1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Blockierter Nachschub

Sabine Hartert-Mojdehi15. Juni 2012

In Karachi verrottet Nachschub für die Bundeswehr, weil die Route nach Afghanistan gesperrt ist. Hintergrund der Blockade sind US-Luftangriffe auf pakistanisches Territorium. Aber es geht auch um Geld.

https://p.dw.com/p/15Fch
Beladene LKWs warten auf grünes Licht von Pakistan zur Weiterfahrt. Die Fahrerkabinen sind mit Planen verhüllt. (Foto: DW)
Bild: DW

Seit Ende November 2011 warten sie auf ihren Weitertransport, die über 90 Container aus Deutschland. Die meisten davon lagern in der pakistanischen Hafenstadt Karachi, einige auch in Peschawar im Nordwesten Pakistans. Sie sind bestimmt für die deutschen ISAF-Truppen in Afghanistan und haben, wie es im Militärjargon heißt, Marketenderwaren geladen. Das sind Dinge des täglichen Bedarfs wie Fertiggerichte, Schokolade, Gummibärchen, abgepacktes Fleisch, Getränke, Schuhcreme oder auch Zahnpasta. Was man im Alltag eben so braucht und am Einsatzort allenfalls unter erschwerten Bedingungen bekommt. Nun droht ein Teil dieser Waren im Wert von über drei Millionen Euro zu verderben, weil ihr Transport blockiert ist.

Der Weg über Pakistan ist gesperrt, seit die USA einen Luftangriff auf einen pakistanischen Posten an der Grenze zu Afghanistan geflogen haben. Das war am 26. November 2011. Zwei Dutzend pakistanische Soldaten kamen damals ums Leben. Die Pakistanis warten auf eine Entschuldigung der USA und machen diese zur Bedingung dafür, dass die Blockade der Transitrouten nach Afghanistan für den Transport von Logistik wieder frei gegeben wird. Denn im Hafen von Karachi warten nicht nur die deutschen Container auf ihre Weiterfahrt. Insgesamt stapeln sich dort inzwischen mehrere tausend Nachschub-Container für die ISAF-Truppen in Afghanistan.

US-Drohne in der Luft (Foto: dpa)
Fliegen regelmäßig Angriffe in Pakistan: US-DrohnenBild: picture alliance/dpa

Verzwickte Lage

"Ein gewisses Verständnis für die Pakistanis kann man sich nicht verwehren, wenn man sieht, wie uneingeschränkt Bombenagriffe auf deren Territorium ohne ihr Einverständnis stattfinden", meint Katja Keul im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie ist für die Grünen im Bundestag und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Die Ankündigung des Bündnispartners USA, diese Angriffe fortsetzen zu wollen, verhindere nun eine Einigung in der Frage der Transportwege.

Warten, dass es weiter geht. Die Fahrer schlafen unter ihren Trucks. (Foto: dpa)
Beobachter gehen davon aus, dass Pakistan die Grenze wieder öffnen wird - schon aus finanziellen InteressenBild: DW

Die NATO und die Bundeswehr betonen, dass der Nachschub für die westlichen Truppen über Pakistan eine untergeordnete Bedeutung habe. Ein Bundeswehrsprecher unterstreicht, es sei zwar ungünstig, dass mehr als neunzig Container nun in Pakistan lagerten, aber die Hauptversorgungswege gingen über den Norden, also Usbekistan und Tadschikistan, oder über den Luftweg. Auf die ISAF-Operation selbst habe die derzeitige Blockade keinerlei Einfluss, wird versichert.

Allerdings wirft der Abzug der Truppen aus Afghanistan seine Schatten voraus. Bis Ende 2014 sollen die Truppen das Land bis auf kleine Kontingente verlassen. Mehr als 100.000 Container müssen bis dahin aus Afghanistan abtransportiert werden. Eine enorme logistische Herausforderung, für die die Länder nun aller Voraussicht nach tiefer in die staatliche Tasche werden greifen müssen, meint Keul: "Wenn alles über den Norden gehen muss, wird sich das entsprechend verteuern". Und die drei "Transitländer" Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan haben bereits angekündigt, in Zukunft höhere Gebühren zu verlangen. Zudem, so Keul, sei auch die Organisation des Abzugs schwieriger, sollte die pakistanische Grenze für die NATO geschlossen bleiben. Das meiste würde dann vermutlich über den usbekischen Flughafen Termez abgewickelt werden.

Politische Sackgasse

Die Beziehungen der beiden ehemals engen Partner USA und Pakistan haben sich seit der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden durch amerikanische Spezialkräfte vor einem Jahr stark abgekühlt. Nun hat die Tötung der jüngsten Nummer zwei des Terrornetzwerks, Abu Jahja al-Libis (06.06.12) neues Öl ins Feuer gegossen. Die amerikanischen Drohnenangriffe in den Stammesgebieten sind der Regierung in Islamabad schon länger ein Dorn im Auge, umgekehrt aber sind diese für die USA nach Ansicht des Terrorismusexperten Bruce Riedel ein notwendiges Übel. Der Drohneneinsatz im Kampf gegen den Terrorismus ist aus amerikanischer Sicht ein Erfolg. Daher "können wir der Forderung Pakistans nach einem Ende der Drohnenoperationen nicht nachkommen", sagte Riedel jüngst der Washington Post.

Portrait der Abgeordneten Katja Keul, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN (Foto: Bündnis 90/Die Grünen)
Katja Keul: Drohnenangriffe der USA müssen thematisiert werdenBild: Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

Die Grünen-Abgeordnete Keul wiederum sieht die Schwierigkeit der Bundesregierung "die Drohneneinsätze der Amerikaner zu thematisieren". Das mache die Regierung ungern, weil es eine Bündnisfrage sei. Es müsse jedoch allen klar sein, dass es ohne Pakistan langfristig keine Friedenslösung in der Region gebe. Da sei es wenig sinnvoll, das Land weiter mit Drohnenangriffen zu provozieren.

Für das Logistikunternehmen, das für den Transport der fest gehaltenen Container verantwortlich ist, dürfte das von geringerem Interesse sein als die Frage, wer am Ende die Rechnung für die lange Lagerzeit zahlt. Dort hätte man eine Entschuldigung der USA begrüßt.