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Japanische Blütezeit in Washington

Stefan Biestmann, Washington30. März 2006

Einmal im Jahr wird Washington zum Wallfahrtsort. Zum Kirschblütenfestival reisen Japaner in Scharen an. Hoteliers und Veranstalter von Stadtrundfahrten reiben sich die Hände – und Dolmetscher werden verzweifelt gesucht.

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Rund eine Million Besucher aus dem In- und Ausland werden in diesem Jahr zum 16 Tage dauernden Fest erwartet. Im Mittelpunkt stehen die über 3700 Kirschbäume in der amerikanischen Hauptstadt, deren Blüten derzeit in rosa und weiß erstrahlen. Für die Japaner sind die Blüten ein Zeichen dafür, dass Schönheit und das Leben vergänglich sind. Als freundschaftliche Geste hat Japan im Jahr 1912 der amerikanischen Hauptstadt 3000 Kirschbäume geschenkt.

Nun strömen alljährlich gegen Ende März Besucher aus dem asiatischen Land nach Washington. Das japanische Fernsehen berichtet groß über das Festival und eine Universität verschiebt sogar extra seine Semesterferien. Flüge von Tokio nach Washington sind ausgelastet. Und ein günstiges Hotelzimmer im asiatisch geprägten Stadtbezirk "Chinatown" ist kaum noch zu bekommen.

Hindernislauf zu Kirschbäumen

Mit einer um den Hals baumelnden Kamera klappern die Japaner in Washington die Kirschbäume ab und machen Hunderte Fotos. Die Motive sind ähnlich – schließlich unterscheiden sich die einzelnen Bäume nicht gewaltig. Doch der Weg zu dem von Kirschbäumen umsäumten See südlich der Mall wird für einige Japaner zur Tortur und gleicht einem Hindernislauf.

Im Washingtoner Straßendschungel verlieren sie leicht den Durchblick und irren orientierungslos auf Kreuzungen umher. Auch die U-Bahn- oder Busfahrpläne geben einigen Japanern Rätsel auf. So steigen die Gäste voller Vorfreude in die erste ankommende U-Bahn ein, um dann in die falsche Richtung zu fahren. Den Irrtum bemerken einige leider erst, wenn sie schon die Stadtgrenzen Washingtons verlassen haben.

Japanische Dolmetscher als Wegbegleiter

Und den stets sehr freundlichen Besuchern aus Japan wird nicht immer weitergeholfen. Oft scheitert ein Gespräch mit amerikanischen Passanten an der Sprachbarriere. Kein Wunder also, dass Washington vor dem Kirschblütenfestival händeringend nach Dolmetschern für die asiatischen Gäste gesucht hat. Nun begleiten mindestens 40 japanische Übersetzer die Touristen auf ihrer Reise durch die amerikanische Hauptstadt.

Geboten bekommen die Besucher einen unvergesslichen Augenschmaus. Die Kirschblütenbäume nahe der Gedenkstätte des ehemaligen US-Präsidenten Thomas Jefferson lassen bei den Touristen Frühlingsgefühle aufkommen. Und auch das Rahmenprogramm zum Festival hat es in sich – vom Drachensteigen bis zu riesigen Feuerwerken.

Die Geschäftsleute in Washington wittern das große Geschäft. Souvenir-Stände haben länger geöffnet. In guten asiatischen Restaurants ist nur schwer ein Tisch zu ergattern. Die Veranstalter von Stadtrundfahrten haben ein strahlendes Lächeln im Gesicht – schließlich sind die asiatischen Touristen leicht zu einer Tour durch Washington zu überreden. Und die Japane lasse sich lieber von einem ortskundigen Busfahrer durch die Stadt kutschieren, als sich auf eigene Faust den Weg durch Washington zu bahnen.