1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jüdische Vertreter warnen vor Antisemitismus

Naomi Conrad, Berlin 15. September 2014

In Europa wachse der Antisemitismus, warnen jüdische Vertreter, die sich in Berlin versammelt haben. Allein in Deutschland sei es in den letzten Monaten zu über 100 Übergriffen gekommen – auch in Berlin.

https://p.dw.com/p/1DCbA
Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin (Foto: Thomas Peter/Reuters)
Jüdischer Demonstrant in Berlin am SonntagBild: Reuters/Thomas Peter

Im Saal warnt ein Sprecher gerade eindringlich vor den vielen Gefahren, die die Existenz der jüdischen Gemeinde in der ganzen Welt bedrohen. Vor der Tür aber wirken die beiden Sicherheitsbeamten trotz allem recht entspannt: Sie winken die Konferenzteilnehmer ohne größeres Aufsehen durch die Tür zum Saal, werfen einen nur flüchtigen Blick auf die Ausweise, Taschen oder Laptops interessieren sie gar nicht. Eine Israelin zuckt die Schultern: "In Israel bin ich ganz andere Dinge gewohnt." Aber vielleicht sei das Hotel im Zentrum von Berlin einfach gut gesichert, fügt sie hinzu.

Die Frau ist in Berlin, weil sich hier das Leitungsgremium des Jüdischen Weltkongresses (World Jewish Congress, oder WJC), eine Dachorganisation und Interessensvertretung jüdischer Gemeinden, am Montag (15.09.2014) versammelt hat. Eine Hauptsorge des WCJ, das betonen die Redner immer wieder, sei der Antisemitismus in Europa, der seit dem jüngsten Krieg in Gaza "massiv angestiegen ist", so Vivian Wineman vom European Jewish Congress Council. Der Vizepräsident des WJC verweist auf einen Anstieg antijüdischer Einstellungen besonders in Griechenland, Polen, Bulgarien und Frankreich. In Paris, sagt der Franzose Paul Rechter, sei es bereits "ganz schlimm." Viele seiner Freunde würden auf der Straße überhaupt keine jüdischen Symbole oder Kippa, die flache Kopfbedeckung jüdischer Männer, tragen.

Antisemitische Schmierereien in Berlin

Aber auch in Deutschland häufen sich nach Angaben des WJC die judenfeindlichen Taten: Dort seien zwischen April und Juli dieses Jahres 159 antisemitische Vorfälle registriert worden, so Wineman. Der letzte Vorfall liegt nicht einmal 24 Stunden zurück: Nach Angaben der Berliner Polizei wurden am Morgen antisemitische Graffitis auf einem jüdischen Mahnmal im Tiergarten entdeckt - unweit des Hotels also, in dem sich der WJC versammelt hat. Er könne nur spekulieren, wer "Juden Raus" und "Babykilla" auf das Denkmal geschmiert habe, erklärt ein Polizeisprecher auf Nachfrage. Noch gebe es keinerlei Hinweise auf den Täter. Ob der Vorfall mit dem Treffen des WJC zusammenhänge oder der großen Kundgebung gegen Judenhass, die am Sonntag vor dem Brandenburger Tor stattfand, kann er nicht sagen. Nur soviel: "Die räumliche Nähe gibt schon Anlass zu entsprechenden Überlegungen."

Wineman spricht von der "grün-schwarz-roten Allianz" gegen Juden: Muslime, sowie rechts- und linksradikale, die eine gemeinsame anti-israelische Ideologie teilten. "Diese Allianz hat eine unübersehbare antisemitische Färbung bekommen." Auch in den Sozialen Medien sei ein beachtlicher Zuwachs von antisemitischen Äußerungen zu beobachten gewesen. Positiv sei allerdings, dass es zu weniger gewalttätigen Übergriffen komme, so Wineman. Seitdem Israel und die Hamas sich auf einen Waffenstillstand einigen konnten, habe sich die Situation etwas entspannt.

WJC: Mit moderaten Muslimen arbeiten

Wineman appellierte dafür, mehr auf moderate muslimische Gruppen zuzugehen. "Wir müssen muslimische Religionsführer dafür gewinnen, dass sie den Antisemitismus in ihrer Gemeinde verurteilen." Ein positives Beispiel dafür sei etwa die Fatwa, die von britischen Muslimen gegen die Terrormilizen des selbsternannten "Islamischen Staates" im Nordirak und Syrien ausgesprochen wurde.

Der WJC-Vizepräsident Robert Singer benennt aber noch andere Gefahren für das jüdische Leben: Rechtsextreme Parteien, die in gewissen europäischen Ländern Aufwind genießen, die Radikalisierung von islamischen Gruppen und der Iran – aber auch Entwicklungen innerhalb der jüdischen Gemeinde bereiten Singer Sorge: Er beklagt, dass sich viele junge Juden weniger für Israel interessierten und außerhalb der jüdischen Gemeinde Andersgläubige heirateten.