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Jenseits von Europa

Sola Hülsewig25. Oktober 2008

Das Kölner Afrika-Film-Festival ist eines der größten Deutschlands. Zu Gast sind internationale Stars. Ob es weiter existieren kann, steht aber auf der Kippe: Es mangelt am Geld.

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Plakat des zehnten Kölner Afrika-Film-Festivals "Jenseits von Europa"
Das Filmfestival "Jenseits von Europa" fand erstmals 1992 statt

Der Kinosaal des Filmforum NRW hat über 250 Plätze, fast jeder ist besetzt. Das Publikum trägt Rastalocken, aber auch Rauschebart, Anzug oder roten Lippenstift. Die Gesichter sind gespannt auf die Leinwand gerichtet. Dort läuft der Eröffnungsfilm des 10. Kölner Afrika Film Festivals.

Stargast Emmanuel Jal

An der Bar im Foyer steht während dessen schon der Star des Abendprogramms: Emmanuel Jal, ehemaliger Kindersoldat im Sudan und mittlerweile einer der berühmtesten Rapper Afrikas. Jal ist lang und schlaksig, er lacht oft. Seine Augen unter den halb geschlossenen Lidern drücken aber Bestimmtheit aus. Jal ist einer der wichtigsten Botschafter seines Kontinents.

Rapper Emmanuel Jal (Foto: dpa)
Der sudanesische Rapper Emmanuel Jal ist einer der wichtigsten Botschafter AfrikasBild: picture-alliance/ZB

Für ihn sind die Filme Zeichen dafür, dass Afrika lernt, sich gegen die internationale Konkurrenz zu behaupten. "Dass mein Kontinent Filme macht, gibt mir Hoffnung", sagt Jal. Die Filmindustrie werde von den USA kontrolliert, gegen deren Präsenz auf dem internationalen Filmmarkt schwer anzukommen sei. "Selbst wenn du einen guten Film machst, drängen die dich ab", glaubt Jal.

Vom Kindersoldaten zum Rapper

Auch Emmanuel Jal ist hier, um einen Film zu präsentieren. "Warchild" ist der Film über seine außergewöhnliche Lebensgeschichte. Jal war Kindersoldat im Bürgerkrieg des Sudan. Als er sieben Jahre alt war, schickte sein Vater ihn in ein Trainingslager der christlichen Befreiungsarmee SPLA in Äthiopien. Die SPLA ist eine Rebellengruppe des christlich geprägten Südens des Sudans. Jahrelang kämpfte die SPLA erbittert gegen die muslimische Regierung des Landes.

CD-Cover War Child
Die CD zum Film: War Child

Originalaufnahmen zeigen Emmanuel als kleinen Jungen neben seinem Gewehr, das fast eben so groß ist wie er selbst. Zusammen mit 400 Kindern floh Emmanuel aus dem Kriegsgebiet. Nur 12 Kinder kamen lebend an. Emmanuel hatte Glück und wurde von Emma McCune adoptiert, der Mitarbeiterin einer englischen Nichtregierungs-Organisation. Sie ermöglichte Emmanuel, in die Schule zu gehen.

Bewusstsein schaffen

Bald kam der nächste Schlag in Jals Leben: Seine Retterin starb wenige Jahre später bei einem Autounfall. Emmanuel Jal konnte sich trotzdem durchschlagen. Er ist mittlerweile als Musiker international erfolgreich. Zum 90. Geburtstag von Nelson Mandela spielte er im Londoner Hyde Park vor 50 000 Menschen. Mit seiner Musik und dem Film setzt sich Jal für Frieden ein. "Ich will meine Erfahrungen mit der Welt teilen, um mehr Bewusstsein zu schaffen", sagt Jal.

Mehr als 40 Filme

Emmanuel Jals Geschichte bildet den Auftakt für über 40 Filme, die auf dem Festival "Jenseits von Europa" laufen. Zu vielen Vorführungen sind die afrikanischen Filmemacher anwesend, um mit dem Publikum zu diskutieren. Daneben gibt es Konzerte afrikanischer Musiker. Dieses Jahr ist das Festival besonders groß, es feiert sein 10-jähriges Bestehen. Gleichzeitig wird FilmInitiativ Köln 20 Jahre alt, der Verein veranstaltet das Festival.

Politischer als jedes andere Kino

Der Journalist Karl Rössel ist einer der Hauptorganisatoren. Er beschäftigt sich seit den 70er Jahren intensiv mit Afrika und setzt sich für neue Sichtweisen ein: "Ich habe das Gefühl, dass das Bild, das hierzulande von Afrika präsentiert wird oft oberflächlich und schief ist." Europäische Medienberichte wären meistens nur an Sensationen interessiert, ohne sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. Filme, die von Afrikanern gemacht werden, hätten oft eine andere Perspektive und würden für Probleme wie Kriege, Korruption und Unterdrückung auch Lösungsvorschläge anbieten. "Das afrikanische Kino ist extrem engagiert und, wie ich finde, politischer als das Kino irgend eines anderen Kontinents", sagt Rössel.

Festival auf der Kippe

Beim Publikum kommt das Festival gut an. Sahen sich vor zehn Jahren noch ein paar hundert Besucher die Filme an, sind es mittlerweile ein paar tausend, so Rössel. Trotzdem steht das Festival auf der Kippe: Es mangelt am Geld. Fast alle Mitarbeiter von FilmInitiativ Köln arbeiten ehrenamtlich. "Wir hangeln uns von einem Projektantrag zu nächsten", klagt Rössel. Anderthalb Jahre lang haben er und seine Kollegen das Festival vorbereitet – in ihrer Freizeit. "Das geht einfach nicht mehr", sagt Rössel.

Letzter Rettungsversuch

100.000 Euro standen FilmInitiativ Köln dieses Jahr zur Verfügung – Geld von Bund und Land. Lächerlich wenig, sagt Rössel: 25 internationale Gästen wollen untergebracht werden und erhalten ein Honorar. Die Miete für einen Film koste außerdem schon 500 Euro.

Um das Festival zu retten, haben Rössel und seine Kollegen Einladungen verschickt: An Politiker aus Stadt, Land und Bund, an Kulturausschüsse und Stiftungen. Die Vertreter sollen sich die Veranstaltungen ansehen und dann entscheiden, ob sie das Projekt unterstützen wollen. Wenn nicht, wird das Festival deutlich schrumpfen - und viele neue afrikanische Produktionen bleiben, wenn nicht jenseits Europa, so doch jenseits Deutschland.