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EU-Gipfel: Renzi wettert gegen Merkel

18. Dezember 2015

Italiens Ministerpräsident Renzi ist Kanzlerin Merkel auf dem EU-Gipfel scharf angegangen. Ein Grund für den Zorn des Premiers ist die deutsche Haltung in der Finanzpolitik. Aber es gab auch Kritik von anderen Ländern.

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Italiens Regierungschef Renzi (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Carconi

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi (Artikelbild) ist mächtig sauer auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wenn glauben gemacht wird, Deutschland sei der Blutspender Europas, dann ist das von außen betrachtet nicht die Wirklichkeit", sagte Renzi nach dem Gipfel vor Journalisten. Der Regierungschef führte eine ganze Reihe von Punkten an, in denen er mit Merkel über Kreuz liege.

Einlagensicherung, Hotspots, Fraport-Übernahme

Zunächst geht es um die deutsche Weigerung, sich auf eine europäische Einlagensicherung im Bankensystem einzulassen. Rom fordert diese seit Jahren. Auf dem Gipfel aber verzichteten die Staats- und Regierungschefs der EU einem Entwurf zufolge erneut auf eine entsprechende Forderung. Die Bundesregierung lehnt die angestrebte gemeinsamen Absicherung der Sparguthaben der EU-Bürger ab. In Deutschland existiert bereits eine solche Einlagensicherung, in eingen EU-Staaten noch nicht. Berlin befürchtet durch das EU-Projekt eine Vergemeinschaftung von Bankenrisiken.

Merkel sagte auf ihrer Pressekonferenz, sie habe in der "lebendigen Diskussion" die deutsche Ablehnung "noch ein Mal klar gemacht". Laut Renzi verwies sie dabei darauf, dass Deutschland die übrige Wirtschaft schließlich unterstütze. "Ich glaube, das ist nicht wahr, und ich habe einige Beispiele genannt", sagte der Ministerpräsident und nannte seine Kritikpunkte an der Kanzlerin: Die Übernahme griechischer Flughäfen durch das deutsche Unternehmen Fraport, die deutsche Kritik am angeblich schleppenden Aufbau der Flüchtlings-Hotspots, und schließlich die Gas-Pipeline Nord Stream 2.

Ärger über Pipeline-Projekt Nord Stream 2

Das Nord-Stream-Projekt werde "in totalem Schweigen" vorangetrieben, monierte Renzi. Nur Deutschland und die Niederlande sähen in der Pipeline kein Problem, für viele andere Länder habe das Projekt einen Beigeschmack. "Und wenn ich ein Problem sehe, dann hebe ich die Hand. Ich habe gesagt, dass wir darüber sprechen sollen", fügte der italienische Ministerpräsident dazu.

Wegen der geplanten Gas-Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland wurde Merkel auch von anderen Ländern sowie von EU-Ratspräsident Donald Tusk in die Zange genommen. Die Debatte sei "hart" und "sehr emotional" gewesen, sagte der Tusk im Anschluss. Während das für Bulgarien, Italien und andere südlich und östlich gelegene Länder wichtige Pipelineprojekt South Stream beerdigt wurde, hofft Berlin auf die Genehmigung der neuen Ostseepipeline. Kritiker monieren, dass damit die Ukraine und Polen umgangen werden.

Tusk: Projekt läuft EU-Energiepolitik zuwider

Laut Tusk belegen Zahlen der EU-Kommission ferner, dass durch den Ausbau 80 Prozent der russischen Gaslieferungen in die EU über diese Route kommen würden. "Außerdem würde das zu einer marktbeherrschenden Stellung von Gazprom in Deutschland führen, weil der Marktanteil dann auf mehr als 60 Prozent ansteigen würde", sagte der EU-Ratspräsident. Beides liefe den erklärten Zielen der EU zuwider, die im Zuge der Ukraine-Krise vereinbart hatte, ihre Abhängigkeit von russischem Gas deutlich zu verringern.

Die russische Gazprom hatte im September mit europäischen Partnern vereinbart, die bestehende Pipeline Nord Stream auszubauen. Beteiligt an den Nord-Stream-2-Plänen sind auch die deutschen Konzerne Eon und BASF sowie das britisch-niederländische Unternehmen Shell, die österreichische OMV und die französische Engie-Gruppe. Die Unternehmen wollen die Kapazität der bereits bestehenden Nord-Stream-Leitung durch die Ostsee durch den Ausbau verdoppeln.

Merkel reagiert gelassen

Trotz aller Pipeline-Kritik auf dem EU-Gipfel aber machte Tusk klar: den Ausschlag über das Projekt werde die ausstehende technische und juristische Bewertung der EU-Wettbewerbsexperten geben - und keine wütenden Regierungschefs.

Die Kanzlerin selbst reagierte demonstrativ gelassen auf die vielfache Kritik: "Europäische Räte dienen ja dazu, dass man sich über unterschiedliche Positionen austauscht. Dass es unterschiedliche Positionen gibt, halte ich für ganz normal."

cw/wl (dpa, afp, rtr)