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Janet sei Dank!

Torsten Gellner19. Mai 2005

Nackte Haut kann für US-Sender teuer werden. Medienwächter fordern tiefere staatliche Eingriffe gegen den TV-Schmutz; die Medien wehren sich dagegen. Mitten drin: Zuschauer, die selbst nicht wissen, was sie wollen.

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Sender CBS: ein Vermögen für Janets entblößte BrustBild: dpa - Bildfunk

Wenn George W. Bush fernsieht, so sagte er kürzlich in einem Interview, dann meist moralisch Unbedenkliches -Baseball oder Football etwa. Doch die Zeiten, in denen man bei Sportübertragungen vor anstößigen Inhalten gefeit war, sind spätestens seit Janet Jacksons entblößtem Superbowl-Busen vorbei. Das so genannte Nippelgate provozierte nicht nur einen Aufschrei der Empörung. Schließlich saßen bei der Live-Übertragung des Superbowl-Finales 2004 auch Kinder vor der Glotze - und Erwachsene, die bei einem Sport-Spektakel alles erwarteten, vielleicht sogar Gewalt, nur keinen Sex.

Fast 500.000 Beschwerden veranlassten die Medienaufsichtsbehörde FCC, eine Rekordbuße von 500.000 Dollar gegen den verantwortlichen Sender CBS zu verhängen. Die staatlichen Medienwächter sind wahrlich nicht zimperlich, vor allem, seit die Republikaner wieder an der Macht sind. Zählte die FCC vor George W. Bushs Amtsantritt noch rund 100 Beschwerden im Jahr, wurde im Jahr 2004 die Millionengrenze überschritten.

Aufklärung für überforderte Eltern

"Ist das Fernsehen zu weit gegangen?", fragte das "Time-Magazine" im März 2005 und griff damit die so genannte Decency Debate auf, die Zuschauer, Produzenten und Politiker schon seit langem umtreibt. Nackte Leiber, fluchende Rockstars und spritzendes Blut - für viele US-Bürger und besorgte Eltern ist das "too much". Das Land unter Bush ist auf moralischer Mission und streitet darüber, wie dem medialen Sittenverfall zu begegnen sei, ohne das mindestens so wertvolle Gut Meinungsfreiheit zu gefährden.

Nun hat sich eine neue Koalition formiert, die um die Meinungsfreiheit bangt: TelevisionWatch heißt die Interessengruppe, die sich gegen die horrenden und inflationär verhängten Geldbußen wendet, die Fernsehmacher das fürchten lehren. Unter dem Motto Eigenverantwortung statt Bevormundung will die Interessengruppe den Befugnissen der Regierung Einhalt gebieten und stattdessen Aufklärung betreiben: Eltern sollen Tipps an die Hand bekommen, wie sie sich selbst und ihre Kinder vor unangemessenen TV-Programmen schützen können. Altersempfehlungen, Inhaltsangaben und der so genannte V-Chip, eine Kindersicherung im Fernsehgerät, sollen mündigen Sehern Schutz bieten. Ans Eingemachte, also an die Programminhalte selbst, will TV-Watch nicht ran.

Stolz verweist man auf eine Umfrage, die das eigene Anliegen stützt: "Eine überwältigende Mehrheit der Amerikaner lehnt es ab, der Regierung die Entscheidung zu überlassen, was sie sehen dürfen, selbst wenn sie nicht mit allen Sendungen einverstanden sind", heißt es auf der TelevisionWatch-Homepage.

Mit größter Sorgfalt gegen die verdammte Verrohung

Tatsächlich ist es unbestritten, dass sich die meisten Zuschauer gegen Eingriffe von Oben verwehren. Zugleich beklagt die Mehrheit aber auch den moralischen Verfall. Und nicht jeder zieht automatisch die gleichen Schlüsse wie TelevisionWatch.

Die konservative Interessengruppe "Parents Television Council" (PTC) gilt als besonders einflussreicher und pingeliger Medienwächter und beruft sich auf ganz ähnliche Zahlen. Die Politik, für die PTC steht, ist indessen eine andere. Kindersicherung und Eigenverantwortung gehen dieser Initiative nicht weit genug, stattdessen wird die Rückkehr zu moralisch einwandfreien Programmen gefordert, wie es etwa die auch in Deutschland erfolgreiche christliche Familienserie "Eine himmlische Familie" bietet.

Cast von "7th Heaven"
Die christliche Serie "7th Heaven": Moralisch einwandfreie UnterhaltungBild: Warner Bros.

Um die Dringlichkeit ihrer Mission zu dokumentieren, wird streng jeder Verstoß gegen die Sittlichkeit protokolliert. Im Büro des PTC sind fünf Mitarbeiter nur dazu da, das gesamte Prime-Time-Programm nach Anstößigem zu durchforsten - "Männer und Frauen mit stählernen Mägen", wie es auf der PTC-Homepage heißt. Jedes noch so kleine "damn" will dokumentiert sein, schließlich soll die PTC-Gemeinde regelmäßig per Newsletter über die jüngsten Auswüchse informiert werden. Außerdem will die Initiative mit dem Material Politiker, Sender und vor allem auch Unternehmen wachrütteln, damit diese nicht mehr im anrüchigen Programmumfeld werben.

PTC-Präsident L. Brent Bozell hält wenig von der TelevisionWatch-Initiative. Mit Blick auf die beteiligten Unternehmen, darunter die "American Conservative Union" und die "Americans for Tax Reform", die bislang noch nicht als große Medienkritiker in Erscheinung getreten sind, fragt Bozell: "Wenn diese Organisationen sich bislang nie an der Debatte über unanständiges Fernsehen beteiligt haben, woher rührt ihr plötzliches Engagement?" Er liefert die Antwort gleich selbst: Bei der Koalition handele es sich um eine PR-Gruppe. "Die beteiligten Unternehmen wurden einfach von den großen Networks engagiert, um deren schmutziges Geschäft zu machen."

Konkurrenten in seltener Eintracht

Die großen Networks, das sind die Sender CBS, Fox und NBC, das schmutzige Geschäft, das ist deren Schielen auf die Quote, die sich etwa mit sorgfältigen Verstößen gegen den guten Geschmack erreichen lässt. Tatsächlich hat TV-Watch inzwischen eingeräumt, dass die Koalition zu 100 Prozent von den jeweiligen Mutterkonzernen Viacom (CBS), News Corporation (Fox) und NBC-Universal finanziert wird.

Das ungewöhnliche PR-Bündnis unter ansonsten erbitterten Konkurrenten ist eine Reaktion auf ungemütliche Zukunftsaussichten. Denn schon gibt es Bestrebungen, die Befugnisse der unter George W. Bush regelrecht boomenden FCC auch auf den einträglichen Kabelsektor auszudehnen. Dieser ist für die staatlichen Medienwächter bislang noch tabu, da die Regierung nur über die Hoheitsrechte der Network-Sendefrequenzen verfügt. Ohne umfassende Programmänderungen wären weitere Geldbußen zwangsläufig die Folge.

Einzig ABC, das vierte große Network der USA, ist der Koalition bislang noch nicht beigetreten. Das familienfreundliche Kabelsegment der Senderfamilie, zu dem etwa der Disney Channel oder ein Sportkanal gehören, wäre auch kaum von Strafen durch die FCC betroffen.

Präsident George W. Bush beim Sport
Wenn er nicht gerade selbst spielt, guckt George W. Bush am liebsten Sport-TV. Doch das ist auch nicht mehr ohne...Bild: dpa

Es ist eine eigentümliche Situation. Die Mehrheit der Amerikaner gibt an, zuviel von den anstößigen Szenen im TV zu haben, plädiert aber für Selbstkontrolle. Unterdessen bringt die von TelevisionWatch zitierte Umfrage jedoch ans Licht, dass die wenigsten Zuschauer von ihrem Recht auf Um- oder Abschalten Gebrauch machen, wenn sie auf Obszönes stoßen: Langeweile ist der Zapp-Grund Nummer eins. Sie schützte auch Sportfan George W. Bush davor, von Janet Jacksons blankem Busen traumatisiert zu werden. Nach eigenem Bekunden sei er beim berüchtigten Superbowl-Finale schon vor der Pause eingenickt und habe so von dem schockierenden Zwischenfall gar nichts mitbekommen.