1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Iwan auf dem Diwan

Stephan Hille2. September 2003

Russische Männer haben einfach einen schlechten Ruf. Manche Frauen sehen sogar Parallelen zwischen russischen Männern und russischen Autos: Sie stinken, verbrauchen viel Sprit und taugen wenig.

https://p.dw.com/p/4245

Da ist was dran: Viele der russischen Frauen über 40 haben mindestens eine Scheidung hinter sich. In Moskau kommen heutzutage auf drei Eheschließungen zwei Scheidungen. Zwei Drittel aller Scheidungen werden von den frustrierten Ehefrauen eingereicht. Nach emotionaler Enttäuschung steht der unbefriedigende wirtschaftliche und soziale Status an zweiter Stelle der Liste für Scheidungsgründe. "Die Männer degradieren oder verhalten sich wie der 'dumme Iwan' im Märchen: Er sitzt auf dem Diwan und wartet auf das große Glück," erklärt Dilja Jenikejewa, eine der führenden russischen Sexualforscherinnen.

Dass viele Männer ein Alkoholproblem haben, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Krisenjahren der 1990er hat der Alkoholkonsum unter Männern drastisch zugenommen. Pro Jahr raffen Suff und Alkoholvergiftungen mehr als 20.000 Russen dahin.

Ehemann für eine Stunde

Und es kommt noch eine weitere Untugend hinzu: Die Gewaltbereitschaft der russischen Männer. Die Frauenorganisation "Anna", die sich um Opfer von Gewalt gegen Frauen kümmert, hat ausgerechnet, das jährlich im ganzen Land zwischen 12.000 und 16.000 Frauen durch Gewalt der Männer umkommen.

Kein Wunder, dass die Zahl der alleinstehenden Frauen steigt. Eine Moskauer Agentur hat darin nun eine erfolgreiche Marktnische entdeckt: "Den Ehemann für eine Stunde" oder "Musch na Tschas", wie das Angebot auf russisch heißt.

Betrunkene und zerstörerische Handwerker

Dahinter verbirgt sich keinesfalls ein Service, der intime Liebesdienste anbietet, sondern handwerkliche Probleme aller Art löst. Nicht nur, dass in der durchschnittlichen russischen Wohnung, eigentlich ständig etwas klemmt, tropft oder hakt, auch der staatliche Handwerker hat - siehe oben - ein schlechtes Image: Er kommt kaum pünktlich, ist meistens nicht mehr nüchtern, flucht und am Ende macht er auch noch was kaputt.

"Musch na Tschas" dagegen verspricht einen effizienten Handwerker sogar rund um die Uhr. Ein Zwei-Stunden-Besuch kostet umgerechnet 15 Euro. Das Geschäft läuft gut. Nicht selten rufen auch genervte Männer bei der Agentur an und bestellen den Mann auf Zeit. "Die wollen einfach ihre Ruhe haben - vor der Ehefrau, die ihnen wegen eines tropfenden Wasserhahns in den Ohren hängt" , erklärt einer der Handwerker auf Abruf.