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Israel lässt Vanunu nicht ausreisen

10. Dezember 2010

In China lässt man Liu Xiabo nicht zur Verleihung des Friedensnobelpreises reisen, in Israel wird Mordechai Vanunu an der Ausreise gehindert. So kann er eine Ehrung in Berlin nicht entgegennehmen.

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Mordechai Vanunu (Foto: dpa)
Mordechai VanunuBild: picture-alliance/ dpa

Es war ein warmer heller Apriltag im Jahr 2004, als Mordechai Vanunu aus dem Gefängnis in der südisraelischen Hafenstadt Ashkelon entlassen wurde. Mit zum Siegeszeichen ausgestreckten Fingern ging er auf die zahlreich erschienenen Reporter zu. Und obwohl seine Brüder versuchten, ihn zurückzuhalten, ließ er es sich nicht nehmen, in die Mikrofone zu sprechen: "Ich bin Mordechai Vanunu, der Mann hinter dem Artikel in der Sunday Times vom 5. Oktober 1986. Der Artikel über die Atomwaffen Israels."

Atomwaffen in der Wüste

Die israelische Atomanlage in Dimona (Foto: AP)
Die israelische Atomanlage in DimonaBild: AP

Zehn Jahre lang hatte Vanunu als Techniker im geheimen israelischen Atomreaktor Dimona gearbeitet, bis zum Jahr 1985. Offiziell galt das in der Abgeschiedenheit der Wüste liegende Nuklearzentrum, das in den sechziger Jahren mit französischer Hilfe errichtet worden war, als Textilfabrik. Erst die Veröffentlichung in der Londoner Zeitung offenbarte das, was Israel nicht zugeben wollte: dass hier Plutonium erzeugt und Atomwaffen hergestellt wurden. Es war Vanunu, der den Journalisten seine Fotos und seine Kenntnisse preisgegeben hatte.

Später erklärte er: "Ich bin stolz und glücklich über das, was ich getan habe. Ich bin froh, dass ich damit Erfolg hatte." Gleichzeitig versicherte der Nukleartechniker keine weiteren Geheimnisse zu kennen. "Das ist alles Unsinn. Meine Geschichte, mein Fall ist beendet. Seit der Artikel veröffentlicht wurde, gibt es keine Geheimnisse mehr. Alle Geheimnisse sind in der Welt. Die gesamte Welt, alle 180 Staaten der Welt kennen dieses Geheimnis."

Geheimnisverrat

Weil er dieses Geheimnis verraten und seine Kenntnisse an die Sunday Times weitergegeben hatte, wurde Vanunu zu 18 Jahren Haft verurteilt. Fast zwölf Jahre davon verbrachte er in strenger Isolationshaft in einer winzigen Zelle. Er sei von den israelischen Behörden wegen seiner religiösen Überzeugungen misshandelt worden, erklärte er nach seiner Entlassung: "Ich habe hier 18 Jahre lang gelitten, weil ich ein Christ bin, weil ich getauft wurde. Wenn ich ein Jude wäre, hätte ich hier nicht 18 Jahre lang in Isolation gelitten."

Vanunu war während einer Australienreise im Jahr 1986 zum Christentum übergetreten und hatte sich in der anglikanischen Kirche engagiert. Dort fand er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis auch die erste Aufnahme. Eine Zeit lang lebte er im Gästehaus der anglikanischen Kirche in Ostjerusalem. Doch eigentlich wollte Vanunu, der bei seiner Haftentlassung 49 Jahre alt war, Israel verlassen und in die USA ausreisen. Im Jahr 1997 war der in Marokko geborene Sprössling einer kinderreichen Familie von einem amerikanischen Ehepaar adoptiert worden.

Strenge Sicherheitsauflagen

Mordechai Vanunu bei einem Gerichtsverfahren im July 2004 in Jerusalem (Foto: AP)
Wurde zu 18 Jahre Haft verurteilt: Mordechai VanunuBild: AP

"Vanunu sagt, er braucht keinen jüdischen Staat. Vanunu sagt, er möchte Israel verlassen. Das jüdische Volk sollte seine Probleme mit den Palästinensern lösen", so Vanunu nach seiner Entlassung. Doch er durfte Israel nicht verlassen. Auch nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurden ihm strenge Sicherheitsvorschriften auferlegt, die bis heute nicht aufgehoben wurden. Dazu gehört, dass er keinen Kontakt mit ausländischen Journalisten aufnehmen und sich ausländischen Botschaften nicht nähern darf. Er darf kein Handy besitzen und keine E-Mail-Adresse haben. Mehrfach hat er gegen diese Auflagen verstoßen und wurde deswegen immer wieder verhaftet. Zuletzt wurde er im Mai dieses Jahres zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er Kontakt mit einer norwegischen Frau aufgenommen hatte.

Seither lebt er in Jerusalem in großer Isolation, so Martin Forberg von der Internationalen Liga für Menschenrechte. "Es ist eine erzwungene Isolation, denn er kann sich innerhalb Israels nicht frei bewegen, er muss sich das genehmigen lassen und er ist natürlich auch ein Mensch, der traumatisiert ist von dieser langen Haft, von dieser Isolation. Er hat eigentlich etwas moralisch Gutes getan und er wird behandelt wie ein Verbrecher. Das bleibt nicht ohne Spuren für die Seele eines Menschen."

Die Internationale Liga für Menschenrechte will Vanunu mit ihrer jährlich vergebenen Carl-von-Ossietzky-Medaille ehren. Doch Israel lässt den ehemaligen Häftling nicht ausreisen. Statt der Ehrung ist daher am Sonntag (12.12.2010) in Berlin eine Protestveranstaltung geplant.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Stephanie Gebert