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Auf freiem Fuß

Spencer Kimball / NSh20. November 2015

Weil er geheime Dokumente der amerikanischen Marine weitergegeben hatte, saß der israelische Spion Jonathan Pollard fast 30 Jahre im Gefängnis. Nun kam er frei. Der Fall hatte die Beziehungen beider Länder belastet.

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Der Spion Jonathan Pollard (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Unzählige israelische Premierminister von Ehud Barak bis Benjamin Netanjahu hatten sich persönlich für die Freilassung Jonathan Pollards eingesetzt. Doch weder Bill Clinton, noch George W.Bush und Barack Obama waren dieser Bitte nachgekommen. Jonathan Pollard war 1987 zu einer lebenslangen Haftstraf verurteilt worden, weil er mehr als 1000 geheime Dokumente der Amerikaner an Israel weiter gegeben hatte. Der ehemalige zivile Analyst der US-Marine wurde nun am Freitag, nach 30 Jahren Gefängnis, auf Bewährung entlassen.

Lange Zeit war Pollards Fall ein wunder Punkt zwischen den beiden Verbündeten. Caspar Weinberger, damaliger US-Verteidigungsminister, beschuldigte ihn "die größte Bedrohung der nationalen Sicherheit" darzustellen. Diese Behauptung war in amerikanischen Regierungskreisen umstritten. Nachdem die Israelis zunächst abgestritten hatten, dass Pollard für sie spioniert hatte, entschuldigten sie sich später und behaupteten, eine abtrünnige Einheit des Geheimdienstes wäre verantwortlich für den Spionage-Akt. 1995 erhielt Pollard eine israelische Staatsbürgerschaft.

"Der Mann, der hinter dieser Geheimdienst-Abteilung steckte, Rafael Eitan, hatte eine Autorisierung von ganz oben ", sagt Eytan Gilboa, Experte für die amerikanisch-israelischen Beziehungen. Eitan habe ihm das in einem Gespräch gesagt. "Ich weiß nicht, ob es stimmt oder nicht. Shimon Peres, ehemaliger Premierminister und Präsident Israels hat es abgestritten", so Gilboa.

Was hat Pollard gestohlen?

Immer wieder hatte Pollard behauptet, er habe vor allem Israel schützen wollen. Die USA zu verletzen sei nicht sein Ziel gewesen. Washington habe damals wichtige Informationen zurück gehalten, die für die nationale Sicherheit Israels entscheidend gewesen seien, sagte Pollard während seines Prozesses. "Ich wollte die Israelis mit Informationen über die Araber und die Sowjets versorgen, damit sie nicht erneut in eine Situation wie 1973, beim Ausbruch des Jom Kippur-Krieges geraten würden.". Damals waren die Israelis an ihrem höchsten Feiertag von ihren Feinden völlig überrascht und überrannt worden. Pollard beschrieb die damalige Situation als ein "technologisches Pearl Habor" für Israel.

Nach Informationen der Zeitung "Washington Post", hatte Pollard Akten über die libysche Luftwaffe und französischen und russischen Marine-Bewegungen im Mittelmeer entwendet. So blieben die israelischen Kampfflugzeuge unentdeckt, die 1985 das Hauptquartier der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Tunis zerstörten. Pollard gab auch Informationen über die Chemie-Waffen-Programme Syriens und dem Irak weiter, sowie zum pakistanischen Atomwaffen-Programm. "Ich war buchstäblich Israels Auge und Ohr über ein riesiges Gebiet, das vom Atlantik bis hin zum Indischen Ozean reichte", so der Spion in einer Aussage.

Jonathan Pollard US-amerikanischer Spion (Foto: dpa)
Erst im März 2013 hatten tausende Israelis vor der Residenz von Präsident Rivlin für die Freilassung Pollards demonstriertBild: picture-alliance/EPA/A. Sultan

Welche Rolle spielten die Sowjets?

Pollards größte Kritiker sagten, er sei von Geldgier getrieben gewesen. Die Israelis zahlten ihm bis zu 2500 US-Dollar pro Monat und versprachen, 300.000 Dollar auf ein Schweizer Bank-Konto für ihn zu hinterlegen. Es gibt Gerüchte, dass die Informationen, die Pollard verkauft hatte, nicht nur bei den Israelis blieben. Das Magazin der "New Yorker" berichtete 1999, dass israelische Behörden diese an Moskau weitergegeben hätten. Im Gegenzug erhielten sowjetische Juden ein Ausreise-Visum. "Ich bin davon nicht überzeugt", sagt Robert Freedman, Experte für die amerikanisch-israelischen Beziehungen im DW- Gespräch. "Der ehemalige Staatspräsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow hat seine eigenen Gründe für die Ausreisegenehmigungen gehabt", so Freedman. Gorbatschow habe damit vielmehr die Beziehung zu den USA verbessern wollen.

Fehlurteil der Justiz?

Immer mehr amerikanische Offizielle hatten sich für die Freilassung Pollards ausgesprochen. 39 Kongress-Abgeordnete der Demokraten unterzeichneten 2010 einen Brief, in dem sie US-Präsident Obama darum baten, Pollard zu begnadigen. Die Unterzeichner schrieben darin, der Spion habe für sein Vergehen lange genug eingesessen. Zumal er Informationen an einen Verbündeten und nicht an einen Feind weiter gegeben hatte. Es gab Gerüchte, dass das strenge Urteil die Konsequenz einer anti-israelischen Stimmung in der damaligen US-Regierung gewesen sei.

Auch Lawrence Korb, damaliger Assistent des Verteidigungsministers als Pollard verhaftet wurde, schrieb 2010 ein Gnadengesuch an Obama. "Aufgrund von Informationen aus erster Hand kann ich mit Sicherheit sagen, dass die Verurteilung das Resultat einer Abneigung gegenüber Israel ist Einer Abneigung, die sich auch auf die spezielle Bedeutung bezieht, die der jüdische Staat in der damaligen US-Außenpolitik einnahm", schrieb Korb damals in seinem Brief.

Keine Sonderbehandlung

Robert Freedmann, Experte für die amerikanisch-israelischen Beziehungen sieht das anders. Seiner Meinung nach hätten politische Faktoren bei Pollards Verurteilung keine Rolle gespielt. Einige Beobachter spekulieren jetzt, dass der israelische Spion frei gelassen wurde, um die Spannungen zwischen den beiden Ländern seit dem Iran-Abkommen zu mildern. Nach 30 Jahren Haft sei eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis möglich, so Freedman. So habe man schlichtweg zu Pollards Gunsten entschieden.

Die Obama- Administration hat es abgelehnt, Pollard eine Spezial-Behandlung zukommen zu lassen. Zum Beispiel in dem man ihm die Ausreise nach Israel erlaubt, wo seine Frau lebt. Die nächsten fünf Jahre muss Pollard in den USA bleiben. Eytan Gilboa, Experte für amerikanisch-israelische Beziehungen glaubt, der Fall um den israelischen Spion habe keine negativen Langzeitwirkungen auf das Verhältnis der beiden Länder. "Nach dem Bekanntwerden des Falls hat es zwischen den beiden Geheimdiensten eine Vertrauens-Krise gegeben", so Gilboa. Spätestens seit 9/11 sei die Zusammenarbeit aber wieder sehr eng.