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Löw: "Wir sind auch Visionäre"

Kamilla Jarzina
12. November 2017

Bundestrainer Löw will 2018 mit dem deutschen Nationalteam erneut Weltmeister werden. Dafür müsse er sich manchmal verrückte Dinge überlegen, um dem Gegner einen Schritt voraus zu sein, sagte er der DW.

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Joachim Löw
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Herr Löw, wie werden Sie 2018 nochmal Weltmeister?

DW: Ich möchte sehr gerne mit der Zukunft beginnen.

Joachim Löw: Mit der Zukunft? Dann muss ich leider wieder gehen, denn ich bin kein Hellseher.

Vielleicht können wir ja ein bisschen träumen und philosophieren. Es soll ein bisschen darum gehen, wie kann man es schaffen noch einmal Weltmeister zu werden. Ich habe allerdings gleich zu Beginn eine schlechte Neuigkeit für Sie. Sie werden wahrscheinlich 2018 nicht Weltmeister. Das hat nämlich bisher nur ein Mensch geschafft und das ist schon fast hundert Jahre her. Vielleicht können Sie mir erklären: Was ist so schwer daran noch einmal Weltmeister zu werden?

Das allerhöchste Niveau zu halten, das bedarf einer ungeheuren Anstrengung, einer Konzentration und vor allem, darf man auch niemals nachlassen. Wenn man viele Erfolge feiert, dann ist es auch menschlich, dass man manchmal ein bisschen gesättigt ist. Man verliert vielleicht auch den Hunger und das bedeutet, dass andere, die noch ehrgeiziger sind, einen vom Sockel stoßen. Deswegen ist die schwierigste Aufgabe, sich immer auf diesem hohen Niveau zu bewegen, ohne abzufallen.

Was können sie tun, damit alle ganz oben mitspielen? Was ist jetzt ihre Aufgabe?

"Wollen immer irgendwie Trendsetter sein"

Meine Aufgabe ist mich der jeweiligen Situation anzupassen. Mich eben auch darüber zu informieren, wo der Fußball hingeht, was es für Entwicklungen gibt. Wir wollen immer irgendwie Trendsetter sein, wir wollen anderen Teams ein bisschen voraus sein. Deswegen schauen wir in die Zukunft. Wir sind auch so ein bisschen Visionäre und überlegen uns manchmal völlig verrückte Dinge, auch wenn sie noch so absurd erscheinen. Trotzdem wollen wir sie irgendwann einmal versuchen. Auf der anderen Seite wollen wir die Spannung auch immer wieder hochhalten und einen gewissen Konkurrenzkampf herstellen, weil das ist am Ende das, was vielleicht die paar Prozentpunkte ausmacht.

Vergleichen wir jetzt mal die WM 2014 in Brasilien und die kommende. Was sind für Sie die größten Unterschiede?

Zum einen sind die Temperaturen wahrscheinlich ein bisschen unterschiedlich. Brasilien war sehr heiß, die Anstoßzeiten sind auch andere. In Brasilien haben wir häufig mittags gespielt. In Brasilien waren wir von Beginn an nicht so im Fokus, weil es hieß noch nie hat ein Europäer auf südamerikanischen Boden einen Titel gewonnen. Der ganze Fokus war auf Brasilien und alle wollten irgendwie, dass Brasilien ins Finale kommt. Wir sind so ein bisschen als Favorit mit gelaufen. In Russland sind wir wahrscheinlich - es lässt sich nicht vermeiden - der Favorit bei diesem Turnier. Weltmeister, Confed Cup-Sieger, wir haben eine gute Qualifikation gespielt. Der Druck ist immer vorhanden und ich glaube, dass sich der Druck  in Russland auf unsere Mannschaft noch einmal ein bisschen erhöht.

DFB-Bundestrainer Joachim Löw
Weltmeister-Trainer Joachim Löw will den Titel 2018 noch einmal gewinnen. Bild: picture-alliance /GES/M. Ibo

Ist Erfolg planbar?

Bis zu einem gewissen Maß auf jeden Fall. Ohne Planung wird es keinen Erfolg geben. Am Ende gibt es vielleicht auch mal eine Situation, wo das Glück und  äußere Einflüsse eine Rolle spielen. Aber mit einem Plan, mit klarem Ziel vor Augen und mit Konsequenz kann man schon relativ weit kommen.

"Ich hab ein gutes Team, dass mich in jeder Beziehung gut unterstützt"

Was genau fordern Sie von ihrem gesamten Team und ich meine jetzt nicht nur den Kader. Was fordern Sie, damit das gesamte Projekt 2018 gelingt und sie noch einmal Weltmeister werden?

Das kann man eigentlich mit einem Satz ausdrücken, auch wenn es vielleicht abgedroschen oder banal klingt: Jeder hat sich zu hundert Prozent auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Letzte Frage: Ich möchte gerne wissen was ihre Rolle ist. Was ist der Bundestrainer? Sind Sie Handwerker? Sind Sie Künstler? Sind Sie manchmal auch Vater?

Die Rolle des Trainers ist natürlich vielschichtig. Wir haben viele Aufgaben. Auf der einen Seite Visionär zu sein, eigentlich immer ein bisschen in die Zukunft zu gucken, wie soll sich die Mannschaft entwickeln, wo soll sie irgendwann bei einem Turnier spielen? Natürlich muss man auch ein Ansprechpartner für die Spieler sein, da spielt soziale Kompetenz auch eine wichtige Rolle. Ich bin ja irgendwie derjenige, der die Mannschaft führen soll, also brauche ich auch eine gewisse Beziehung zu meinen Leuten. Auf der anderen Seite bin ich Öffentlichkeitsarbeiter, ich muss die Mannschaft und das Sportliche natürlich auch nach Außen hin vertreten. Vielschichtig und vielseitig. Gott sei Dank hab' ich ein gutes Team, dass mich in jeder Beziehung gut unterstützt.

Joachim Löw, geboren 1960, ist seit 2006 deutscher Bundestrainer. Er führte die DFB-Elf 2014 in Brasilien zum WM-Titel. Dazu stand er im Finale der Europameisterschaft 2008. Löw ist gemessen an den erspielten Punkten der erfolgreichste Bundestrainer der DFB-Geschichte. Als Vereinstrainer war er unter anderem beim VfB Stuttgart, Fenerbahce Istanbul und dem FC Tirol Innsbruck tätig, bevor der damalige DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann ihn 2004 zu seinem Assistenten machte. Als Spieler war Löw in den 1980er-Jahren hauptsächlich für den SC Freiburg in der 2. Bundesliga aktiv. Mit insgesamt 83 Treffern ist der frühere Stürmer immer noch Rekordtorschütze der Freiburger.

Das Interview führte Kamilla Jarzina.