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Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus

Martin Muno2. August 2011

Krimis aus Skandinavien sind angesagt. In der Riege der Wallanders und Blomkvists mischt auch der finnische Kommissar Kimmo Joentaa mit – jetzt in einem neuen Fall. Der Clou: Der Autor ist Deutscher.

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Jan Costin Wagner lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Für mehrere Monate zieht es ihn aber nach Finnland, in die Heimat seiner Frau. Und dort spielen auch seine Kriminalromane. Doch Wagner sieht sich nicht in der Tradition der skandinavischen Autoren wie Henning Mankell oder Stieg Larsson. Sein Protagonist Kimmo Joentaa passe einfach besser in eine finnische Landschaft als in eine deutsche, sagt er. Jetzt erschien "Das Licht in einem dunklen Haus" – Joentaas vierter Fall.

Buchcover Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus ***Nur zur Rezension dieses Titels***

Diejenigen, die die vorigen Bände gelesen haben, wissen: Der Kriminalkommissar aus Turku ist ein melancholischer Mann, der dem Thema Tod völlig anders gegenübersteht, nachdem seine Frau in jungen Jahren starb. Bei jedem Mord wird ihm aufs Neue klar, welch großer Verlust der Tod eines nahestehenden Menschen bedeutet. Kimmo Joentaa ist zugleich ein mitfühlender Mensch, der sich um einen spielsüchtigen Kollegen kümmert. Und er hat ein kleines neues Glück gefunden – in Person einer rätselhaften Prostituierten, die vielleicht Larissa heißt, die tagsüber viel lacht, nachts oft weint und die immer wieder für einige Tage verschwindet. Wenn sie weg ist, lässt Joentaa das Licht im Haus brennen. Kehrt sie ins Haus zurück, wartet sie im Dunkeln auf ihn.

Mord an einer Komapatientin

Doch jetzt ist Larissa anscheinend endgültig verschwunden. Sie hat – anders als sonst – ihren Schlüssel dagelassen. Sie hat ihre Handynummer gewechselt. Und sie antwortet nicht auf die Mails, die Joentaa ihr schickt. Kein Wunder, dass Joentaa ziemlich unmotiviert an einen neuen Mordfall herangeht. Ein Unbekannter hat auf der Intensivstation des örtlichen Krankenhauses eine im Koma liegende Unbekannte umgebracht. Die einzige Spur, die die Ermittler fanden, waren Tränen auf dem Bett der namenlosen Toten. Ein Mörder, der weint?

Jan Costin Wagner Schriftsteller
Jan Costin WagnerBild: picture-alliance/ZB

Während die Polizei noch im Dunkeln tappt, weiß der Leser mehr: Er kennt die Tagebucheinträge, die ein Zwölfjähriger vor 25 Jahren verfasst hatte. Dort ist die Rede von der Klavierlehrerin Saara, die in dem Heranwachsenden irritierende Gefühle auslöst. Von ihrem Freund Risto und dessen Kumpanen. Und es ist die Rede von einem heißen Augusttag, der das Leben aller Beteiligten ändern wird.

Bald geschehen weitere Morde an verschiedenen Orten in Finnland. Nach der Lektüre weiterer Tagebucheinträge wird klar: Dieser Mörder hat eine Mission – und die will er gnadenlos erfüllen.

Mit seinem verwitweten Kommissar hat Wagner eine verletzliche, aber gerade deswegen auch starke Figur geschaffen. "Auf jeden Fall sind Sie der reflexivste Polizist, der mir begegnet ist", lässt der Autor eine seiner Figuren sagen.

Schuld und Sühne

"Das Licht in einem dunklen Haus" ist nicht nur ein meisterhaft komponierter, spannend erzählter Krimi. Er umkreist in fast dostojewskischer Manier die Komplexe Schuld, Sühne und Sehnsucht. In einem Interview sagte Jan Costin Wagner: "Was mich vor allem fesselt, ist die Frage, wie sich Menschen in extremen Situationen verhalten, wie sie diese Situationen bewältigen. Von diesem Grundgedanken ausgehend, möchte ich die Psyche, die Gefühle, die Handlungen von Menschen greifbar, erlebbar machen."

Fluss Aurajoki Turku
Wo Dunkelheit regiert, da gibt es auch Licht ...Bild: Turku

Das Frappierende an diesem Roman ist, dass es fast keine Figur gibt, die nicht in irgendeiner Weise seelisch beschädigt ist. Trauer und Traumata tauchen immer wieder auf. Dass ihre Existenz nüchtern und sachlich, fast schon lakonisch beschrieben wird, verstärkt bei der Lektüre das Gefühl, dass das Grauen Normalität geworden ist. Und dass der Grat zwischen bürgerlicher Normalität und dem alltäglichen Verbrechen ein sehr schmaler sein kann.

Doch wo Dunkelheit und Kälte regieren, da gibt es auch Licht und Wärme. Es sind bei Wagner oft die kleinen Gesten, oder beiläufig geäußerte nette Worte, die zeigen, dass Empathie die Kraft ist, die dem Verbrechen entgegengesetzt ist. Wir lernen aus "Das Licht in einem dunklen Haus" auch, dass manche Verbrechen aus Empathie begangen werden. Und dass Dunkelheit manchmal besser als Licht ist.


Jan Costin Wagner
Das Licht in einem dunklen Haus
Galiani 2011
ISBN 978-3-86971-016-7
EUR 19,99