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Dialog statt religiöser Fanatismus

Moki Kindzeka / ac31. Dezember 2015

In Kamerun beten Christen und Moslems gemeinsam für den Frieden. Vor allem im Norden des Landes herrscht Angst vor der Islamistengruppe Boko Haram. Die Lebensbedingungen der Menschen verschlechtern sich.

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Kamerun Yaounde Metropolitan Cathedral
Bild: DW/M. Kindzeka

Yaoundé kurz vor dem Jahreswechsel: Ibrahima Toukour, Imam der Edoudi-Moschee, hat die Einladung der lutherischen Kirche Kameruns "zum gemeinsamen Gebet" gern angenommen: Als Moslem sei er in eine evangelische Kirche gekommen, um für alle Kameruner zu beten, "seien es Christen oder Muslime", sagt er im Gespräch mit der DW. Und dann zitiert er die Worte, die er kurz zuvor, während des gemeinsamen Gottesdienstes, gesprochen hat: "Allah, wir bitten dich um Frieden, Sicherheit und Stabilität für unser geliebtes Kamerun. Gib unserem Präsidenten Paul Biya sowie unserer Armee Kraft, damit sie die Terroristen von Boko Haram aus unserem Land vertreiben."

Ein paar Kilometer weiter, in der baptistischen Gemeinde Yaoundés, einer der ältesten Kirchen Kameruns: Auch hier beten Christen und Muslime gemeinsam für den Frieden und gegen Boko Haram. Nicht ohne Stolz erzählt Pastor Charlemagne Nditemen: "Christen und Muslime treffen sich regelmäßig in unserer Kirche und tauschen Geschenke aus. Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind für uns alle - ob Christen oder Moslems - ein Symbol der Liebe Gottes und des Humanismus."

Kamerun Yaounde Tsinga Moschee
Der Islam in Kamerun gilt als sehr gemäßigtBild: DW/M. Kindzeka

Kamerun - Musterland des interreligiösen Dialogs

Etwa 40 Prozent der Kameruner gehören christlichen Religionsgemeinschaften an. Weitere 40 Prozent sind Animisten. Etwa zwanzig Prozent sind Moslems. Religiöse Toleranz hat Tradition in Kamerun.

Seit Boko Haram vor drei Jahren damit begann, im Norden Kameruns Fuß zu fassen, lassen sich allerdings auch die Probleme zwischen den Religionsgruppen nicht mehr verschleiern: Es gab bewaffnete Angriffe, Selbstmordattentate und auch Forderungen nach einem islamistischen Staat in den mehrheitlich islamisch geprägten Grenzregionen zu Nigeria. Je mehr die Terrorgruppe im Nachbarland Nigeria unter Druck geriet, desto stärker hat sie ihren Radius nach Kamerun ausgedehnt.

Viele Kameruner plagt seitdem ein immer stärkeres Unsicherheitsgefühl. Im westlichen Nachbarland Nigeria lauere die Gefahr der Terrorgruppe Boko Haram. Und auch im östlichen Nachbarland Zentralafrikanische Republik gelte die Lage als äußerst instabil, sagt Pastor Charlemagne.

"In Kamerun leben die verschiedenen Religionen friedlich miteinander und so wird es auch bleiben", sagt Irene Nguinga, die vor einem Jahr aus der Zentralafrikanischen Republik nach Kamerun geflohen ist und seitdem in Yaoundé als Straßenverkäuferin arbeitet. Sie ist zuversichtlich, dass Kamerun es schafft, einen interreligiösen Konflikt abzuwenden.

Kamerun Muslime und Christen
Kamerun ist ein multireligiöses Land: circa 40 Prozent Christen, 40 Prozent Animisten, 20 Prozent MoslemsBild: DW/M. Kindzeka

Lebensbedingungen verschlechtern sich

Derweil verschlechtern sich die Lebensbedingungen der meisten Kameruner zusehends, vor allem in den Regionen des Nordens, an der Grenze zu Nigeria. Dort kam der Handel praktisch zum Erliegen, weil die Grenzen zum Nachbarland geschlossen wurden. Und das in einer Region, in der an die 80 Prozent der Grundnahrungsmittel traditionell aus Nigeria eingeführt wurden.

Die Wirtschaftsprobleme machen sich auch in der Hauptstadt Yaoundé bemerkbar: Im laufenden Jahr hätten sich die Preise für Grundnahrungsmittel um 30 Prozent erhöht, erzählt Marktfrau Kalbassou Anita. Das liege daran, dass viele Waren nicht mehr auf dem Landweg nach Kamerun gelangten: "Wegen der ständigen Angriffe von Boko Haram können viele Händler nur noch mit dem Flugzeug nach Nigeria reisen. Das verteuert die Waren in Kamerun beträchtlich", erzählt die Verkäuferin.

Schlechte Aussichten für 2016? In Kamerun will man sich den Optimismus nicht nehmen lassen. Auf den Hass und Terror der Islamisten antwortet man mit "interreligiösem Dialog". Über das gesamte Jahr 2016 verteilt wollen viele christliche Gemeinden weiterhin gemeinsame Gottesdienste mit islamische Nachbarn und Imamen feiern, verspricht Pastor Charlemagne von der baptistischen Gemeinde Yaoundé.