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Politik

Sultanahmet-Anschlag hat Istanbul verändert

31. Januar 2018

Zwei Jahre liegt der Selbstmordanschlag mit zwölf deutschen Todesopfern in Istanbul zurück. Ein Urteil gegen mutmaßliche Helfer steht noch aus. Der Anschlag hat die Stadt verändert. Julia Hahn hat sich umgehört.

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Türkei Istanbul
Bild: DW/S. Huseinovic

Wenn es um Istanbuls Sehenswürdigkeiten geht, ist Tijen Kasabova gefragt: Seit 15 Jahren führt sie Touristen durch das berühmte Altstadtviertel Sultanahmet. Auch vor zwei Jahren war sie hier, als sich ein Selbstmordattentäter inmitten einer Gruppe deutscher Touristen in die Luft sprengte.

"Zuerst war ich wie gelähmt, ich konnte mich gar nicht bewegen", erinnert sich die Stadtführerin. "Dann sah ich die Leute wegrennen. Polizisten und Krankenwagen kamen und ich dachte nur: 'Was mache ich jetzt?' Die Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht und ich bin auch dort hin. Ich dachte, vielleicht kann ich übersetzen, vielleicht kann ich helfen."

Doch für zwölf deutsche Urlauber kam an diesem Tag jede Hilfe zu spät.

Türkei Istanbul - Tijen Kasabova, Stadtführerin
Hat den Anschlag auf deutsche Urlauber vor zwei Jahren miterlebt: Touristenführerin Tijen KasabovaBild: DW/J. Hahn

Der Anschlag am 12. Januar 2016: ein Angriff mitten im historischen Herzen Istanbuls, nahe der ehemaligen Kirche Hagia Sophia und der berühmten Blauen Moschee, also im Zentrum der türkischen Welterbestätten. Dass es einem Terroristen gelingen konnte, hier zuzuschlagen, hat die Stadt tief erschüttert - und verändert.

Mehr Polizei, mehr Sicherheit?

Die sichtbarste Veränderung: Polizei und Panzerwagen sind jetzt überall. Die Zahl der Sicherheitskräfte in der Umgebung von Sehenswürdigkeiten ist drastisch erhöht worden. "Für die türkischen Behörden war dieser Anschlag ein Weckruf", sagt Ahmet Kasim Han von der Kadir Has Universität in Istanbul. "Die türkischen Sicherheitskräfte hatten damals andere Prioritäten. Der IS-Terror stand nicht gerade weit oben auf ihrer Liste", so der Sicherheitsanalyst.

Türkei Istanbul - Sicherheitsvorkehrungen im Sultanahmet-Viertel
Überall in Sultanahmet ist heute Polizei präsentBild: DW/J. Hahn

Schon 2015 erschütterte eine Serie von Selbstmordanschlägen das Land, jedes Mal machte die Regierung den sogenannten "Islamischen Staat" verantwortlich. Zuletzt schlugen die Terroristen in der Neujahrsnacht 2017 im Istanbuler Reina-Club zu. Ein "Soldat des Kalifats" sei für die Tat verantwortlich, hieß es später in einer Mitteilung des IS.

Ähnliche Anschläge hat es seitdem nicht mehr gegeben in der Millionenmetropole. Sicherheitsexperte Ahmet Han schreibt das einem Strategiewechsel der türkischen Behörden zu. "Inzwischen nehmen sie die Bedrohung ernst, sie setzen verstärkt auf Geheimdienstinformationen und gehen insgesamt entschlossener gegen Dschihadisten vor."

Türkei Istanbul - Moschee in Istanbul
Nach dem Anschlag brach der Tourismus in Istanbul einBild: DW/J. Hahn

Terrorangst und Tourismuskrise

Nach dem Anschlag im Sultanahmet-Viertel brachen die Touristenzahlen dramatisch ein. Kamen 2015 nach offiziellen Angaben noch mehr als zwölf Millionen Besucher in die Bosporus-Metropole, waren es 2016 nur noch 9,2 Millionen - ein Katastrophenjahr für Istanbuls Wirtschaft. Viele Restaurants rund um den sonst so belebten Sultanahmet-Platz blieben monatelang nahezu verwaist. Viele Hotelbesitzer waren verzweifelt.

Inzwischen kommen wieder mehr Urlauber nach Istanbul - und nach Sultanahmet. "Bevor wir hergekommen sind, war ich mir ein bisschen unsicher", sagt eine junge deutsche Urlauberin, "aber durch die ganze Polizei hier fühle ich mich sicher". Das historische Herz Istanbuls - es pulsiert wieder lauter. "Wenn ich mich nicht sicher fühlen würde, dann würde ich nicht hierherkommen", sagt ein anderer Besucher.

Türkei Istanbul - Ahmet Kasim Han, Sicherheitsexperte, Kadir Has Universität Istanbul
Der Anschlag war ein Weckruf - Ahmet Kasim Han, Sicherheitsanalyst an der Kadir Has Universität in IstanbulBild: DW/J. Hahn

Mutmaßliche Terrorhelfer vor Gericht

Doch juristisch aufgeklärt ist der Sultanahmet-Anschlag noch nicht. Die Behörden identifizierten den Attentäter als den 1988 in Saudi-Arabien geborenen Syrer Nabil Fadli. Er soll im Auftrag des IS gehandelt haben - aber nicht allein. Ein Urteil im Prozess gegen 26 mutmaßliche Helfer wurde zuletzt mehrfach vertagt. Drei der Angeklagten drohen lebenslange Haftstrafen. Sie weisen bislang alle Vorwürfe zurück. Für die meisten anderen Angeklagten fordert die Staatsanwaltschaft einen Freispruch - aus Mangel an Beweisen.

Stadtführerin Tijen hofft, dass sie nie wieder Zeugin eines Anschlags wird. "Ich wünsche mir, dass viele Menschen hierher kommen, um unser schönes Land kennen zu lernen. Terror hat hier keinen Platz", sagt sie. "Ich hoffe, es wird alles wieder besser, auch für unsere Branche."