1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Islamisten verweigern Hungerhilfe

22. Juli 2011

Das Hungerelend in Ostafrika ist unbeschreiblich. Inzwischen rollt die Hilfe für mehr als zwölf Millionen Menschen an, für viele kommt sie aber längst zu spät. Auch in Somalia geht das Sterben weiter.

https://p.dw.com/p/121b7
Somalische Flüchtlinge warten in einem Flüchtlingslager auf Lebensmittellieferungen (Foto: dpa/picture-alliance)
Stundenlanges Warten auf Lebensmittel nach anstrengender FluchtBild: picture-alliance/dpa

Die internationale Gemeinschaft wird den hungernden Menschen im Bürgerkriegsland Somalia nicht überall helfen können. Entgegen früherer Bekundungen will die somalische Al-Shabaab-Miliz voraussichtlich doch keine Hilfslieferungen in den von ihnen kontrollierten Gebieten zulassen. Der britische Sender BBC zitierte am Freitag (22.07.2011) Islamisten der Gruppe mit den Worten, die Berichte der Vereinten Nationen über die Hungersnot in der Region seien "reine Propaganda". Ein Sprecher von Al-Shabaab warf den Hilfsorganisationen vor, "politisch" zu agieren.

Die Miliz hatte erst Anfang Juli erklärt, angesichts der katastrophalen Lage werde sie zum ersten mal seit zwei Jahren wieder internationale Organisationen in Südsomalia zulassen - "ob muslimisch oder nicht-muslimisch", wie es hieß. Die 1998 gegründete Gruppe hat Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida und will am Horn von Afrika einen islamischen Staat errichten. In der Vergangenheit hatten die Rebellen immer wieder Hilfsgüter zerstört, geplündert oder weiter veräußert und unter anderem "Sicherheitsgebühren" von UN-Organisationen gefordert.

Lässt sich die Katastrophe noch abwenden?

Kinder eines äthiopischen Dorfes blicken auf verendete Rinder (Foto: dpa/picture alliance)
Hier ist kein Leben mehr möglichBild: picture alliance/Arco Images GmbH

Immer mehr verzweifelte Somalier machen sich aus dem von Rebellen kontrollierten Süden auf in die Hauptstadt Mogadischu. Ein BBC-Reporter berichtet von Camps mit unzähligen Zelten und Notunterkünften vor den Toren der Stadt, in denen die hungernden Menschen Zuflucht suchten. Ärzte hätten in den somalischen Lagern allein in den vergangenen neun Tagen über Tausend schwer unterernährte Kinder behandelt. Stundenlang würden Mütter Schlange stehen, um eine Erstversorgung für ihre vom Hunger gezeichneten Babys zu bekommen. Nach den Strapazen der Flucht komme für viele Kinder und Erwachsene aber jede Hilfe zu spät.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel erinnerte in einem Zeitungsinterview daran, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 1,6 Milliarden Dollar nötig sind, um die Hungersnot am Horn von Afrika zu lindern. Die internationale Gemeinschaft habe bereits 880 Millionen zugesagt und setze alles daran, "diese Katastrophe noch abzuwenden", sagte der FDP-Politiker der "Saarbrücker Zeitung". Jetzt bemühten sich alle, weitere Gelder zur Verfügung zu stellen. Auch Deutschland prüfe derzeit, "welche weiteren Mittel wir bereitstellen können". Die Bundesregierung hatte erst vor wenigen Tagen ihre Soforthilfe auf 14 Millionen Euro erhöht.

Rüstungsgeschäfte statt Hungerhilfe

Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, wirft der internationalen Gemeinschaft "Zögerlichkeit" vor. Ostafrika stehe vor einer humanitären Katastrophe, sagte sie den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Die Hilfe setze "wieder einmal erst ein, wenn es eigentlich schon fast zu spät ist." Dieckmann kritisierte, dass die Hungersnot bei der Afrika-Reise von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche nur am Rande eine Rolle gespielt habe. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin einen noch stärkeren Fokus auf die Hungerkrise am Horn von Afrika gelegt hätte", sagte die frühere SPD-Politikerin. "Stattdessen lag die Aufmerksamkeit auf dem Verkauf von militärischen Patrouillenbooten an Angola."

Eine wartende Mutter hält ihr Baby und eine Plastikschüssel (Foto: epa)
Tausendfach kam alle Hilfe zu spätBild: picture-alliance/dpa

Die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva reist an diesem Freitag nach Kenia. Begleitet wird sie nach Angaben der polnischen EU-Ratspräsidentschaft von Polens stellvertretendem Außenminister Krzysztof Stanowski. Auf dem Programm steht unter anderem ein Besuch des mit mehr als 400.000 Menschen völlig überfüllten Dadaab-Flüchtlingslagers an der Grenze zu Somalia. Allein in den vergangenen zwei Monaten haben mehr als 78.000 Somalier Zuflucht in den Nachbarländern Äthiopien und Kenia gesucht. Dabei leiden dort - wie auch in Dschibuti und Uganda - ebenfalls Millionen Menschen unter der Dürre.

Kinder, die keinen Regen kennen

"Meine jüngeren Schüler haben seit ihrer Geburt noch keinen Tropfen Wasser vom Himmel fallen gesehen", berichtet ein Lehrer aus dem nordkenianischen Dorf Lokuta. Seit 2006 habe es nicht mehr geregnet. In den völlig verdörrten Landstrichen verhungert das Vieh neben den wilden Tieren. Es ist die schlimmste Dürre in Ostafrika seit 60 Jahren.

Das Welternährungsprogramm will nach eigenen Angaben eine Luftbrücke nach Mogadischu bauen, um lebensrettende Nahrungsmittel zu unterernährten Kindern zu bringen. Derzeit würden 1,5 Millionen Menschen in Somalia erreicht, teilte die UN-Organisation am Donnerstagabend in Berlin mit.

Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa, kna)
Redaktion: Nicole Scherschun