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Japan (Teil 2) - Ratlos in Tokio

Susanne Steffen6. März 2002

Die Arbeitslosenrate in Japan klettert von Rekord zu Rekord und viele Firmen stehen vor der Pleite. Doch die Regierung agiert seit Jahren konzeptionslos und verweigert sich grundlegenden Reformen.

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Immer mehr Japaner fürchten um ihren JobBild: AP

Die Regierung hat keine innovativen Lösungen für die Strukturprobleme des Arbeitsmarktes. Angesichts der in den letzten Monaten rapide gestiegenen Arbeitslosenzahlen wurden kürzlich per Nachtragshaushalt insgesamt 550 Milliarden Yen für ein Sofortprogramm zur Verfügung gestellt. Mehr als die Hälfte fließt in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des öffentlichen Sektors. Auch das löchrige soziale Netz soll künftig ausgebessert werden. Gegenwärtig zahlt die Arbeitslosenversicherung 90 bis 300 Tage lang zwischen 60 und 80 Prozent des letzten Monatsgehalts. Danach sind die Leute auf sich selbst angewiesen. Im Oktober wurde bereits ein Gesetz zur Abschaffung von Altersgrenzen bei Jobangeboten erlassen. Strafen gibt es allerdings keine und Experten sagen, das Gesetz werde in der Praxis weitgehend ignoriert.

Erfolglose Reformversuche

Zu Beginn seiner Amtszeit vor gut einem Jahr hatte Ministerpräsident Junichiro Koizumi sein schmerzhaftes Wirtschafts-Reformpaket mit der Ankündigung versüßt, in den kommenden fünf Jahren 5,3 Millionen Jobs – hauptsächlich im Dienstleistungs- und Informationstechnologiesektor - zu schaffen. Durch Strukturreformen und Deregulierung sollen neue Industrien und somit neue Jobs entstehen. Doch der Reformprozess kommt nicht in Gang, und Koizumis Versprechen wird schwer einzulösen sein.

Blick nach Europa

Momentan schwören Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften auf die in Europa teilweise recht erfolgreichen "work sharing-Programme" als Mittel gegen steigende Arbeitslosigkeit. Bei den im März anstehenden jährlichen Lohnverhandlungen wollen die Gewerkschaften auf Lohnerhöhungen verzichten, um Arbeitsplätze zu sichern. Grundsätzlich sind auch die Arbeitgeber bereit, Vollzeitjobs in mehrere Teilzeitjobs aufzusplitten, doch laut einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Nikkeiren wollen 85 Prozent seiner Mitglieder aus Angst vor sinkender Produktivität und somit sinkender internationaler Wettbewerbsfähigkeit "work sharing" im eigenen Haus nicht einführen.

Ein einfaches und schnelles Heilmittel sei aber auch das "work sharing" nicht, warnen Experten. Das rigide traditionelle Anstellungssystem müsse aufgebrochen werden, um "work sharing" erfolgreich zu machen und den Arbeitsmarkt wieder in Schwung zu bringen. Genau darin liege das Problem: Die Diskussion drehe sich nicht in erster Linie um die Schaffung neuer Jobs, sondern darum, die Jobs der langgedienten festangestellten "Firmensamurai" und damit das alte System zu sichern.