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Jean-Claude Juncker: Geschickter und ehrlicher Vermittler in der EU

Klaus Dahmann 4. November 2005

Luxemburgs Regierungschef Juncker erhält den diesjährigen Walter-Hallstein-Preis. Mit dem Preis werden die internationale Rolle und die Leistungen europäischer Vordenker gewürdigt. Ein Porträt des Preisträgers.

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Keine Zeit umTheater zu spielen: Jean-Claude JunckerBild: AP

Als "Architekt der Wirtschafts- und Währungsunion", heißt es in der Begründung der Jury, habe Jean-Claude Juncker "den europäischen Einigungsprozess entscheidend vorangetrieben". Zum vierten Mal vergeben die Dresdner Bank, die Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität und die Stadt Frankfurt am Freitag (4.11.) den renommierten Walter-Hallstein-Preis, der mit 20.000 Euro dotiert ist.

"Ich mache es halt"

Ein strahlender Medienmensch ist der diesjährige Preisträger sicher nicht. Nein, er wirkt stets ein wenig mürrisch, nuschelt seine Sätze vor sich hin und spricht ziemlich nüchtern über seinen "Job". "Es macht mir nicht mehr Spaß als am ersten Tag, aber auch nicht weniger. Es ist ja keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung, Premierminister zu sein. Ich mache es, ich mache es gerne, manchmal auch weniger gerne, aber ich mache es halt." Seit zehn Jahren ist Juncker Regierungschef des rund 450.000 Einwohner zählenden Großherzogtums Luxemburg.

Es ist aber nicht nur diese nüchterne Art, die den Christdemokraten Juncker bei seinen Landsleuten so beliebt macht, sondern auch die Offenheit und Ehrlichkeit, die er zu seinem Markenzeichen gemacht hat. So zum Beispiel als er es im vergangenen Jahr ablehnte, den Posten des EU-Kommissionspräsidenten zu übernehmen - was sich die anderen Staats- und Regierungschefs gewünscht hätten -, und stattdessen lieber den Wähler in seiner Heimat treu bleiben wollte: "Man kann nicht am 13. Juni antreten, um Premierminister zu bleiben, und dann am 17. oder 18. Juni sagen: So, Leute, das war's , ihr habt mich zwar fleißig und schön gewählt, aber jetzt setze ich mich nach Europa ab. Das geht nicht, das entspricht nicht meinem Politikverständnis. Man darf die Leute nicht massiv belügen", sagte er damals.

Regierungschef mit Managermentalität

Juncker hat sich stets darum bemüht, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Politik zu machen: 1989 begann er als luxemburgischer Minister für Finanzen und Arbeit und wurde kurz darauf zum Gouverneur der Weltbank gewählt. In dieser Zeit werkelte er an den Maastrichter Verträgen und den darin enthaltenen Bestimmungen zur Währungsunion entscheidend mit. 1995 übernahm er das Amt des Regierungschefs und wurde gleichzeitig Gouverneur des Internationalen Währungsfonds.

Seitdem hatte er auch zwei Mal die Ratspräsidentschaft in der EU inne: 1997 hat er bereits demonstriert, dass man als Regierungschef eines kleinen Landes sehr wohl Erfolge erringen kann, wenn man nur geschickt genug zwischen den Großen vermittelt. Aus seinem Munde hört sich das wie ein Lehrsatz aus einem Manager-Handbuch an: "Man muss dem Anderen auch den Eindruck geben können, er hätte sich durchgesetzt. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man es mag, sich durchsetzen zu können. Also muss man anderen das Gefühl geben, sie hätten sich jetzt im Moment durchgesetzt. Ich glaube, so geht es."

Lämmchen und Kommunikationstiger

Allerdings musste Juncker während der zweiten Ratspräsidentschaft von Januar bis Juni dieses Jahres feststellen, dass man manchmal auch mit größtem Verhandlungsgeschick keinen Durchbruch schafft: In Sachen EU-Finanzen beharrten Frankreich, Deutschland und Großbritannien unversöhnlich auf ihren Positionen. Juncker versuchte es zunächst noch mit diskreter Pendeldiplomatie und wich den Fragen der Journalisten mit humoristischen Einlagen aus: "Ich werde ein regelrechter Kommunikationstiger werden, wenn wir diesen Pakt unter Dach und Fach haben. Bis dahin aber bin ich ein zahmes Lämmchen, wenn es um öffentliche Mitteilungen geht."

Aber auch beim Juni-Gipfel, bei dem es sowohl um den EU-Haushalt als auch um die Zukunft der Europäischen Verfassung ging, konnte der scheidende EU-Ratspräsident keinen Kompromiss erzielen. Vor der Presse ließ Juncker seiner Enttäuschung und seinem Frust freien Lauf: "Man wird hiernach sagen, Europa stecke in keiner Krise. Aber ich sage: Europa steckt in einer wirklich tiefen Krise!"

Freund der klaren Worte

Einen Kampf gegen die Krisenstimmung in Sachen EU musste Juncker auch im eigenen Land führen: Nachdem die Franzosen und Niederländer die Europäische Verfassung mehrheitlich abgelehnt hatten, legte der luxemburgische Premierminister bei der Volksabstimmung im Großherzogtum sein ganzes Gewicht in die Waagschale. Es beließ es nicht dabei zu betonen, dass der Verfassungsentwurf keinesfalls neu verhandelt werde, sondern drohte bei einem Nein auch mit dem Rücktritt. So ist ein Ja herausgekommen - ein für Europa zwar nur kleiner, aber für Juncker umso wichtigerer Erfolg. Die kleinen Seitenhiebe auf seine Amtskollegen in den übrigen EU-Ländern gibt er dennoch nicht auf: "Ich möchte für Europa und die Interessen der Bürger arbeiten. Ich habe keine Zeit, um Theater zu spielen."