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Israels Premier vollzieht Kehrtwende

15. Juni 2009

Zum ersten Mal hat Israels Ministerpräsident Netanjahu die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates grundsätzlich befürwortet - allerdings nur unter strengen Auflagen.

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Benjamin Netanjahu (Foto: AP)
Bild: AP

Ein solcher Palästinenserstaat müsste "entmilitarisiert" sein und Israel als jüdischen Staat anerkennen, betonte Benjamin Netanjahu am Sonntagabend (14.06.2009) in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv. Zudem verlangte der konservative Regierungschef internationale Sicherheitsgarantien für Israel.

"Gutnachbarschaftliche Beziehung"

Netanjahu appellierte an die Palästinenser, "ohne Vorbedingungen" an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Heute Abend sage ich den Palästinensern: Wir wollen in gutnachbarschaftlicher Beziehung an eurer Seite leben. Jedem seine Flagge, jedem seine Hymne." In dem Palästinensergebiet dürfe es jedoch keine Armee und keine Waffen geben, keine Kontrolle des Luftraums und keine Möglichkeit, neue Bündnisse mit dem Iran oder der Hisbollah zu schließen, erklärte Netanjahu.

Barack Obama machte Druck

Benjamin Netanjahu (Foto: AP)
Grundsätzliches im Redemanuskript: Netanjahu an der Bar-Ilan-UniversitätBild: AP

Dass Netanjahu in seiner Rede eine mögliche Gründung eines Palästinenserstaates erwähnte, kann als Entgegenkommen an US-Präsident Barack Obama gewertet werden. Dieser hatte sich in seiner Grundsatzrede an der Universität Kairo Anfang Juni eindringlich für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Bisher galt Netanjahu - wenn es um die Gründung eines Palästinenserstaates ging - als "Gallionsfigur" der Ablehnungsfront.

Kern des Konflikts sei nach wie vor, dass die Araber die Existenz Israels nicht akzeptierten, so Netanjahu weiter. "Daran haben auch die Rückzüge Israels in der Vergangenheit nichts geändert", kritisierte der Ministerpräsident. Das Problem der palästinensischen Flüchtlinge könne jedenfalls nur "außerhalb der Grenzen Israels" gelöst werden. Ihre Rückkehr stehe dem Status Israels als jüdischer Staat entgegen.

Kein Siedlungsstopp

Die Forderung Obamas nach einem sofortigen Baustopp in jüdischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet wies Netanjahu nochmals zurück. Er wolle keine neuen jüdischen Kolonien gründen oder Gebiete für Siedlungen besetzen, aber "man muss den Bewohnern der Siedlungen ein normales Leben ermöglichen".

Israeli vor Wand aus Fernseh-Geräten (Foto: AP)
Benjamin Netanjahus Grundsatzrede wurde in Israel mit großem Interesse verfolgtBild: AP

Empörung bei Palästinensern

Die palästinensische Autonomiebehörde reagierte mit scharfer Kritik. Netanjahu spreche von einem palästinensischen Staat, beraube diesen mit seinen Forderungen aber jeglicher Substanz, hieß es aus dem engsten Umfeld von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. "Netanjahu muss 1000 Jahre warten, bis er einen Palästinenser findet, der einem solch schwachen Staat zustimmt", sagte der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat.

Die im Gazastreifen regierende radikalislamische Hamas nannte Netanjahus Rede einen Schlag ins Gesicht der Palästinenser. Das besetzte Land solle durch Widerstand - eine Umschreibung für Gewalt und Terror - befreit werden.

Washington sieht "Schritt vorwärts"

Barack Obama und Mahmud Abbas (Archivfoto: dpa)
Geteilter Meinung: Barack Obama und Mahmud AbbasBild: picture-alliance/ dpa

Die US-Regierung reagierte hingegen positiv auf die Rede des israelischen Ministerpräsidenten. Diese sei ein "wichtiger Schritt vorwärts", sagte Obamas Sprecher Robert Gibbs. Auch Obama sei für einen jüdischen Staat Israel und einen unabhängigen palästinensischen Staat. Man werde mit allen beteiligten Parteien darauf hinarbeiten, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllten und Frieden in der Region geschaffen werde.

Auch der derzeitige EU-Ratspräsident Tschechien begrüßte die Rede Netanjahus. Die Akzeptanz eines Palästinenser-Staates sei da, sagte Außenminister Jan Kohout vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg.(wa/mmwl/ap/afp/dpa/rtr)