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"Konflikte sind grenzenlos"

Michael Knigge9. Februar 2016

Sollte sich der "Islamische Staat" in Libyen weiter ausbreiten, muss die EU dort möglicherweise militärisch eingreifen. Das sagte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, im Interview mit der DW.

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Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz (Foto: picture-alliance/dpa/A. Gebert)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Deutsche Welle: Die Münchner Sicherheitskonferenz findet in turbulenten Zeiten statt. Was sehen Sie als das wichtigste Thema, über das die Teilnehmer in der bayerischen Landeshauptstadt sprechen werden?

Wolfgang Ischinger: Die Grenzenlosigkeit der Konflikte ist das zentrale Thema. Der Krieg in Syrien, der zum Regionalkonflikt geworden ist, die Flüchtlingskrise, Cyberangriffe, dschihadistischer Terror - all diese Herausforderungen überschreiten Grenzen. Und wir haben es noch nicht geschafft, sie gemeinsam effektiv anzugehen. Einige Staaten scheinen nach nationalen Lösungen zu suchen, aber diese gibt es nicht.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich kürzlich für die Wiederaufnahme des NATO-Russland-Rats ausgesprochen. Sie haben seinen Vorschlag unterstützt. Russland hat bislang noch nicht darauf geantwortet. Glauben Sie, dass Moskau zustimmen wird, obwohl Deutschland seine Verteidigungsausgaben fast verdoppeln will und die USA ihre Ausgaben zur Verteidigung Europas auch deutlich erhöhen wollen?

Warum sollte Russland das nicht wollen? Es überrascht doch niemanden in Moskau, dass der Westen nun wieder mehr in militärische Fähigkeiten investiert. Das ist überfällig.

Die Flüchtlingskrise in Europa ist nicht nur noch immer nicht gelöst, sondern die EU-Staaten sind über die Flüchtlingsthematik weiterhin tief gespalten. Wie könnte eine Lösung aussehen?

Erstens muss Europa endlich einen Kompromiss finden bei der Verteilung der Flüchtlinge. Zweitens brauchen wir dringend eine umfassende Strategie, um den Krieg in Syrien zu stoppen. Das wird nicht ohne grundsätzliche Verständigung auch mit Moskau, Riad und Teheran möglich sein, so schwierig das ist. Hier könnte die EU diplomatisch noch aktiver sein. Drittens benötigen wir dringend mehr Flüchtlingshilfe vor Ort in der Region.

Der "Islamische Staat" hat in Syrien und im Irak offenbar an Boden verloren, gleichzeitig konnte die Gruppierung jedoch ihren Einfluss in Libyen und anderswo ausbauen. Wie gefährlich ist der IS noch für die Region, aber auch außerhalb?

Der IS ist sehr erfolgreich darin gewesen, Machtvakua in weiten Teilen des Mittleren Ostens zu füllen. Die Gruppe ist stärker als Al-Kaida es je gewesen ist, insbesondere mit ihrem Netzwerk in Europa und ihrer starken digitalen Rekrutierungs- und Propagandaoperation. Der IS wird für Europa lange ein großes Problem darstellen. In Libyen zum Beispiel wird die EU möglicherweise nicht umhinkommen, militärisch zu intervenieren, wenn der IS sich dort weiter ausbreitet. Das ist übrigens nur einer von vielen Gründen, weshalb Europa die nötigen Fähigkeiten braucht, um eine glaubwürdige gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entwickeln.

Wolfgang Ischinger ist der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und ein langjähriger deutscher Diplomat.

Das Interview führte Michael Knigge.