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Jetzt kommen die Mühen des Tals

10. Juni 2003

- Polen machen Weg für EU-Beitritt frei / Von Hubert Wohlan

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Köln, 9.6.2003, DW-radio / Polnisch

Die Polen haben im Referendum über den EU-Beitritt ihres Landes ein klares Votum zur EU-Integration abgegeben. Damit ist die jahrzehntelang erzwungene Trennung von Europa endgültig überwunden. In der feierlichen Stunde weiß man aber, es gibt noch genug zu tun, um die Risse zu überwinden, die die polnische Gesellschaft spalten.

Es ist vollbracht. Mit etwa 80 Prozent der Ja-Stimmen haben die Polen ein überzeugendes Ergebnis hingelegt. Der Ausgang des Referendums, der im In- und Ausland mit Spannung erwartet wurde, beweist, dass die Polen politisch reifer geworden sind und dass die in westeuropäischen Machtzentralen hin und wieder geäußerte Angst vor unberechenbaren Polen unbegründet ist. Für die EU-Europäer eine beruhigende Botschaft.

Die Wahlbeteiligung lag unter 60 Prozent, was den einen oder anderen im Westen Europas vielleicht stören mag. Doch nach polnischen Standards war sie ungewöhnlich hoch. Bei den letzten Präsidentschafts- bzw. Parlamentswahlen lag die Wahlbeteiligung in Polen ständig unter 50 Prozent. In diesem Fall wäre das Ergebnis des Referendums ungültig gewesen und die Parlamentarier hätten über den Beitritt entscheiden müssen. Das wäre einer Blamage gleich gekommen. Dies erklärt, warum das politische Warschau das Ergebnis mit viel Pathos feiert.

Das Ergebnis vom Sonntag (8.6.) zeigt erneut den Riss, der Polen geographisch teilt: Die Bürger der westlichen Teile des Landes möchten schnell der EU angehören, im Osten dagegen sind die Bedenken nach wie vor groß.

Nach Auszählung der Stimmen haben etwa 3,8 Millionen Polen den EU-Beitritt abgelehnt, und dies trotz einer unmissverständlichen Botschaft des Papstes, Johannes Paul II., der Mitte Mai die Polen aufgefordert hatte, für den Beitritt zu stimmen. Doch die fundamentalistischen polnischen Katholiken haben sich nicht vom päpstlichen Rat überzeugen lassen. Oder vielleicht doch? Die Schar der EU-Gegner wäre wahrscheinlich noch größer, wenn der Papst nicht interveniert hätte.

Ein durchschnittlicher polnischer EU-Gegner ist über 40, hat entweder keinen oder nur einen Hauptschulabschluss, lebt auf dem Lande, hat drei Kinder, ist katholisch und schenkt dem säkularen Europa kein großes Vertrauen.

Der polnische EU-Enthusiast ist viel jünger, hat eine bessere Ausbildung, lebt meistens in einer Stadt und trotz seines katholischen Glaubens sieht er in dem EU-Beitritt eine zivilisatorische Chance für sein Land.

Es wird wahrscheinlich Jahrzehnte dauern, bis diese Differenzen verschwunden sind. Die Politik ist gefordert. Es reicht nicht aus, wenn man vor dem Referendum in Aktionismus flüchtet, um der drohenden Niederlage zu entkommen. Man braucht eine solide Europa-Politik. Der Staatspräsident Aleksander Kwasniewski hat das bereits erkannt. Nicht das "Erklimmen der Gipfel, sondern die Mühen des Tals" hat er von der Regierung im Bezug auf Europa gefordert. Das lässt hoffen. (fp)