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"Israel erweist der Welt einen Gefallen"

Zusammengestellt von Aladdin Sarhan/Lisa Hemmerich25. Juli 2006

Wie kommentiert die internationale Presse den Nahost-Konflikt? DW-WORLD.DE hat eine Auswahl zusammengestellt.

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Arabische Pressestimmen:

Unter der Überschrift "die arabische Krise" kommentiert die regierungsnahe ägyptische Tageszeitung "Al-Ahram" die Lage im Nahen Osten:

"Wann werden wir Araber von unserem selbst verschuldeten Koma endlich aufwachen, damit wir die ungeschminkte Wahrheit erkennen? Israel hat uns wieder eine harte Lektion erteilt, und es hat sich bestätigt, dass die Hisbollah und die Hamas lediglich als Vorwand für die israelischen militärischen Aktionen dienen, um das amerikanischen Projekt des 'Großen Nahen und Mittleren Osten' zu realisieren. (…..) Es ist kein Geheimnis, dass das israelische Vorgehen gegen die Libanesen und Palästinenser in Wirklichkeit die amerikanische Verschwörung gegen die Araber widerspiegelt, nämlich die Mörder als Opfer darzustellen und diejenigen, die für ihre Rechte kämpfen als Terroristen einzustufen. Nach allem was passiert ist, ist es eine einzige Katastrophe, wenn wir die amerikanische und israelische Lüge noch glauben, nämlich, dass die Hisbollah und die Hamas Israel zur Gewaltanwendung provoziert haben. Es ist tragisch genug, dass die Araber keine neutralen Freunde in ihrem Konflikt gegen Israel haben; tragischer ist es aber, dass die Araber unter sich selbst nicht mehr befreundet sind.“

Mit großer Sorge warnt die in Katar erscheinende Tageszeitung "Al-Raya" vor den Zielen der Nato im Libanon:

"Es scheint so gut wie abgeschlossen zu sein, dass der Westen die internationalen Friedenstruppen im Südlibanon durch Nato-Truppen ersetzen wird. Die Rolle und Ziele dieser Truppen sind aber immer noch verdächtig. Wäre es nicht sinnvoller, wenn Israel erstmal seine militärischen Angriffe auf
den Libanon einstellt, bevor man über eine mögliche Stationierung der Nato-Truppen nachdenkt? (…..) Die Nato-Truppen sollen nicht als ein neues Druckmittel gegen die libanesische Bevölkerung verwendet werden, deswegen
soll die libanesische Regierung über die Zulassung solcher Truppen nach reifer Überlegung entscheiden. Außerdem soll sich die Aufgabe dieser Truppen nicht nur darauf beschränken, den Norden Israels vor den Raketen der Hisbollah zu schützen; viel mehr soll der Einsatz solcher Truppen den Schutz der libanesischen Bevölkerung vor den israelischen Angriffen garantieren. Deswegen sollen die Truppen im Rahmen der UN-Friedensmission tätig sein und sie nicht ersetzen.“

Israelische Pressestimmen:

Die "Jerusalem Post" rechtfertigt den israelischen Eingriff im Libanon als Dienst für die internationale Gemeinschaft:

"Die derzeitige UN-Mission im Libanon, UNIFIL, ist mehr als nutzlos: Sie hat mehr getan, um die Hisbollah vor der israelischen Armee (IDF) zu schützen, als israelische Bürger vor indirekten Angriffen des Iran. Unter dieser Voraussetzung ist Israels anfängliche Opposition gegen jeglichen internationalen Einsatz im Libanon durchaus verständlich. In der Tat, jede Diskussion über dieses Thema muss mit einem Zugeständnis zur Auflösung der UNIFIL beginnen. (…)

Zusätzlich zur Selbstverteidigung, erweist Israel der Welt einen enormen Gefallen, indem es die Hisbollah, den terroristischen Arm des Iran, zerstört. Es ist nicht klar, welche Nationen bei der anstehenden Arbeit freiwillig helfen, die darin besteht, die übrig gebliebene Hisbollah zu entwaffnen und ein Wiedererstarken zu verhindern. Dennoch, wenn der Westen es Ernst meint mit der Unterstützung von Israels Sicherheit und der libanesischen Unabhängigkeit, nicht zu vergessen die Bekämpfung der iranischen Bedrohung, muss er sich der Herausforderung stellen. So schwierig es auch scheint, ist das, was Israel jetzt tut, viel einfacher, als eine sich wiederaufbauende Hisbollah vor sich zu haben und einen ermutigten Iran."

Europäische Pressestimmen:

Die Pariser Zeitung "La Croix" befasst sich anlässlich des Besuchs von US-Außenministerin Rice im Libanon mit der US-Nahost-Politik:

"Der Überraschungsbesuch von Condoleezza Rice in Beirut und ihre Äußerungen zeigen eine gewisse Umorientierung in der Position der USA an. (...) Doch täuschen wir uns nicht: Diese neue Sensibilität angesichts der Verzweiflung der Libanesen, dieser Appell für einen 'dringenden' Waffenstillstand zwischen den Parteien deuten keinesfalls auf den Beginn einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Vereinigten Staaten und Israels hinsichtlich der israelischen Operation im Libanon hin. Es gibt hinsichtlich der Ziele nicht einmal Nuancen: Beide Regierungen wollen nach wie vor die Bedrohung durch die Hisbollah beseitigen, die von zwei Gaunerstaaten unterstützt wird - dem Iran und Syrien. Und beide wollen natürlich die Freilassung der gekidnappten israelischen Soldaten."

Die britische Tageszeitung "The Guardian" meint am Dienstag zu den Bemühungen um eine Waffenruhe im Nahen Osten:

"Für die Zivilisten auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze, die in der vergangenen Woche grundlosen und verheerenden Angriffen ausgesetzt waren, kann eine Waffenruhe nicht früh genug kommen. Aber diese Waffenruhe, wenn sie denn erreicht werden kann, wird wenig praktische Bedeutung haben, solange sie nicht von Dauer ist.

In diesem Prozess muss man sich auch mit den Missständen beschäftigen, die Grund für die jüngsten Konflikte waren. Er muss zu einem umfassenderen, international garantierten Sicherheitsabkommen führen, das die Zivilisten in beiden Ländern vor einem Wiederaufflammen der Gewalt schützt."

Zur Diskussion um die Entsendung einer NATO-Friedenstruppe in den Libanon heißt es in der "Berliner
Zeitung
":

"Die größte Beweglichkeit würde ein Nato-Einsatz ausgerechnet seinen größten Befürwortern abverlangen. Israel und die USA wären in der Pflicht, ihrerseits zum Gelingen der Friedensmission beizutragen. Allein mit dem Ausschalten der Hisbollah-Miliz ist es nämlich nicht getan. Dauerhaft stabilisierend wird die Präsenz von Nato-Soldaten nur wirken, wenn auch die Regierung in Jerusalem ihren regionalen Nachbarn und den Palästinensern Zugeständnisse macht. Ohne Druck aus Washington erscheint das undenkbar. Die militärische Sicherung im Südlibanon muss also begleitet werden von einer politischen Friedensoffensive der USA für die Region. Nur unter dieser Voraussetzung hat ein Nato-Einsatz in Nahost Sinn."

Die "tageszeitung" aus Berlin bemerkt zu den Forderungen der US-Außenministerin nach einer Waffenruhe:

"Nach allgemein geläufiger Auffassung bedeutet der Abschluss eines Waffenstillstandes zwischen militärischen Konfliktparteien eine Atempause. In dieser Weise begreift die Öffentlichkeit in Europa auch die Forderung nach sofortigem Waffenstillstand zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Hisbollah. Die israelische Regierung wie auch die USA und Großbritannien konzipieren einen Waffenstillstand hingegen völlig anders. Er soll erst dann ausgehandelt werden, wenn Israels Kriegsziele erreicht sind. Nach dieser Vorstellung besiegelt der Waffenstillstand die Kapitulation und macht spätere Verhandlungen überflüssig."

Der "Tages-Anzeiger" aus Zürich schreibt zu den Angriffen auf den Libanon:

"Sechs Jahre nach ihrem überhasteten Abzug stehen israelische Truppen wieder auf libanesischem Gebiet (...). Der Einmarsch auf das Territorium eines unabhängigen Staates - mag er noch so beschränkt sein und beschränkt bleiben - bedeutet eine weitere Eskalation des israelisch-libanesischen Konfliktes. (...) Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte für diesen Fall Israel gedroht, es werde schwere Verluste erleiden und weitere Überraschungen erleben. Mit der Invasion erhält seine schiitische Miliz eine ernst zu nehmende Rechtfertigung für ihren bewaffneten Widerstand (...). Das israelische Eindringen wird deshalb die Reihen im Libanon weiter schließen.(...) Mit jedem Tag, den er der gigantischen israelischen Übermacht standhält, gewinnt Kommandant Nasrallah an Ansehen und politischem Gewicht weit über den kleinen Zedernstaat hinaus."

Amerikanische Pressestimmen:

Die "New York Times" kommentiert den Besuch von US-Außenministerin Rice im Libanon:

"Fast zwei Wochen seit dem Beginn des blutigen Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah, begibt sich Außenministerin Condoleeza Rice endlich in die Region. Wir hoffen, das bedeutet, dass Washington nun ernsthaft an einer Lösung interessiert ist, wie der Auseinandersetzung ein Ende bereitet werden kann.

Rices erster Stopp in Beirut war gedacht, um Unterstützung für Libanons angegriffene Demokratie zu demonstrieren. Ihr Aufruf zu humanitärer Hilfe wird gern gesehen, aber es ist viel zu wenig und er kommt viel zu spät. (…)

Das Weiße Haus hat bisher Rufen nach einem Waffenstillstand widerstanden, mit dem Argument, dass eine Rückkehr zu der Situation vor der kriegerischen Auseinandersetzung auch keinen dauerhaften Frieden bringen würde. Während das zwar stimmt, befürchten wir allerdings, dass die Regierung Israels lediglich mehr Zeit gibt, die Hisbollah und den Libanon anzugreifen. Seit dem zwölften Juli sind hunderte libanesischer Zivilisten getötet worden und die Israelis haben kaum einen Treffer gelandet. Trotz all dem Sterben, gibt es kaum Anzeichen, dass die Hisbollah – die allein am Sonntag 100 Raketen auf Israel zündete – so schwer verwundet ist, dass sie sich nicht wieder schnell regenerieren kann. Rice muss Israel klarmachen, dass noch mehr zivile libanesische Opfer Israel nicht sicherer machen. Was jetzt gebraucht wird, sind aggressive Diplomatie und internationale Koalitionsbildung, was die Bush-Regierung schon immer verschmähte. Und sie müssen innerhalb von Tagen zusammenkommen, nicht Wochen."