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Johnson: „Wichtiges Signal für die Zivilbevölkerung“

Friederike Müller12. April 2013

Die Demokratische Republik Kongo zieht Konsequenzen aus den Massenvergewaltigungen im Osten des Landes und suspendiert zwölf Offiziere. Kongo-Experte Dominic Johnson hält weitere Schritte für notwendig.

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A displaced Congolese woman and her young child stand in a crowd of people waiting for humanitarian aid in a camp for the internally displaced in Mugunga, 8km west of Goma in the east of the Democratic Republic of the Congo on November 24, 2012. Tens of thousands of people are displaced in Mugunga alone following fighting between the government army and M23 rebels, who took Goma on Tuesday. AFP PHOTO/PHIL MOORE (Photo credit should read PHIL MOORE/AFP/Getty Images)
Kongo FrauenBild: Phil Moore/AFP/Getty Images

DW: Die UN-Friedensmission im Kongo hat die Suspendierung der Offiziere als "Zeichen des Engagements" der Behörden bezeichnet. Ist das Ihrer Meinung nach wirkliches Engagement oder nur ein symbolischer Akt?

Dominic Johnson: Zunächst einmal wird hier internationalem Druck nachgegeben. Die UNO hatte Ende März der kongolesischen Armee eine Woche Zeit gegeben, um Verantwortliche für Massenvergewaltigungen zu bestrafen. Ansonsten müsse sie damit rechnen, dass die UNO nicht mehr mit den betroffenen Armeeeinheiten zusammenarbeitet. Dieses Ultimatum ist schon längst verstrichen. Was Kongos Armeeführung jetzt getan hat, ist ein minimaler Akt: Sie haben zwölf Offiziere suspendiert, obwohl man weiß, dass es sehr viel mehr Täter gibt. Von daher ist das schon ein symbolischer Akt, aber es ist auch eine Anerkennung des Umstandes, dass Druck seitens der UNO tatsächlich wirken kann.

Was erwartet diese zwölf Offiziere jetzt?

Man weiß bisher nicht einmal, wer die Offiziere sind oder ob sie überhaupt vor Gericht gestellt werden. All das ist nicht offiziell bekannt gegeben worden. Wir wissen lediglich, dass im vergangenen November, als Kongos Armee vor den M23-Rebellen aus Goma floh, im Ort Minova mehrere hundert Frauen von Regierungssoldaten vergewaltigt wurden. Mehrere der Regierungssoldaten haben sich auch öffentlich gebrüstet, daran teilgenommen zu haben, ganze Armeeeinheiten waren involviert. Bisher hat es nie eine Bestrafung der Verantwortlichen gegeben. Von kongolesischer Seite wurde immer wieder angekündigt, das zu untersuchen und etwas zu unternehmen. Aber es gab noch kein Gerichtsverfahren und keine Sanktion.

Dominic Johnson fordert: Schärger mit Kongos Regierung ins Gericht gehen
Dominic Johnson fordert: Schärfer mit Kongos Regierung ins Gericht gehenBild: privat

Haben Sie Hoffnung, dass sich das nach der Suspendierung der Offiziere auf Druck der UNO ändern wird?

Wenn die UNO nicht nachgibt, sondern fordert, dass tatsächlich Schritte folgen, dass bis zum Ende untersucht und aufgeklärt wird, dann wird Kongos Regierung gezwungen sein, mehr gegen die Täter zu unternehmen. Denn ohne Hilfe der UNO kann Kongos Regierungsarmee im Osten des Landes nicht bestehen. Und wenn diese Hilfe nicht kommt, weil man mit der Armee nicht zusammenarbeiten kann, dann würde die Regierung die Kontrolle über den Osten verlieren. Und das will sie natürlich nicht.

Die Massenvergewaltigungen fanden im November letzten Jahres statt. Im März stellte dann die UNO ihr Ultimatum. Wieso hat das so lange gedauert?

In der Zwischenzeit galt es erst einmal, die Bedrohung durch den Vormarsch der M23-Rebellen im Ostkongo aufzuhalten. Das hat eine Weile gedauert. Dann fingen Friedensverhandlungen zwischen Kongos Regierung und den M23 an. Erst Ende Februar gab es ein politisches Rahmenabkommen zwischen der UNO, Kongos Regierung und den Nachbarländern. Darin steht explizit, dass es neue Anstrengungen zur Reform des Sicherheitssektors im Kongo geben muss, dass man einen neuen Anlauf braucht, um den Kongo zu reformieren, und dass das die Bedingungen für weitere Unterstützung gegen die Rebellen sind.

A MONUSCO (the UN mission in Democratic Republic of Congo) soldier patrols in the deserted streets of Goma late on October 16, 2012. Amnesty International last week called on the Democratic Republic of Congo to put an end to the fighting in the east of the country where several local and foreign armed groups are committing abuses. AFP PHOTO / JUNIOR D. KANNAH (Photo credit should read JUNIOR D.KANNAH/AFP/Getty Images)
Die UN-Mission für den Kongo umfasst zur Zeit rund 20.000 MannBild: D.KANNAH/AFP/Getty Images

Was hat das Abkommen gebracht?

Erst auf der Grundlage dieses Rahmenabkommens von Addis Abeba war es für die UN-Mission überhaupt möglich, so spezifische Forderungen an Kongos Regierung zu stellen und zu sagen: ‚Wir wollen, dass Sie diese ganz bestimmten Vorgänge aufklären, dass diese ganz bestimmten Armee-Bataillone saniert werden, sonst arbeiten wir nicht mehr mit euch zusammen'. Bisher war das für die UNO gar nicht möglich. Aufgrund ihres Mandats ist sie verpflichtet, mit Kongos Regierungsarmee zusammenzuarbeiten.

Müsste die UNO Ihrer Meinung nach noch mehr Druck ausüben?

Sie müsste vor allem offener mit dem Problem umgehen. Wenn Rebellen und Milizen Kriegsverbrechen begehen, ist der Aufschrei groß. Aber wenn die Regierungsarmee das selber tut, ist von bedauerlichen Einzelfällen die Rede. Da wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Es müsste sehr viel schärfer und auch auf politischer Ebene mit Kongos Regierung ins Gericht gegangen werden.

Worauf kommt es jetzt an?

Vieles wird jetzt davon abhängen, ob tatsächlich eine juristische Strafverfolgung der Vergewaltiger in Kongos Armee stattfindet, und ob das zum Anlass genommen wird, die Art der Zusammenarbeit mit dem Militär zu überdenken, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Was bedeutet die Suspendierung für die Menschen in der Region Minova, in der die Vergewaltigungen passiert sind?

Das ist sehr schwer zu sagen, weil nicht klar ist, wer diese zwölf Offiziere sind. Die Einheiten, die damals die Vergewaltigungen begangen, wurden danach abgezogen, aber sie sind immer noch in der Region. Welche Armeeeinheiten genau wo stehen, ist undurchsichtig und ändert sich ziemlich oft. Aber dass auch Armeeoffiziere für Verbrechen belangt werden können, die sie begangen haben, ist ein ganz wichtiges Signal für die Zivilbevölkerung. Denn sie hat die Erfahrung gemacht: Wer Militär ist und ein paar Sterne auf den Schultern hat, kann machen, was er will. Zu zeigen, dass das nicht so sein muss, ist schon ein großer Fortschritt.

Ein Soldat der kongolesischen Armee im Osten des Landes (Foto: Siegfried Modola)
Ein Soldat der kongolesischen Armee im Osten des Landes. Gerade hier ist Unterstützung der UNO gefragtBild: Reuters

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur und Auslandschef der deutschen Tageszeitung taz.