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Jogi Löw hat alles richtig gemacht

2. Juni 2010

Fußball-Bundestrainer Joachim Löw hat sein endgültiges WM-Aufgebot nominiert. Und für Olaf Thon, den WM-Experten der Deutschen Welle, hat er angesichts der vielen Ausfälle die richtige Wahl getroffen.

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Olaf Thon
DW-WM-Experte Olaf ThonBild: Olaf Thon

DW-WORLD.DE: Olaf Thon, als es für Bundestrainer Joachim Löw jetzt zur Entscheidung über das endgültige Aufgebot kam, musste er gar nicht mehr viele Entscheidungen treffen.Verletzungen hatten sie ihm abgenommen. Er hat Andreas Beck gestrichen. Überrascht?

OLAF THON: Ich war schon ein wenig überrascht, wobei – auf der anderen Seite ist er der Spieler mit dem geringsten Widerstand. Also war es einfach für den Bundestrainer, ihn nicht zu nominieren, obwohl es ihm schwergefallen ist. Das ist auch eine menschliche Sache, wo man eine Verpflichtung seinen Spielern gegenüber hat und deswegen kann ich auch verstehen, dass er da bis zur letzten Minute gewartet hat und das war genau richtig. Man hat gesehen, es haben sich ja noch zwei Spieler verletzt und von daher hat Jogi Löw alles richtig gemacht.

Aus ihrer eigenen Erfahrung heraus - was ist eigentlich schlimmer. Wenn man wie Westermann kurz vorher verletzt ausfällt oder wenn man gestrichen wird?

Philipp Lahm (Foto: dpa)
Der neue Kapitän - Philipp LahmBild: dpa

Ja, ich habe beides miterlebt. Und ich muss sagen, beides ist gleich schlimm. Einmal 1986 war ich bei der WM und wollte eingesetzt werden, dann stand ich auch kurz davor und hab mich dann verletzt. Ein paar Stunden vorher. Das ist bitter. Auch eine Enttäuschung, wenn man dann nur 23. Mann ist. Das ist auch eine Typfrage, wie jeder damit umgeht. Aber ich glaube, er hat damit gerechnet, weil er ein Spieler ist, der von einigen ersetzt werden kann auf der rechten Seite als Verteidiger, ob es Friedrich ist, ob es Lahm ist, da gibt es einige, die dort spielen können. Und deswegen ist er auch zurecht zuhause geblieben.

Die Reihenfolge im Tor war ja schon vorher festgelegt worden. Jetzt hat Wiese angefangen, sich zu beschweren. Sehen sie da ein Gefahrenpotential?

Ach, ich finde es ganz gut, wenn es so ein bisschen Druck intern gibt. Ein Aufbegehren darüber, dass man unzufrieden ist. Das erhöht die Spannung, die Stimmung. Und dann ist es auch ganz wichtig, dass der neue Kapitän mit seinem Co-Kapitän Schweinsteiger die Fäden in die Hand nimmt und versucht, intern so kleine Streitigkeiten zu bereinigen. Das sind so die ersten Dinge, wofür ein Kapitän außerhalb des Platzes auch da ist.

Und das trauen sie Philipp Lahm mit seinen – sagen wir mal – "erst" 26 Jahren auch zu?

Bremens Per Mertesacker im Zweikampf (Foto: AP)
So energisch wird Abwehrchef Per Mertesacker (l.) auch in Südafrika gebrauchtBild: AP

Ja, das traue ich ihm wirklich zu, weil er bei Bayern auch Verantwortung in kritischen Situationen übernommen hat. Also von daher, mit der Unterstützung von Sebastian Schweinsteiger, denke ich, wird das kein Problem sein. Und dann natürlich Mertesacker, der auch in die Pflicht genommen werden muss. Vielleicht kommt es auch dazu, dass dadurch, um eine Achse zu haben von erfahrenen Spielern, dass Miroslav Klose auch in der Startelf spielen wird. Deswegen hätte man da schon eine erfahrene Achse.

Sie haben Per Mertesacker erwähnt. Das ist für sie also keine Frage, dass er der Abwehrchef ist?

Nein, das ist klar. Er ist gesetzt. Die Frage ist nur, wer neben ihm spielen kann. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Im Moment sieht es so aus, dass es Friedrich ist. Obwohl er mit Hertha abgestiegen ist, macht er doch einen sehr guten und frischen Eindruck. Sehr zweikampfstark und das ist im Moment auch mein Mann, den ich neben Mertesacker aufstellen würde. Schade ist natürlich, dass der Schalker Heiko Westermann nicht dabei ist, denn er wäre auch ein Mann gewesen, der im defensiven Mittelfeld hätte aushelfen können, für die Ballack-Verletzung und auch in der Innenverteidigung. Also ein sehr variabler Spieler ist auch weggebrochen.

Also im Mittelfeld muss auf Ballack verzichtet werden. Wer kann jetzt aus ihrer Sicht in erster Linie diese Position neben Schweinsteiger am besten ausfüllen?

Sami Khedira (l.) im Zweikampf (Foto: AP)
Aus dem U-21-Spieler Sami Khedira soll nun ein Führungsspieler bei den Großen werdenBild: AP

Ja, ich glaube am besten passt Sami Khedira zu Schweinsteiger, die sich schon gegen Ungarn da immer wieder mal abgewechselt haben. Da muss natürlich das Spielverständnis jetzt noch geschliffen werden. Das trau ich aber beiden zu. Die sind beide sehr fußballbesessen und sehr intelligent – fußball-intelligent und von daher sehe ich da überhaupt keine Probleme. Aber, das ist eine Schwächung, dass diese beiden Spieler Westermann und gerade der Kapitän Ballack im Mittelfeld, der Kopfleader des Teams, nicht dabei ist. Und ob die Beiden das auffangen können, schwer zu sagen. Auf jeden Fall sind wir dadurch geschwächt.

Wir haben in den letzten Tagen auch immer wieder gehört, dass Miro Klose ein wesentlich besseres Standing in der Mannschaft hat, als es seine Form vermuten lässt. Welche Chancen hat ein Spieler wie Cacau, der zuletzt immer wieder positiv aufgefallen ist?

Cacau ist in der Form seines Lebens. Ich bin mal gespannt, wo er hingehen wird. Es wird ja gemunkelt, dass er nach Schalke gehen soll. Aber was er macht, hat Hand und Fuß. Jede Aktion ist durchdacht und wird mit Toren dann auch belohnt. So ist er auch mein Aussenseiter-Tipp im Sturm mit Klose, mit Kiessling, mit Gomez. Also man kann fast würfeln. Wenn man mit zwei Spitzen spielt, wovon ich in der Vorrunde ausgehe, um Druck zu entwickeln gegen schwächere Gegner, dann ist er sicherlich eine Alternative, wenn nicht von Anfang an, dann als Ersatzspieler.

Olaf Thon, zum Schluss muss natürlich die Frage kommen. Mit dieser sehr jungen und auch ziemlich unerfahrenen Mannschaft. Wie weit kann Deutschland da kommen?

Miroslav Klose (Foto: AP)
Trotz Torflaute wichtig für das Team - Miro KloseBild: AP

Ja, nicht so einfach. Das hängt wirklich davon ab, wie sie sich zusammenraufen, denn durch die Ausfälle sind sie geschwächt. Aber das führt oft dazu, dass eine Mannschaft zusammenhalten muss und so eine richtige verschworene Gemeinschaft wird. Das habe ich auch schon sehr oft mitgemacht. Und das kann Kräfte freisetzen. Weil, Fußball spielen können die alle und ich traue der deutschen Mannschaft mindestens das Viertelfinale zu und dann ist es sowieso Glücksache. Manchmal ist es Pfosten, Latte und Elfmeter-Schießen und da sind bekanntlich die Deutschen ganz stark.

Die Fragen stellte Wolfgang van Kann
Redaktion: Arnulf Boettcher