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Jahrerückblick: Festivals

Rick Fulker18. Dezember 2001

Von Bayreuth und Salzburg über das Schleswig-Holstein Musikfest, die Europäische Festwochen in Passau bis zu den Händelfestspielen und den Berliner Festwochen: es war viel los in 2001!

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Wagner auf dem Grünen Hügel: das Festspielhaus in BayreuthBild: AP

Nachfolge und kein Ende – oder doch? Am 12. Dezember gab die Bayreuther Festspielleitung eine Antwort auf die "Was wäre wenn Wolfgang etwas zustieße"-Frage: Klaus Schulz, Bayreuth- und Theaterkenner, Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters, kommt an Bord. Durch diese pragmatische Zwischenlösung hat es der listige 82jährige Wagner-Enkel geschafft, seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sorgen – geheuchelte wie echte - um Kontinuität und Zukunft der Bayreuther Festspiele wurden beruhigt, Wolfgang bleibt im Amt, Tochter Eva, Nichte Nike und andere Vertreter der vierten Generation bleiben schön dort, wo sie sind. Wird das Publikums-Interesse nun wieder vor die Kulissen gelenkt? Neuinszenierungen in den kommenden drei Jahren, neuer "Ring" 2006, Regieteams weitgehend bekanntgegeben. Dabei sollte 2001 ein "Katastrophenjahr" für Bayreuth gewesen sein, um einen vergessenen Frühjahrs-Zitat vom "Ring"-Regisseur Jürgen Flimm wieder aufzugreifen: Sinopoli tot, Sänger scharenweise davongelaufen... aber im Jubiläumsjahr 2001 bestätigte die Brünnhilde-Einspringerin Luanna Devol ihren Rang als "Sängerin des Jahres", und das Hügel-Debut des Dirigenten Adam Fischer beim "Ring" wurde vom Publikum und von der Kritik gleichermaßen gefeiert.

Was gab es noch im Festival-Jahrgang? In Salzburg, siebzig Konzerte und, im Mittelpunkt, drei Opernpremieren: "Figaros Hochzeit", "Ariadne auf Naxos" und "Die Fledermaus". Mit den letzten beiden, typisch österreichischen Stücken wollte der scheidende Intendant Gerard Mortier auch etwas über den Zustand der von ihm heftig kritisierten österreichischen Gesellschaft aussagen. "Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist" – mit diesem fatalistischen Satz aus der "Fledermaus" spiegelte Regisseur Hans Neuenfels die heutige Volkspsyche Österreichs wider. Bebildert war der generelle Faschismusvorwurf durch Anspielungen aufs Dritte Reich. Das Ergebnis: Mortier bekam den gewollten Theaterskandal als Finale seiner konfliktreichen Intendanz und ein jaulendes, gröhlendes, buhendes Publikum. Bilanz der Ära Mortier: Nach der Erstarrung der späten Karajan-Jahre ist es ihm gelungen, die Salzburger Festspiele international wieder an die weltweite Spitze zu bringen.

Festivals landauf, landab: Vom Schleswig-Holstein Musik Festival im Norden zu den Europäischen Festwochen Passau im Süden – flächendeckend-regional oder themenspezifisch: etwas für jeden Geschmack. In der Klassik kriselt es, hören wir oft, aber das Festival-Geschäft blüht, wohl auch weil es einigen Veranstaltern gelungen ist, neue Publikumsschichten anzusprechen. Davon versteht der amerikanische Cellist Yo Yo Ma einiges, der mit seinem Seidenstraße-Projekt einen Abstecher in Schleswig-Holstein machte. Im 16. Jahr und mit 130 Konzerten begann dieses ambitionierteste Musikfestival Deutschlands in bewährter Manier mit dem bald 90jährigen Günter Wand, der in Lübeck ein Konzert mit Schubert, und wie immer, Bruckner dirigierte:

Eröffnung der Festivalszene Richtung Jazz und Weltmusik bot eine wesentlich kleinere jedoch äußerst erfolgreiche Veranstaltungsreihe in Bayern: die Sommerkonzerte zwischen Donau und Altmühl, deren Auslastung 95 Prozent betrug. Zu den Erfolgsgeschichten der Festivallandschaft gehört auch "Spannungen: Musik im Kraftwerk Heimbach" – eine einwöchige Konzertreihe mit Kammermusik in der Eifelidylle. Bereits im 4. Jahr konnte Intendant Lars Vogt feststellen, dass manche Konzerte hätten sogar zweimal ausverkauft werden können. Zu den spannungreichen Momenten dort gehörte die Uraufführung eines vergessenen Werkes von Paul Hindemith aus dem Jahr 1917:

A propos Uraufführungen: Mit Spannung verfolgte die Musikwelt die klangliche Enthüllung eines Werkes von Georg Friedrich Händel. Die Entdeckung seines Gloria in excelsis deo aus dem Jahr 1707 galt als Sensation; die Uraufführung bei den Händelfestspielen in Göttingen unter der Leitung von Nicholaus McGegan geriet zur Triumph für die kanadische Sopranistin Dominique Labelle:

Während die großangelegten Berliner Festwochen thematisch gebundene Konzerte um "Schönberg-Schnabel-Beethoven" bot, wurde das Bonner Beethovenfest zum Treffpunkt internationer Stars: von Ashkenazy bis Rattle und von Argerich bis Brendel kam das Creme de la creme in die Bundesstadt, die endlich mit einem Festival der Größenordnung, die Bonns berühmtester Sohn verdient, aufwartet. Ähnliche, obwohl noch bescheidenere Ansätze sind bei der Bach-Stadt Leipzig zu erkennen. Alte Musik in Herne und Regensburg, neue in Donaueschingen und Saarbrücken – wie gesagt, etwas für jeden Geschmack. Klassik-Krise? Welche Krise?? Hier zum Schluss, eine Kostprobe aus dem neuen Klarinetten-Konzert von Christóbal Halffter: eine von sieben Uraufführungen in den vier Tagen des Saarbrücker Festivals "Musik im 21. Jahrhundert":