ist das offensichtliche Bemühen, eine gute Nachricht zu überbringen. Glaubhaft wäre das, wenn er zuerst eine positive Bilanz vorgelegt hätte, die das rechtfertigt. Davon war aber auch sein Zustandsbericht Anfang der Woche noch weit entfernt."

Die "Stuttgarter Zeitung" kommentiert:

"Fast zehn Jahre nach dem Einmarsch in Afghanistan ist es offensichtlich, dass die ursprüngliche Idee nicht umzusetzen ist. Diese hieß: Taliban besiegen, Demokratie und Sicherheit bringen und ein geordnetes Land wieder verlassen. Militärisch sind die Aufständischen nicht zu schlagen, die westlichen Vorstellungen eines funktionierenden Staates erwiesen sich nicht als Exportschlager. Nationale Strukturen lassen sich nicht von Kabul aus in die Provinzen tragen. Dort, und nicht im Präsidentenpalast, sitzen die eigentlichen Herrscher des Landes. Und das sind nicht nur die Taliban."

zusammengestellt von: Esther Broders
Redaktion: Nicola Reyk