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"Jetzt geht es um Saddam oder nichts"

zusammengestellt von Klaudia Prevezanos20. März 2003

Die internationale Presse kommentiert am Donnerstag (20.3.2003) den Beginn des Krieges gegen den Irak und die Zeit danach. Die Rolle der USA und ihrer Verbündeten wird sehr unterschiedlich bewertet.

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Zum Kriegsbeginn gegen den Irak schreibt die "New York Times" in ihrer Onlineausgabe vom Donnerstag: "Viele Amerikaner erinnern sich zu lebhaft an den Golfkrieg 1991, und die Versuchung wird sein, diesen (neuen) Krieg vor dessen Hintergrund zu sehen. Das Gelände ist gleich, aber alles andere hat sich verändert. (...) Jetzt geht es um Saddam oder nichts. Es gibt kein Gefühl für eine internationale Koalition, für einen Einsatz, der ungleiche Nationen zusammenbindet. Dieser Einsatz hat die Welt entfesselt. (...) Von allen Gründen für diesen Einsatz ist der unausgesprochene, tiefste und aussichtsloseste, den 11. September in unseren Herzen auszulöschen."

Die britische "Financial Times" macht sich bereits Gedanken über die Zeit nach dem Krieg: "Der am meisten im Dunkeln liegende Teil der amerikanischen Überlegungen zum Irak ist, was geschieht, wenn Saddam Husseins Regime gestürzt sein wird. Präsident George W. Bushs Bemerkung Ende des vergangenen Monates - 'Wir werden solange wie nötig im Irak bleiben und nicht einen Tag länger' - ist die verschlüsselte Art zu sagen: ' Wir wissen wirklich nicht, wie lange wir im Irak bleiben, weil wir nicht ganz sicher sind, was wir dort vorfinden werden.' (...) Doppeldeutigkeit kann von Nutzen sein, aber die Zeit dafür ist vorbei. Washington muss jetzt Klarheit über seine Ziele für die Zeit nach dem Krieg schaffen - und dies müssen seine zukünftigen Partner für den Wiederaufbau auch verlangen."

Hoffen auf baldiges Ende

Die ebenfalls in London erscheinende "Times" schreibt: "Nun, nachdem der Krieg begonnen hat, muss jeder normale Mensch hoffen, dass er nach wenigen Wochen, wenn nicht Tagen enden wird - mit der bedingungslosen Kapitulation Bagdads und der Gefangennahme oder dem Tod von Präsident Saddam Hussein. Glücklicherweise ist ein solcher Ausgang sehr wahrscheinlich. (...) Irakische Zivilisten werden unweigerlich in den kommenden Wochen getötet werden; aber diese Toten werden zahlenmäßig weit übertroffen von den Zehntausenden, die während des Terrorregimes Saddams hingemetzelt wurden."

Die russische Tageszeitung "Kommersant" kritisiert die Staaten, der von den USA aufgebauten "Koalition der Willigen" für den Krieg gegen den Irak: "So sieht also die 'breite anti-irakische Koalition' aus. Gleich hinter den USA und Großbritannien laufen Afghanistan und Albanien, Äthiopien und Eritrea, El Salvador und Mazedonien, Estland, Lettland und Litauen mit. Dieser Gruppe ist Krieg oder Frieden egal, sie blickt nur auf die Weltführerschaft der Mächtigen und Reichen. Ihre Logik ist: Warum sollte nur die Supermacht am Irak verdienen? Auch für die Galerie soll etwas abfallen. So wurde eine 'Koalition der toten Seelen' geboren von billigen Verbündeten, die sich für die Propaganda des amerikanischen Vorgehens im Irak hergeben."

Irakisches Verhalten kriegsentscheidend

Die italienische Tageszeitung "Il Messaggero" schreibt zum Kriegsbeginn: "Die Würfel sind gefallen. Jetzt müssen die Soldaten in der Wüste mit Waffen und Blut die internationale diplomatische Niederlage der USA ins Gegenteil verkehren. Wo die Argumente nicht ausreichen, geben die Stärkeren der menschlichen Versuchung nach, Gewalt anzuwenden. Dies ist aber nur eine Illusion der Machtpolitik. Die Diktatoren flüchten nicht im Morgengrauen, weil sie von feindlichen Panzern oder Bomben bedroht werden. Sie geben nur nach, wenn sie vom Hass und dem Widerstand der Bürger, die sie ohne ihre Zustimmung regiert haben, verjagt werden. Es ist nicht der militärische Konflikt, der in den kommenden Tagen das Schicksal dieses Krieges bestimmen wird, sondern das Verhalten der Iraker."

Die spanische Tageszeitung "El Pais" hat diese Einschätzung: "Bevor noch das erste Projektil sein Ziel traf, hat dieser Krieg, der unter geradezu absurder Missachtung der weltweiten öffentlichen Meinung begonnen wurde, ein wichtiges "Kollateral-Opfer" verursacht: US-Präsident Bush hat das Konzept der Eindämmung von Feinden, das in fast über 50 Jahre Kalten Krieges annehmbare Dienste geleistet hatte, endgültig beerdigt. An dessen Stelle erlebt im Irak die Ära der Präventivkriege ihre Premiere. Es ist eine
gefährliche Strategie für eine Supermacht, der das jahrzehntelang gewohnte Korsett geopolitischer und militärischer Gewohnheiten zu eng geworden ist. Da am Horizont schon neue Konflikte aufziehen, wird es sich bald zeigen, ob der Irak nur ein Einzelfall ist, oder ob dies, wie selbst einige der Verbündeten Washingtons befürchten, nur der Auftakt ist zu neuen militärischen Ambitionen der Vereinigten Staaten, um die Welt nach ihrem Muster zu schneidern."