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Politik

Gesucht: Vermittler für den Frieden

8. Dezember 2017

Nach Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, gilt der Friedensprozess als tot. Doch absehbar könnte er neu initiiert werden. Offen ist, wer ihn leiten könnte. Die USA bleiben ein Kandidat.

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Gaza - Proteste gegen Jerusalem-Status
Demonstration gegen Trumps Jerusalem-Entscheidung in Gaza-StadtBild: Getty Images/AFP/M. Abed

In der vergangenen Woche hatte eine von dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas entsandte Delegation Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner bereits gewarnt: Die Entscheidung des US-Präsidenten werde die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern "töten". Für den Fall, dass Trump sich für eine Verlegung der Botschaft entscheide, würden die Palästinenser dessen Regierung nicht mehr als "ehrlichen Makler" betrachten. 

Trump gab seine Entscheidung am Mittwoch offiziell bekannt und kündigte an, die US-amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Damit scheint klar: Der Friedensprozess ist vorerst gestorben.

Die Amerikaner hätten den Friedensprozess "getötet", erklärte daraufhin auch Hamas-Führer Ismail Haniya während einer Rede in Gaza. Die Entscheidung sei eine "Kriegserklärung" an die Palästinenser. Hanan Aschrwai, Führungsmitglied der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, erklärte, Trumps Entscheidung "beendet die Farce, dass die USA ein unparteiischer Vermittler sein können."

Kein Ende der Friedensgespräche

Ist der Friedensprozess damit aber wirklich am Ende? Welcher Friedensprozess?, fragt ein Kommentar der israelischen Zeitung "The Jerusalem Post". Seit drei Jahren gebe es ohnehin keine Verhandlungen mehr. Zwar verbessere Trumps Entscheidung die Friedensgespräche nicht, sondern unterminiere die diplomatischen und strategischen Interessen der USA. Aber all dies ändere nichts daran, dass die USA weiterhin ein unverzichtbarer Vermittler in der Region seien. "Sollte es irgendwann wieder ernsthafte Verhandlungen geben, werden die Palästinenser die USA brauchen, denn kein anderes Land  hat gegenüber Israel den nötigen Einfluss um das Zustandekommen einer Vereinbarung zu unterstützen", heißt es.

Gaza - Reaktion auf Jerusalem-Status von Hamas Chef Ismail Haniyeh
Trums Entscheidung als "Kriegserklärung an die Palästinenser": Hamas-Chef Ismael HaniyaBild: Reuters/M. Salem

Politische und militärische Macht ist der wichtigste Faktor bei Friedensgesprächen. Der Politologe Gil Murciano weist zwar darauf hin, dass es sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart ernsthafte und erfolgreiche Initiativen gegeben habe, die nicht von den USA ausgegangen seien. Dazu zählten etwa der Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Saddat 1977 in Jerusalem oder die erste Einigung von Oslo im Jahr 1993. Allerdings seien die USA bei künftigen Initiativen unverzichtbar, so Murciano. "Denn leider sind die Amerikaner bis heute die Einzigen, die hinreichend Macht haben, auf die Politik von Zuckerbrot und Peitsche zu setzen. Sie allein sind in der Lage, die nötigen Sicherheitsgarantien zu geben."

Gaza - Proteste gegen Jerusalem-Status
Vorboten einer dritten Intifada? Proteste junger PalästinenserBild: Reuters/I. Abu Mustafa

Keine Verhandlungen ohne mächtigen Moderator

Durch ihre politische und militärische Macht sind die USA trotz ihres Rückzugs aus der Region weiterhin ein wichtiger Partner - gerade für Israel, und damit indirekt auch für die Palästinenser. Aus dem schlichten Grund, weil es andere potentielle Vermittler nicht gibt. Russland, seit dem Syrienkrieg einer der neuen zentralen Spieler in der Region, komme für diese Rolle nicht infrage, so Murciano. Denn dafür fehle es dem Land an einer weiteren unabdingbaren Voraussetzung: Vertrauenswürdigkeit.

Um Verhandlungen leiten zu können, müsse der Moderator das Vertrauen beider Seiten genießen. Diese Bedingung erfülle Moskau aber nicht, findet Murciano: Gerade die letzten Monate hätten Israel Russland gegenüber enorm skeptisch werden lassen. Denn Russland hätte während des Syrienkrieges nicht überzeugt werden können, den Einfluss des Iran in Syrien - und damit unmittelbar vor der israelischen Grenze - einzudämmen. Die Hisbollah steht auf den Golanhöhen unmittelbar vor israelischem Territorium. "Und das hat das Vertrauen der Israelis massiv erschüttert", sagt der Politologe.

Irrelevante EU

Und Europa oder die Europäische Union? Auch sie kommt für Murciano als Vermittlerin kaum in Frage. Gewiss, die EU unterstütze den Friedensprozess - aber sie gebe keine wesentlichen Impulse. Als der damalige US-Außenminister John Kerry die Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern 2011 neu anstoßen wollte und dafür auch ein Einfrieren des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland ins Spiel brachte, habe die EU diesen Prozess zwar unterstützt; sie stellte den beiden Verhandlungspartnern eine privilegierte Partnerschaft in Aussicht, sollten sie sich einigen. Aber sie sei nie ein unabhängiger Akteur gewesen, habe nie eine eigenständige Handlungsmacht oder Motivation erkennen lassen und ebenso wenig einen unabhängigen Standpunkt oder Rahmen, in dem die Gespräche hätten stattfinden können. "Darum ist die EU für den Friedensprozess nicht relevant", urteilt Murciano

Gewalt und Ausschreitungen nach Trumps Ankündigung: Tania Krämer aus Jerusalem

Die Stunde der Demagogen

Klar ist: Sollte der Friedensprozess wieder einsetzen, dürfte er schwieriger werden als je zuvor. Denn durch den Syrienkrieg ist die strategische Situation Israels erheblich schwieriger geworden. Das Land sieht sich stärker denn je der Bedrohung durch den Iran gegenüber. Schon früh hatte Teheran erkannt, welchen propagandistischen Nutzen sich aus der Entscheidung des US-Präsidenten ziehen ließe. "Die Muslime müssen gemeinsam gegen diese große Verschwörung stehen", erklärte der iranische Präsident Hassan Ruhani noch vor Trumps entsprechender Erklärung. Seine Worte dürften Gehör finden, auch in der sunnitischen Welt.

Wie sich die Lage entwickelt, ob sie eskaliert oder sich wieder beruhigt, hängt ganz wesentlich von den Äußerungen der Verantwortlichen in den kommenden Tagen ab. Klar scheint, dass Friedensgespräche absehbar wieder aufgenommen werden müssen. Fraglich ist, wer nicht nur willens, sondern vor allem auch in der Lage sein wird, sie zu moderieren. Am Ende könnte es, einmal mehr und allem Unmut zum Trotz, auf die USA hinauslaufen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika