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Jeder Sechste ist von Armut bedroht

3. November 2011

Armut bedroht einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung. Im Jahr 2009 waren rund 12,6 Millionen Menschen betroffen, das sind bundesweit 15,6 Prozent. Vor allem Arbeitslose und Alleinerziehende sind gefährdet.

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Eine Person wühlt in einem Abfallcontainer (Foto: Christa Eder/Fotolia)
Wie groß ist das Ausmaß der Armut wirklich?Bild: Fotolia/Christa Eder

Die Zahlen klingen drastisch: Fast jeder sechste Bundesbürger (15,6 Prozent) war 2009 nach offiziellen statistischen Kriterien von Armut bedroht, also rund 12,6 Millionen Menschen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gab am Donnerstag (03.11.2011) die Zahlen unter Verweis auf eine EU-weite Erhebung bekannt. Aber, die Armutsgefährdungsquote in Deutschland ist nicht sonderlich gestiegen, eher konstant - im Vergleich mit dem Vorjahr ist sie nahezu gleich, 2008 lag sie bei 15,5 Prozent, 2007 bei 15,2 Prozent.

Arbeitslos, Alleinerziehend, Single

Frauen und Kinder gehen Agentur für Arbeit vorbei (Foto: dpa)
Armutsrisiko ArbeitslosigkeitBild: Picture-Alliance/dpa

Nach der Definition der Statistiker gilt als "armutsgefährdet", wer im Jahr 2009 weniger als 940 Euro monatlich zur Verfügung hatte. Am meisten von Armut bedroht sind Arbeitslose: Im Jahr 2009 waren statistisch mehr als sieben von zehn Erwerbslosen armutsgefährdet - unter den Erwerbstätigen war es dagegen nur etwa jeder Vierzehnte. Nach Arbeitslosen waren Alleinerziehende und ihre Kinder die am stärksten betroffene Gruppe: 2009 galten 43 Prozent der Menschen in solchen Haushalten als armutsgefährdet. Betrachtet man alle Haushalte mit Kindern, betrug die Armutsgefährdungsquote 15 Prozent.

Risikogruppe Nummer drei sind die Singles: Drei von zehn allein lebenden Personen waren 2009 armutsgefährdet - bei Haushalten mit zwei Erwachsenen unter 65 Jahren war dies nur bei jedem Zehnten der Fall. Zudem sind Frauen häufiger betroffen als Männer und Jugendliche stärker als Ältere.

Versagen der Bundesregierung

In ersten Reaktionen auf die Zahlen kritisieren Sozialverbände die Bundesregierung für eine verfehlte Armutsbekämpfung, für sie ist die Statistik Beleg für eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von "einem neuerlichen Dokument tiefgreifender Verwerfungen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft". Den mehr als zwölf Millionen Armen stehe ein privates Geldvermögen von rund fünf Billionen Euro gegenüber. "Armutspolitik in Deutschland bleibt weitestgehend wirkungslos", kommentierte Gerd Häuser, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel.

Eine Hand hält ein Becher mit Kleingeld (Foto: AP)
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde - trotzdem sind viele Menschen von Armut bedrohtBild: AP

Auch Bundestagsabgeordnete von Grünen und Linken beklagten das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Die Grünen forderten von der Bundesregierung einen "Nationalen Aktionsplan gegen Armut" sowie einen gesetzlichen Mindestlohn und die Garantie eines bedarfssichernden Existenzminimums. Die Linkspartei warf der schwarz-gelben Regierungskoalition vor, Arme statt Armut zu bekämpfen und die Gesellschaft zu spalten.

Schützt Arbeit doch nicht mehr vor Armut?

Das Bundessozialministerium hingegen sieht die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland als leistungsfähig an: "Sie verringern das Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung um über ein Drittel und von Kindern um knapp die Hälfte." Arbeit sei der wichtigste Faktor zur Verhinderung von Armut. Im EU-Vergleich habe Deutschland ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko. In den Ergebnissen für 2009 spiegele sich allerdings die Wirtschafts- und Finanzkrise wider.

Die Daten des Statistischen Bundesamtes gehen aus der Erhebung "Leben in Europa 2010" hervor. Diese stellt nach Angaben des Bundesamtes die amtlichen Sozialindikatoren zu Armut und sozialer Ausgrenzung bereit und ermöglicht einen EU-weiten Vergleich. 2010 waren dafür gut 13.000 Haushalte mit rund 23.500 Menschen ab 16 Jahren befragt worden. Die Angaben wurden nach einem einheitlichen Schlüssel gewichtet.

Autorin: Pia Gram (dpa, afp, epd, kna)
Redaktion: Reinhard Kleber