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Israel und die große Koalition

Sebastian Ertinger13. Juli 2004

Nach dem Ausscheiden einer der Regierungsparteien ist Israels Premierminister Scharon auf der Suche nach einem neuen Koalitionspartner. Verhilft ihm die linke Arbeitspartei zu einer neuen Mehrheit im Parlament?

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Peres (links) und Scharon nähern sich anBild: AP

Oppositionsführer Schimon Peres führte am Montag (12.7.) in Jerusalem ein erstes Gespräch mit Regierungschef Ariel Scharon über eine mögliche große Regierungskoalition von Arbeits- und Likudpartei. Beide Seiten äußerten sich positiv über den Verlauf der Verhandlungen. Am Dienstag will die Führungsspitze der Arbeitspartei formell über die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen entscheiden.

Konflikt im Gaza
Endet mit dem Rückzug die auch Gewalt im Gaza-Streifen?Bild: AP

Die Regierung war im Juni über Scharons Abzugspläne aus dem Gaza-Streifen zerbrochen. Abgeordnete der ultrarechten "Nationalen Union" lehnten den einseitigen Rückzug und die Aufgabe von 21 jüdischen Siedlungen strikt ab. Der Premierminister konnte sich seither nur auf eine Minderheitsregierung stützen. Mit dem Ausstieg der Rechtsaußen-Parlamentarier ist eine der Bedingungen der Arbeitspartei für eine große Regierungskoalition mit dem Likud-Block erfüllt. Darüber hinaus fordert Peres einen schnelleren Rückzug aus dem Gaza-Streifen als angekündigt und eine vorhergehende Absprache mit den Palästinensern, die Scharon bisher ablehnt.

Suche nach Gemeinsamkeiten

Von Februar 2001 bis Oktober 2002 hatten sich Likud- und Arbeitspartei schon einmal zu einer Regierungskoalition zusammengeschlossen. Die "Regierung der Nationalen Einheit" war aufgrund eines Dissenses über die Frage der hohen Subventionen für jüdische Siedlungen gescheitert. Scharon hatte dann ein Regierungsbündnis aus rechten und nationalreligiösen Gruppierungen geschmiedet.

"Prinzipiell ist eine erneute Koalition von Likud und Arbeitspartei sicherlich denkbar", meint Martin Beck, Referent am Deutschen Orient-Institut in Hamburg. Peres habe seine Bereitschaft zur Rückkehr ins Regierungslager schon vor einiger Zeit erklärt. "Nun gilt es in Verhandlungen auszuloten, welche gemeinsamen Positionen gefunden werden können", sagt Beck im Gespräch mit DW-WORLD.

Verstärkte Sicherheitskontrollen in Israel, Palästinenserin wird an der Grenze kontrolliert
Israel gibt die Kontrolle über den Zugang zum Gaza-Streifen nicht aus der HandBild: AP

"Der so genannte Abzugsplan hebt nicht alle Elemente der Besetzung auf", sagt der Politikwissenschaftler. So werde der Außenzugang zum Gaza-Streifen weiterhin von Israel kontrolliert. "Aber auch die Arbeitspartei wird wohl nicht – mit Hinweis auf die Sicherheitslage – die Aufgabe der Zugangskontrollen fordern", glaubt Beck. Es sei also nicht davon auszugehen, dass eine radikalere Form des Abzugsplans durchgesetzt werden soll.

Innerparteiliche Querelen

"Mit den Koalitionsverhandlungen erwarten Scharon vielmehr innerparteiliche Probleme im Likud", sagt Beck. Bei einer Mitgliederbefragung waren die Pläne des Premierministers abgelehnt worden. In der Parteibasis gibt es offensichtlich keine Grundlage für das Vorhaben. Einige Likud-Abgeordnete haben sich bereits scharf gegen eine Koalition mit der Arbeitspartei ausgesprochen. "Für Scharon stellt sich die Frage, wie er das mit seiner Partei hinbekommt", sagt Beck. Bei dem innerparteilichen Konflikt handele es sich auch um eine Machtfrage zwischen den einzelnen Gruppierungen. Deshalb droht Scharon nun seinen Kritikern mit Neuwahlen.

Auch wenn die Koalitionsverhandlungen misslingen oder eine eventuelle Regierung mit der Arbeitspartei auseinander bricht, muss dies noch kein Scheitern von Scharons Regierung bedeuten. "Scharon scheint fest im Sattel zu sitzen", sagt der Nahost-Experte. Bei Umfragen erreiche der Regierungschef sehr gute Ergebnisse. Seine Amtsführung finde in der Bevölkerung im Allgemeinen deutlichen Zuspruch. "Ihm stehen noch andere Optionen offen", sagt Beck. Aufgrund seines hohen Rückhalts habe er auch mit anderen Parteien einen Verhandlungsspielraum.