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Ullrich kauft sich frei

14. April 2008

Mit der Zahlung eines sechsstelligen Euro-Betrages wurde das Verfahren gegen Jan Ullrich wegen Dopings eingestellt. Doch der Ruf des einstigen deutschen Radsport-Idols bleibt ruiniert.

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Portrait Jan Ullrich
2007 beendete Jan Ullrich seine Karriere. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.Bild: AP

Das Strafgeld an gemeinnützige Institutionen und die Staatskasse sowie die Herausgabe wertvoller Beweismittel sind der hohe Preis für die Einstellung des Verfahrens wegen "Täuschung und Betruges zum Nachteil seiner Arbeitgeber" Telekom/T-Mobile durch Doping. Damit gilt der 34-jährige Toursieger von 1997 als nicht vorbestraft, doch es kostet ihn Millionen, weil er auch auf eine "siebenstellige" Summe von seinem anderen Ex-Rennstall Coast verzichten musste.

Die genaue Höhe der jüngsten Strafzahlung wurde nicht genannt, Presseberichte im Vorfeld schwankten zwischen 250.000 und einer Million Euro. Auch die Kommentierung der Bonner Staatsanwaltschaft könnte kaum vernichtender sein: "Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Jan Ullrich hat gedopt. Sein einstmals herausragender Ruf als Sportler ist weitgehend geschädigt". Durch den Verlust seines Arbeitsplatzes, den finanziellen Einbußen und "ganz zu schweigen vom Imageverlust", sei Ullrich, nach den Worten des Staatsanwaltes "genug bestraft".

Die Behörden hatten beinahe zwei Jahre wegen Betrugs gegen Ullrich ermittelt. Der Tour de France Sieger von 1997 war am Tag vor der Frankreich-Rundfahrt 2006 durch T-Mobile von der Startliste genommen worden, nachdem er durch Dokumente der "Operacion Puerto" unter Verdacht geraten war, in den spanischen Dopingskandal verwickelt gewesen zu sein. Im April 2007 konnten beim Madrider Dopingarzt Eufemiano Fuentes beschlagnahmte Blutkonserven per DNA-Abgleich zweifelsfrei dem einstigen deutschen Radsport-Idol zugeordnet werden. Nach langem zögern hatte Ullrich das seit Februar vorliegende Angebot der Behörde akzeptiert.

Doping war an der Tagesordnung

Der Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel erklärt die Einigung vor allem damit, dass zu Ullrichs aktiver Zeit eine weithin verbreitete Doping-Mentalität vorherrschte: "Die Hemmschwelle zur Anwendung verbotener leistungssteigernder Mittel war herabgesetzt." Deshalb schien es fraglich, Ullrichs subjektive Meinung widerlegen zu können, nichts Unrechtes getan zu haben: "Dies konnte bei der Sachentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben." Hinzu kam, dass Ullrich nach langer Verweigerung letztlich der Freigabe der Unterlagen zustimmen musste, die im Herbst 2006 bei einer Razzia der Schweizer Polizei in seinem Haus in Scherzingen sichergestellt worden waren. Der Zugriff auf wichtige Beweismittel wie PC-Daten dürfte für weitere Doping-Ermittlungen "von erheblicher Bedeutung sein", ließ Apostel verlauten. Ullrichs Behauptung, "er habe niemanden betrogen", könne zwar "den strafrechtlichen Vorwurf nicht entkräften", doch sei die "kriminelle Energie des Beschuldigten letztlich als eher gering zu bewerten", hieß es in der Erklärung durch Oberstaatsanwalt Apostel, in der die Einstellung der Ermittlungen mitgeteilt wurde.

"Ich war immer ein fairer Sportler“

Die Zahlung sei kein Schuldeingeständnis, behauptete Ullrich auf seiner Homepage.Und auch in seiner vom Anwalt Marcus Hotze verbreiteten Stellungnahme benutzte Ullrich in 46 Zeilen nicht einmal das Wort "Doping“ und betonte: "Ein Geständnis konnte es auch deshalb nicht geben, weil es keinen Betrogenen gibt“. Seine Erfolge seien Ergebnis von harter Arbeit und der Leidenschaft für den Sport. Er wäre sehr stolz auf seine lange und erfolgreiche Karriere. Vor einem Gerichtsverfahren hätte er keine Angst gehabt - nur hätte ihn der Kampf bis zum Freispruch wesentlich mehr Geld gekostet. Die Einstellung des Verfahrens gäbe ihm nun die Möglichkeit, sich auf die Zukunft und neue berufliche Herausforderungen zu konzentrieren.

Ullrichs Justiz-Tour wird fortgesetzt

Doch eigentlich kann sich Ullrich nach der Einigung mit der Bonner Staatsanwaltschaft noch nicht zurücklehnen. Unabhängig von der Entscheidung, die Betrugs-Ermittlungen einzustellen, laufen weitere Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Doping-Verdacht gegen den 34-Jährigen. Ein Prozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht gegen den Molekular-Biologen Werner Franke wegen angeblicher Falschaussage des Wissenschaftlers ist weiter anhängig, ebenso ein Verfahren gegen Ullrichs früheren Team- Manager Günther Dahms, der mit Verweis auf dessen Doping-Praxis laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" eingefordertes Gehalt nicht zahlen will. Von der Staatsanwaltschaft Freiburg, die wegen der Machenschaften der Sportmedizinischen Abteilung der Uni-Klinik Freiburg ermittelt, droht Ullrich weiteres Ungemach. In seiner Schweizer Wahlheimat könnte zudem von «Swiss Cycling» die lebenslange Sperre für radsportliche Betätigungen ausgesprochen werden.(fs)