1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jürgen Trittin: Das wäre grob illoyal!

Das Interview führte Martin Schrader13. Januar 2006

Der BND ist erneut in die Kritik geraten: Hat er der US-Armee Bombenziele im Irak genannt, die diese dann unter Beschuss nahm? Jürgen Trittin spricht im Interview von "Illoyalität" des BND, falls dies zutreffen sollte.

https://p.dw.com/p/7mhC
Jürgen Trittin, stellvertretender Vorsitzender der "Grünen"-Fraktion im Bundestag (Archiv)Bild: AP

DW-WORLD: Herr Trittin, war und ist es richtig, dass der Bundesnachrichtendienst im Irak arbeitet?

Jürgen Trittin: Es ist richtig, dass in einer Situation, in der es zu einem solchen Krieg kommt, die Bundesregierung - egal welche - sich nicht allein auf Informationen der einen oder der anderen Kriegspartei stützen kann. Und deswegen war es richtig, dass Mitarbeiter des geheimen Nachrichtendienstes dort verblieben sind. Bekanntermaßen waren diese in der französischen Botschaft untergebracht - der Botschaft eines Landes, das übrigens eine ähnliche Haltung zu diesem Irak-Krieg hatte wie die Bundesrepublik Deutschland.

Wie bewerten Sie den Vorgang, dass BND-Leute im Irak ihre Informationen auch an die US-Truppen weitergegeben haben sollen, woraufhin Menschen unter Beschuss genommen worden sind?

Das ist die Behauptung, für die es bisher eine Quelle gibt: einen Mitarbeiter des amerikanischen Militärgeheimdienstes. Dagegen steht die Aussage des Bundesnachrichtendienstes, dass dies nicht der Fall sein soll. Diesen Widerspruch aufzuklären, wird es wohl eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens bedürfen. Und wir haben jedes Interesse daran, dies aufzuklären. Sollte dies zutreffen, können wir es nicht hinnehmen, dass Behörden oder auch einzelne Mitarbeiter - mit wessen Wissen auch immer - die politische Linie der Bundesrepublik Deutschland zum Irak-Krieg konterkariert haben, indem sie selber sozusagen zur Kriegspartei geworden sind. Aber wie gesagt: Bisher gibt es zu diesem Vorgang widersprüchliche Darstellungen. Und ich mache mich jetzt nicht anheischig, die Glaubwürdigkeit der einzelnen Nachrichtendienste gegeneinander abzuwägen. Grade mit den Nachrichtendiensten der Vereinigten Staaten haben wir da im Vorfeld des Irak-Krieges unsere Erfahrungen gemacht.

Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Partei, das heißt vor allem der damalige Außenminister Fischer über solche Vorgänge nicht informiert war?

Der damalige Bundesaußenminister hat deutlich erklärt, dass der Verbleib der BND-Mitarbeiter im Irak mit seinem Wissen geschehen ist. Das ist auch richtig so. Das findet die volle Billigung der Grünen. Er hat ebenfalls deutlich erklärt, dass ihm von Tätigkeiten nichts bekannt war, die diese (BND-Mitarbeiter) zur Kriegspartei werden lassen. Insofern hat auch der ehemalige Bundesaußenminister ein massives Interesse daran, dass dieser Vorgang aufgeklärt wird - und zwar rücksichtslos.

Falls der BND dort mit den USA zusammengearbeitet hat, wäre das dann als ein Bruch grüner Versprechen zu werten, Deutschland aus dem Irak-Krieg herauszuhalten?

Diese (BND-Mitarbeiter) hätten sich gegenüber der Bundesregierung grob illoyal verhalten, nicht gegenüber einer Partei. Die Bundesregierung hat ihre Haltung klar vertreten, dass wir den Krieg erstens für falsch halten und uns an diesem zweitens nicht beteiligen. Nur, wie gesagt: das sind Spekulationen. Wir möchten, dass zunächst die Fakten auf den Tisch kommen.

Es gibt Vorwürfe, der BND führe ein Eigenleben, weil selbst das Parlamentarische Kontrollgremium nicht immer über alle wichtigen Aktionen informiert wird. Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe?

Auch dieses wird man im Rahmen des Untersuchungsausschusses überprüfen müssen. Allerdings ist es schon heute klar, dass die Rechte dieses Kontrollgremiums gestärkt werden müssen. Darauf hat der ehemalige Vorsitzende des Kontrollgremiums schon vor wenigen Wochen hingewiesen. Es geht da zum Beispiel um unmittelbare Akteneinsicht - übrigens auch um die Möglichkeit, falsches Verhalten zu veröffentlichen.

FDP und Linkspartei fordern einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Wie steht die Fraktion der Grünen dazu?

Der Fraktionsvorstand hat heute der Fraktion empfohlen, einen solchen Untersuchungsausschuss zu beantragen, weil wir eine andere Möglichkeit der Aufklärung nach dem Nachrichtenstand von heute nicht sehen.

Jürgen Trittin ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der "Grünen" im Deutschen Bundestag.