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Ja-Wort wider Willen

Ali Akinci7. Januar 2003

In Frauenhäusern suchen nicht nur deutsche Frauen Hilfe. Immer mehr von ihnen sind Migrantinnen. Sie fliehen vor seelischer und körperlicher Gewalt - vor einem Ehemann, den sie gegen ihren Willen heiraten mussten.

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Alles andere als romantisch: ZwangsheiratBild: BilderBox

Eine offizielle Anschrift gibt es nicht, und im Telefonbuch sucht man vergeblich nach einem Hinweis. Nur unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen darf man das Haus betreten. Denn die Bewohnerinnen haben Angst. Angst vor ihren Ehemännern. Im Internationalen Mädchenhaus in Düsseldorf leben Migrantinnen, die hier Zuflucht suchen.

Die Familie droht mit Rache

"Allen Frauen ist gemeinsam, dass sie von ihren Partnern oder Ehemännern misshandelt oder bedroht wurden", berichtet Silvia Rauh, die das Frauenhaus leitet. Viele der Frauen, die zu ihr kommen, seien zwangsverheiratet worden. "Das heißt, dass sie durch ihre Eltern die Ehe vermittelt bekommen haben. Die Frauen werden zwar gefragt, ob sie diesen Mann heiraten wollen, aber aufgrund der familiären Situation wird kein Nein akzeptiert."

Das Ausmaß von Zwangsehen ist schwer zu beschreiben, es gibt kaum verlässliche Zahlen. Mehrere Tausend Frauen seien betroffen, vermutet die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes und stützt sich dabei auf Berichte von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Silvia Rauh betreut in ihrem Haus jährlich etwa 40 bis 60 zwangsverheiratete Frauen. Die meisten sind in Deutschland geboren oder aufgewachsen. Sie schrecken jedoch davor zurück, sich zu wehren und an die Öffentlichkeit zu treten – nicht nur wegen ihrer schwierigen seelischen Verfassung, sondern vor allem aus Furcht vor Racheakten bis hin zu Mord wegen Verletzung der Familienehre.

"Mann gleich Unterdrücker" ist übertrieben

Von offizieller Seite wird das Thema eher relativiert. Uta Pioch, Referentin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, sieht in dem Begriff Zwangsehe "ein gewisses Klischee". Die Frau als Opfer unter dem Druck der Familie und der Mann, der Gewalt und Zwang ausübe – "das halte in dieser Plattheit der Realität nicht stand". Zumal es auch "viele gute Interessen" der Frauen gebe, nach Deutschland zu migrieren. "Wir kennen das Wohlstandsgefälle, es gibt viele gute Gründe für Frauen, solch eine Ehe anzunehmen", erklärt Pioch.

Das geplante Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung werde den Aspekt der Zwangsehe wohl nicht mit einbeziehen, schätzt die Referentin. Das Gesetz hätte schon zum 1. Januar 2003 in Kraft treten sollen, scheiterte aber. Nun will die Regierung es unverändert noch einmal in den Bundestag einbringen. Nach Paragraf 19 des Ausländergesetzes können Männer ihre so genannten Importbräute im Rahmen der Familienzusammenführung zu sich holen. Erst nach zwei Jahren erhalten die Frauen allerdings ein eigenes Aufenthaltsrecht – bis dahin sind sie quasi rechtlos. Silvia Rauh sieht das kritisch: "Es ist auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Einreiseland haben. Man kann diese Frauen nicht für das bestrafen, was die Männer ihnen antun." Bisher habe der Ehemann zwei Jahre "Umtauschrecht", kritisiert Rauh. Und das dürfe eine deutsche Regierung nicht unterstützen. Das sei Menschenhandel.