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Harte Hand gegen Roma

4. Juli 2008

Italiens Behörden haben begonnen, die Fingerabdrücke von in Behelfslagern lebenden Roma aufzunehmen. Das diene dem Schutz von Roma-Kindern, so der Innenminister. Doch nicht nur in Italien hagelt es Kritik.

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Obdachlose Roma in der italienischen Hauptstadt (Quelle: AP)
Obdachlose Roma in der italienischen HauptstadtBild: AP

Innenminister Roberto Maroni hatte das umstrittene Projekt, die Fingerabdrücke von Roma zu erfassen, am Mittwoch (2.7.2008) im Parlament nochmals verteidigt. Die Erfassung der Fingerabdrücke sei zur Verbrechensbekämpfung notwendig, so der Minister. Es gehe außerdem darum, illegal Eingewanderte aufzuspüren und abzuschieben und das Leben der legal in den Behelfsunterkünften lebenden Bewohner zu verbessern. Am Donnerstag schritten die Behörden zur Tat. Die Maßnahme ist Teil des Vorhabens der Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die Straßenkriminalität zu bekämpfen. Schon bisher werden in Italien zum Teil die Fingerabdrücke von Einwanderern genommen, allerdings üblicherweise nicht von Kindern oder EU-Bürgern.

Roberto Maroni von der Lega Nord (Quelle: AP)
Roberto Maroni von der Lega NordBild: AP

In Italien gibt es mehr als 700 Behelfssiedlungen, die sich vorwiegend um Rom, Mailand und Neapel konzentrieren. Die meisten Bewohner sind Roma. Oft fehlt es in den Lagern an ausreichenden sanitären Einrichtungen.

Haltung der Kirche zwiegespalten

Die katholische Hilfsorganisation Fondazione Migrantes, die der italienischen Bischofskonferenz nahesteht, äußerte Befremden über das Vorgehen gegen die Roma. "Es ist unverständlich, warum ausschließlich von Minderjährigen dieser winzigen ethnischen Minderheit Fingerabdrücke genommen werden sollen", zitierten Nachrichtenagenturen die Gruppe. Dies werde Fremdenfeindlichkeit oder gar Diskriminierung Vorschub leisten.

Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio verurteilte die Maßnahme als "diskriminierend". Die Organisation warf der Regierung zudem vor, neben Fingerabdrücken auch Religionszugehörigkeit und Ethnie zu erfassen. Das verbreitete katholische Magazin "Famiglia Cristiana" hat das Vorhaben ebenfalls scharf kritisiert.

Der süditalienische Erzbischof Domenico Graziani hingegen verteidigte den Plan des Innenministers. Die Erfassung gebe "Kindern eine Identität, die oft keine haben", sagte der Oberhirte des kalabrischen Erzbistums Crotone in einem Interview einer konservativ-katholischen Website.

Roma haben schweren Stand

Abflug aus Rom: Abschiebung rumänischer Immigranten (Quelle: dpa)
Abflug aus Rom: Abschiebung rumänischer ImmigrantenBild: picture-alliance/ dpa

Schätzungen zufolge leben rund 150.000 Roma in Italien, die meisten stammen aus Rumänien, etliche aus dem früheren Jugoslawien, die Mehrzahl sind italienische Staatsbürger. In den vergangenen Monaten kam es in Italien wiederholt zu Ausschreitungen gegen die Volksgruppe.

Der Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef in Italien, Vincenzo Spadafora, bekundete "Erstaunen und ernste Besorgnis" über die Erfassung der Fingerabdrücke. Damit würden grundlegende Rechte der Kinder verletzt. "Wir können nicht Opfer zu Kriminellen machen", so Spadafora am vergangenen Wochenende (29./30.6.2008).

Das EU-Parlament will sich kommende Woche mit der Angelegenheit befassen. Erst am Mittwoch hatte die EU-Kommission einen Bericht vorgelegt, der die Diskriminierung von Roma in vielen EU-Staaten anprangert. Demzufolge ist die Volksgruppe stark von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen und hat eine zehn bis 15 Jahre kürzere Lebenserwartung als die meisten EU-Bürger. Die künftige Generation der Roma drohe damit "in tiefer Armut zu verharren und mehr und mehr ausgeschlossen zu werden", heißt es in dem Papier. Die Kommission rief die Mitgliedstaaten auf, Mittel aus dem europäischen Sozialfonds gezielter zur Eingliederung der Roma zu nutzen.

Berlusconi hat Immigranten im Visier

Silvio Berlusconi gibt den Hardliner (Quelle: dpa)
Silvio Berlusconi gibt den HardlinerBild: picture-alliance/ dpa

Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte ihr Amt im Mai des Jahres mit dem Versprechen angetreten, entschieden gegen die illegale Einwanderung vorzugehen. Unter anderem soll die Straftat "illegale Einwanderung" eingeführt und mit sechs Monaten bis vier Jahren Haft geahndet werden. Zudem sollen Ausweisungen erleichtert und die maximale Aufenthaltsdauer in Auffanglagern von zwei auf 18 Monate verlängert werden.

Seitdem nahm die Polizei bei Razzien hunderte Migranten fest, für einige von ihnen wurde die unverzügliche Ausweisung angeordnet. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warf Italien kürzlich vor, Einwanderer zu stigmatisieren und dadurch Spannungen zu schüren. (leix)

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