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Islam ohne Terrorismus

Corinna Nohn19. März 2006

Als der Karikaturenstreit gerade auf seinem Höhepunkt war, hat das Museum der Kulturen in Basel eine Ausstellung über den Islam eröffnet, die Dschihad und Fundamentalismus völlig ausblendet.

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Bild: Museum der Kulturen Basel

In einer Zeit, in der viele das Wort Islam in einem Satz mit Fundamentalismus oder Terrorismus nennen, vermittelt die Ausstellung "Urban Islam. Zwischen Handy und Koran" ein ganz anderes, ein schillerndes und lebensfrohes Bild der zweitgrößten Religion der Welt. "Völlig legitim", findet das Projektleiter Bernhard Gardi vom Museum der Kulturen. Schließlich sei es das vorrangige Ziel des Museums, das menschliche Gesicht des Islams zu zeigen: "Man muss ja nur einmal die zahlreichen Leute fragen, die aus der Schweiz oder aus Deutschland in die Türkei in Urlaub fahren - die sind von der Kultur fasziniert und reden nicht permanent von Terrorismus."

Herbe Kritik geerntet

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte dem Projektleiter vorgeworfen, am Terror "vorbeikuratiert" zu haben und den Kulturkampf schön zu pinseln. "Die haben uns völlig falsch verstanden", meint Gardi dazu: "Wir wollten hier doch eine Ausstellung ab vom Mainstream, eine Ausstellung, die von der politischen Situation abstrahiert und das Alltägliche in den Mittelpunkt rückt."

Aussellung Urban Islam Museum der Kulturen. Basel Dakar: Weltlich und spirituell. Hinterglasmalerei von Babacar Lô, 2003, "Cheikh Amadou Bamba und das Meer"
Hinterglasmalerei von Babacar Lô: "Cheikh Amadou Bamba und das Meer"Bild: presse

Zielgruppe sind junge Menschen

"Zwischen Handy und Koran" ist eine moderne Konzeptausstellung und richtet sich vornehmlich an junge Menschen. Dementsprechend sind die Räume in poppigen Farben, mit bunten Collagen und skurrilen Formen dekoriert. Es gibt insgesamt 60 Minuten Filmbeiträge, Originaltöne und eben Handys. Gardi zeigt sich sehr zufrieden mit der Resonanz: "Besonders viele Schulklassen besuchen uns und nutzen auch die Angebote für Workshops."

Den Kern der Ausstellung bilden Porträts junger Muslime, die in Istanbul, Marrakesch, Dakar, Paramaribo in Surinam oder der Schweiz leben. Sie reden über ihren Glauben, den Koran, ihre Freunde und Familien, ihre Einstellung zu Liebe und zum Heiraten. So sollen die Besucher einen Eindruck vom Lebensstil der Muslime in den verschiedenen Ländern gewinnen.

Adaption aus den Niederlanden

Weil die Ausstellung vom Amsterdamer Tropenmuseum konzipiert wurde, spiegelt die Auswahl der Herkunftsländer den geografischen Bezug der Niederlande zum Thema wieder. Deshalb findet sich unter den Orten auch das südamerikanische Paramaribo, die Hauptstadt der ehemaligen niederländischen Kolonie Surinam. "Gerade das ist ein spannendes Porträt, weil der Islam dort nicht die dominante Religion ist. Und das Zusammenleben klappt", berichtet Gardi.

Aussellung Urban Islam Museum der Kulturen. Basel Schweiz: Der Umgang mit Meinungen zum Islam
Junge Musliminnen - die einen liberal, die anderen konservativ gekleidetBild: presse

Das Basler Museum hat die Ausstellung adaptiert und um Geschichten von sechs jungen, in der Schweiz lebenden Muslimen ergänzt. "Wir haben uns bemüht, unserer demografischen Situation gerecht zu werden", erklärt der Programmleiter. So sind unter den Schweizer Protagonisten im Alter von 17 bis 40 Jahren drei Frauen und drei Männer, auch ihre Herkunftsländer seien repräsentativ. Unter den Statements der Einwanderer finden sich sehr gegensätzliche Positionen: etwa die liberale Einstellung des jungen, fortschrittlichen Imams Bekim und die Stellungnahme der 17-jährigen Merve, die das Kopftuch trägt und die wohl konservativste Haltung unter den Ausgewählten vertritt.

Schokolade kontra Baklava

Der Titel "Zwischen Handy und Koran" spielt auf das Spannungsfeld Tradition kontra Moderne an, mit dem Muslime, die in einem westlichen Land leben, zurechtkommen müssen. In der Schweiz Muslim zu sein, bedeutet eben, althergebrachte Traditionen und Hip-Hop, Koran und Internet, Schokolade und Baklava miteinander zu verknüpfen. Außerdem bedeutet es, mit Meinungen von außen über den Islam umzugehen - zum Beispiel beim Karikaturenstreit. Die Ausstellung versucht aufzuzeigen, was wirklich dran ist an den westlichen Klischees.

"Natürlich läuft auch bei uns eine große Debatte, wie man muslimische Einwanderer besser integrieren kann", sagt Gardi. Denn Muslime machen mehr als vier Prozent der Schweizer Bevölkerung aus. "Aber wir haben hier keine Gettoisierung wie etwa in den französischen Vorstädten oder vielleicht in Kreuzberg in Berlin." Viele in der Schweiz lebende Muslime stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei und hätten eine gute Ausbildung, weshalb zumindest die sozialen Unterschiede nicht so gravierend seien.

Aussellung Urban Islam Museum der Kulturen. Basel.Schweiz: Der Umgang mit Meinungen zum Islam
Said ist aus Marokko in die Schweiz eingewandertBild: presse

An Integration wirken immer zwei Seiten mit

Das Land hat also nicht mit denselben Problemen wie etwa Frankreich oder die Niederlande zu kämpfen. Dann ist es durchaus legitim, den Fokus einer solchen Ausstellung auf Integration und harmonisches Zusammenleben zu legen. Und dass an Integration immer zwei Seiten mitwirken und Muslim in der Schweiz sein nicht nur bunt und einfach ist, verschweigt die Ausstellung nicht.

"Urban Islam. Zwischen Handy und Koran" ist noch bis zum 2. Juli 2006 jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.