1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jürgen Klopp

15. Februar 2007

Jürgen Klopp verkörpert den Verein wie kein Anderer. Seit 2001 ist er Trainer von Mainz 05. Ein Underdog in der Bundesliga. Und doch gelingt es Klopp immer wieder, die Liga zu überraschen.

https://p.dw.com/p/9roq
Wie machen Sie das immer wieder, Herr Klopp?Bild: DW-TV

Ist denn Mainz 05 ein anderer Arbeitgeber als andere Vereine?

Jürgen Klopp

Was hier sicher anders ist, was man als Beobachterrolle von anderen Vereinen feststellen kann, ist eine unglaubliche Kontinuität in der Vereinsführung und eine unglaublich große Menschlichkeit.

Vor sieben Jahren waren wir noch ein normaler Zweitligist, der eigentlich jedes Jahr um den Klassenerhalt gekämpft hat. Da wurden Trainer entlassen, da gab es eben die ganz normalen Geschichten und seit sechs Jahren haben wir keine Trainerentlassung mehr gehabt, sonst würde ich ja nicht hier sitzen. Wir haben unser Bild in der Öffentlichkeit vor allem über unsere sportliche Leistung neu definiert.

Das heißt , wir waren auf einmal mutiger, wir waren frecher , aggressiver. Wir waren überzeugter von dem was wir machen. Gepaart mit dem unglaublichen Publikum, dass man aus dieser Stadt rekrutieren kann - das ist unfassbar, also da ist Mainz einfach auch was ganz Besonderes - hat das einfach dazu geführt, dass wir ein besonderes Bild abgegeben haben, das ist bestimmt so.

Und wie kam es dazu, dass plötzlich frech und mutig gespielt wurde?

Jürgen Klopp

Die Lust darauf war es eigentlich. In meinem Fall war es so: Ich hab einen unglaublichen Vertrauensvorschuss bei den Leuten. Ich war sicher kein guter Fußballer, ich war sowas wie die schlechte Angewohnheit. Sonntag, wir gehen ins Stadion und Klopp ist schon wieder da. Ich hab eigentlich immer gespielt, elf Jahre lang, jeden Sonntag konnte man mich sehen ob man wollte oder nicht.

Und die Leute haben einfach respektiert, dass ich alles raushaue, was ich habe. Und das war eben dieser Vertrauensvorschuss, den ich bekommen habe, denn die wussten, ich werde richtig Gas geben.

Als wir den Klassenerhalt geschafft haben hab ich gesagt: Ich möchte zum ersten Training zweitausend Leute sehen, das war eine unvorstellbare Zahl damals.

Wir trainierten in Pretzenheim, das ist eine Bezirkssportanlage, in der wir damals noch häufiger trainieren mussten. Wir kamen da hin und kamen mit den Autos gar nicht durch. Da war alles voll, der Sportplatz war voll, überall Leute. Ich dachte mir nur: Was ist denn jetzt? Früher hätten wir nackt trainieren können, das hätte niemand gemerkt.

Wenn man jetzt mal Vereinsführungen sich anguckt. Gibt’s da nicht vielleicht Vereine, die eine ähnliche Philosophie habe? Zum Beispiel Bremen oder auch Cottbus. Da setzt man auch auf Kontinuität. Und hier ist es ja auch so.

Jürgen Klopp


Aber ich glaube dass das hauptsächlich daran liegt, dass die Verantwortlichen irgendwann das Gefühl haben, dass das, was da unten passiert, das funktioniert. Dann belässt man es einfach dabei.

Kein Vereinspräsident hat einfach nach zwei Jahren keinen Bock mehr auf den Trainer und sagt: So, jetzt reicht es Freunde, den haben wir zwei Jahre gesehen, wir brauchen einen neuen.

Das hängt immer mit der sportlichen Situation zusammen, der müssen wir uns in unserem Job ja alle stellen.

Thomas Schaaf - mehr Erfolg geht ja nicht, muss man ja mal sagen, außer du wirst immer Meister. Die spielen seit Jahren den besten Fußball in Deutschland.

Wer im Verein käme auf die Idee, außer vielleicht Thomas Schaaf selber, man muss mal was anderes versuchen, das wäre ja wirklich verrückt.

Cottbus ist ähnliche Situation wie bei uns. Petrick Sander steigt mit der Mannschaft auf, ist schon lange im Verein, jeder kennt ihn. Und das funktioniert auch und sie sind eben auch gewohnt, durch schwerere Phasen mit Trainern durch zu gehen.

Und dann gibt’s andere Vereine: Nürnberg, ein klassischer Verein, wo man normalerweise Trainer immer recht schnell entlassen hat, jetzt hat man mit Hans Meier einen, von dem alle überzeugt sind und würde ihm am liebsten eine Zehn- Jahres- Vertrag geben.

Also das hängt schon immer damit zusammen, wie funktioniert das Ganze, im Beruflichen, auf dem Platz. Dann glaub ich kommt auch Kontinuität und hier ist es ja auch so. Dass die Leute nicht unzufrieden sind, mit dem was ich hier abliefere an Arbeit. Und das ist der Grund. Und nicht weil sie mich alle so nett finden.

Aber hat nicht der Harald Stutz, der Präsident gesagt, sie könnten auch alle Spiele verlieren und würden trotzdem nicht gekündigt werden?

Jürgen Klopp

Ja stimmt. Das hat er gesagt.

Und welche Rolle spielt ihre "Mission Possible 15" Kampagne da eigentlich?

Jürgen Klopp

Bestimmte Begrifflichkeiten lösen einfach Gefühle aus und "Mission Possible 15", auch wenn es sicher ein Zungenbrecher ist, löst ein Gefühl aus.

Es zeigt ganz einfach, wir wollen versuchen das Unmögliche möglich zu machen.

Gestern war ich auf einer Trainertagung, da haben alle ehrlicherweise gesagt, sie hatten uns schon abgeschrieben. Es ging eigentlich um zwei Absteiger, also: Wer steigt noch ab außer Mainz.

Ist es eigentlich einfacher, wenn man in der Winterpause 18ter ist, dann wirklich zu sagen: Jetzt erst recht oder: Wir schaffen das doch noc?

Jürgen Klopp

Es ist sicher einfacher, den Neuanfang auszurufen, wenn man es machen muss und es für jeden klar ist. Es ist auch einfacher, den Jungs die Notwendigkeit gewisser Veränderungen nahezubringen.

Aber das Wichtigste beim Fußball ist tatsächlich, auf dem Platz zu stehen und das Gefühl zu haben, den Aufgaben gewachsen zu sein. Und das waren wir natürlich nicht.

Also wir hatten 16 Spiele nicht gewonnen. Wir hatten das erste gewonnen und dann 16 Spiele nicht gewonnen! Das klingt für mich wie zehn Jahre am Stück lang kein Spiel gewonnen. Und so haben wir uns natürlich auch gefühlt. Das heißt, das funktioniert, das funktioniert, das funktioniert. Aber am Ende reicht es nicht.

Es ging nicht um Intellektuelles, sondern einfach das Gefühl. Was willst du noch machen?

Es war sehr einfach, den Jungs klarzumachen, wir müssen etwas komplett ändern. Das Gefühl zu entwickeln, wieder fußballerisch in der Lage zu sein. Auf dem Platz das zu regeln wovon wir träumen, was wir haben wollen. Das ist natürlich nicht wirklich leicht.

Das geht nur, wenn du einen kompletten Strich unter diese Vorrunde machst, das heißt Haken drunter und Neuanfang.