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Ausgezeichnete Literatur und viel Ärger

27. Januar 2011

Er wagt sich an Tabuthemen heran und sorgt damit für großen Medienwirbel: Der junge israelische Autor Alon Hilu polarisiert mit seiner literarischen Version des Zionismus. Nun erscheint sein Roman auch auf deutsch.

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Der israelische Schriftsteller Alon Hilu (Foto: Alon Hilu)
Alon Hilu erzählt die Geschichte Israels aus einer anderen PerspektiveBild: Alon Hilu

Alon Hilu könnte als Paradebeispiel für die Bilderbuchkarriere eines literarischen Shootingstars dienen. 2004 veröffentlichte er seinen Debüt-Roman "Death of a Monk", der daraufhin für den angesehenen israelischen Sapir-Preis nominiert und 2006 mit dem Literaturpreis des israelischen Staatspräsidenten ausgezeichnet wurde. Mit dem Erscheinen seines zweiten Romans "Das Haus der Rajanis" vier Jahre später schien sich die Erfolgsgeschichte des Autors fortzusetzen. Der Roman spielt am Ende des 19. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte der anfänglichen jüdischen Immigration nach Palästina aus arabischer und jüdischer Perspektive.

Junge Emigranten an Board der "Martha Washington", mit der sie nach Palästina reisten Triest, März 1934 (Foto: Jüdisches Museum Berlin)
Hilus Buch handelt von der Geschichte früher zionistischer Einwanderer in PalästinaBild: Jüdisches Museum Berlin

"Das Haus der Rajanis" erregte jedoch kurz nach seinem Erscheinen eine zwiespältige Aufmerksamkeit in der israelischen Öffentlichkeit. Einerseits wurde es als eines der besten Bücher der vergangenen Jahre gefeiert - sogar Israels Staatspräsident Shimon Peres bezeichnete es als ein herausragendes Buch. Andererseits warf die Kritik Hilu vor, unpatriotisch, ja ein Vaterlandsverräter zu sein. Eine Kritik, mit der Hilu gerechnet hat: "Das liegt daran, dass unter der momentanen Regierung eine rechtsgerichtete Atmosphäre in Israel herrscht. Die Öffentlichkeit hat negative Gefühle denjenigen gegenüber, die den Zionismus kritisieren."

Ein neuer Blick auf die Geschichte

Hilu, der hauptberuflich als Anwalt einer israelischen Hi-Tech-Firma in Tel-Aviv arbeitet, zeigt in seinem Buch aus einer doppelten Perspektive die Ambivalenz der israelisch-palästinensischen Geschichte und ihre bis heute andauernden Auswirkungen auf die Menschen. Abwechselnd malt der Autor ein Bild von Palästina aus der Sicht des jungen Arabers Salah Rajani und des gerade nach Palästina eingewanderten polnischen Juden Isaac Luminsky. Während der Junge sich von dem blonden gutaussehenden Luminsky stark angezogen fühlt, verliebt sich Luminsky in die schöne Mutter des etwas seltsamen Jungen. Der Roman zeigt anhand von Einzelschicksalen wie die Geschichten der beiden Völker von Anfang an miteinander verwoben waren.

Cover des Buches von Alon Hilu "Das Haus der Rajanis"
Die Deutsche Übersetzung des Romans erscheint im Ferbruar

Der Grund, warum sich Hilu an einen solchen heiklen Erzählstoff heranwagt ist, dass er als Israeli momentan den Eindruck hat, dass sich sein Land in einer Sackgasse befindet. Mithilfe der Romanfiguren habe er herausfinden wollen, "wie wir in diese Situation gekommen sind. Ich wollte wissen, ob die Väter des Zionismus, die ersten Immigranten, die nach Palästina kamen, wussten, dass es einen Konflikt zwischen Juden und Arabern geben wird. Ich wollte wissen, wie das Verhältnis zwischen beiden Völkern damals aussah."

Lob und Kritik

Die zionistische Bewegung zu kritisieren und damit die Anfänge des Staates Israels aus einer kritischen Perspektive zu erzählen, das hat dem Autor viel Ärger eingebracht. Dass aber der öffentliche Druck soweit geht, dass ihm der verliehene Sapir-Preis wieder entzogen wird, damit hat der Autor nicht gerechnet, sagte er. Die Begründung: der Juryvorsitzende Yossi Sarid unterhalte geschäftliche Beziehungen zu Hilus Verlag, Yedioth Sefarim, und sei deshalb nicht objektiv. Hinzu komme, dass der Juryvorsitzende mit Hilus Lektorin verwandt sei. Die Lektorin Rana Werbin weist diesen Vorwurf vehement zurück. Ihr angeheirateter Onkel Yossi Sarid sitze schon lange Jahre in der Jury und seine angeblich nicht vorhandene Neutralität sei nie zuvor Thema gewesen.

"Wenn man die Neutralität bezweifeln möchte, warum passiert es dann ausgerechnet in dem Jahr, in dem ein solches Buch ausgezeichnet wird, fragt sie. Die Lektorin vermutet hinter der Aberkennung des Preises politische Gründe. Und ihr Autor Alon Hilu sieht das ähnlich. Was die Menschen irritierte, glaubt Hilu, sei seine Beschreibung der zionistischen Immigranten als Menschen, die alles taten, um Land zu erwerben. "Manchmal eben auch auf eine üble Art und Weise. Es ist nicht einfach für Menschen, die mit einer zionistischen Version der Geschichte aufgewachsen sind, diese nun aus einer anderen Perspektive erzählt zu bekommen."

Vielleicht ein neuer "Grossmann"

Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten in Jerusalem (Foto: dpa)
Hilu fragt sich, ob die jüdischen Einwanderer ahnten, welcher Konflikt zwischen Juden und Arabern entstehen wirdBild: picture-alliance/dpa

Das bewertet der israelische Literatur- und Theaterkritiker Michael Handelzalts anders. Er ist der Meinung, das Komitee habe mit der Aberkennung die falsche Entscheidung getroffen. Stattdessen hätte die Jury bei ihrer Entscheidung für Hilus Buch bleiben und das Auswahlverfahren für die Zukunft reformieren sollen, so Handelzalts. Aber die Entscheidung der Jury sei nicht politisch motiviert.

Trotz oder gerade wegen des großen Aufsehens, das das Buch in Israel erregte, ist das internationale Interesse an "Das Haus der Rajanis" beachtlich. Der Roman wurde in mehrere europäische Sprachen übersetzt und von großen Zeitungen wie der "Washington Post" und dem "Guardian" besprochen. Hilus Lektorin, Rana Werbin, ist sich sicher, ihr Autor wird sich auch international als Schriftsteller behaupten können. Und vielleicht, sagt sie, wird aus ihm ein neuer "David Grossmann."

"Das Haus der Rajanis" ist Alon Hilus erster ins Deutsche übersetzter Roman und erscheint am 23. Februar beim Münchener C.H. Beck Verlag.

Autor: Nader Alsarras

Redaktion: Stephanie Gebert