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Angst vorm nächsten Anschlag

8. Februar 2011

Die Stadt Jos in Zentralnigeria kommt seit Wochen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Seit Weihnachten gibt es dort immer wieder Anschläge. Mal sind Christen die Opfer, mal Muslime. Die Bevölkerung lebt in Angst.

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Soldaten patroullieren im zentralnigerianischen Jos (Bild: dpa)
Die Einwohner von Jos fürchten den nächsten AnschlagBild: picture-alliance/dpa

Es ist Freitagmittag in Jos. In vielen Gegenden der Stadt, die im Bundesstaat Plateau und somit mitten in Nigeria liegt, ist es ruhiger als sonst. Vor allem Christen machen sich auf den Weg nach Hause, da sie vor allem freitags Angst vor neuen Anschlägen haben. "Freitags, aber auch sonntags muss man vorsichtig sein, weil das die religiösen Tage sind. Sie sind ein Teufelskreis von Anschlägen und Rache geworden", sagt Tom Obemiaso.

Militärpräsenz ist massiv verstärkt worden

Wahlplakat in Jos (Bild: Katrin Gänsler)
Wahlwerbung und Soldaten prägen derzeit das Bild in JosBild: DW/Katrin Gänsler

Der Mann mit einem nigerianischen Vater und einer portugiesischen Mutter ist in Jos groß geworden, lebt aber seit 20 Jahren in London. Ein- bis zweimal im Jahr besucht er seine nigerianische Familie. Die Besuche sind kurz, weshalb er es sich nicht nehmen lassen will, ausgerechnet am Freitagnachmittag in seinem Lieblingsrestaurant einzukehren. Er bestellt Hühnchen mit Pommes, ein Guinness und beobachtet vom Balkon aus den belebten Ahmadu-Bello-Way. Seit den Anschlägen an Weihnachten ist auch dort die Militärpräsenz massiv verstärkt worden. Doch nicht nur das macht Tom Obemiaso traurig: "Früher gab es hier viele gute Geschäfte. Die Straße war wirklich schön". Davon ist nichts mehr geblieben. Stattdessen ziehen vor allem Händler durch die Straße. Sie sind vor einigen Jahren heimatlos geworden, als das große Marktgebäude während einer Krise ausgebombt wurde.

Ausgebrannte Häuser, leere Geschäftsgebäude

Die große Markthalle in Jos ist nie wieder aufgebaut worden (Bild: Katrin Gänsler)
Die große Markthalle ist nie wieder aufgebaut wordenBild: DW/Katrin Gänsler

Die traurigen Überbleibsel ragen ein paar Gehminuten entfernt zwischen Holzhütten und bunten Ständen empor. Überall versuchen Händler alte Kleidung aus Europa, Gemüse aus der Region und die eine oder andere Ausgabe des Korans zu verkaufen. Denn der Markt liegt mitten in einem muslimischen Stadtteil und ist freitags nach dem Besuch der Moschee ein beliebter Treffpunkt. Auch Jibril Ahmed Adam sieht viele seiner Freunde. Häufig kann er sie nicht mehr treffen, weil er mittlerweile in Abuja arbeitet. "Hier bekomme ich keinen Job, weil ich nicht einheimisch bin", ärgert er sich. "Dabei bin ich hier in Jos geboren und habe mein ganzes Leben in der Stadt verbracht."

"Einheimisch" ist eines der zentralen Worte des Konflikts geworden. Bei den Auseinandersetzungen geht es weniger um Religion als vielmehr um die Frage, wem Jos gehört und wer die politische Macht hat. Sind es die einheimischen, überwiegend christlichen Volksgruppen oder die muslimischen Siedler, die teilweise seit mehr als 100 Jahren in der Region leben?

"Was für ein Rückschlag"

Der Ahmadu-Bello-Way in Jos (Bild: Katrin Gänsler)
Der Ahmadu-Bello-Way war einst eine beliebte EinkaufsstraßeBild: DW/Katrin Gänsler

Seit Weihnachten hat sich jedoch einiges verändert. Denn gleich zwei islamistische Sekten, darunter Boko Haram, die ihr Hauptquartier in der Stadt Maiduguri hat und sich immer wieder zu Anschlägen in Nordnigeria bekennt, übernahmen die Verantwortung. "Das ist eine neue Dimension", sagt Sani Suleiman, der als Muslim für das Komitee für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden der katholischen Caritas arbeitet. "Wer hinter den Anschlägen steckt, der hat sie genau kalkuliert. Als ich Heiligabend davon hörte, dachte ich: Oh mein Gott, was für ein Rückschlag."

Der Rückschlag ist überall zu spüren. Angriffe und Gegenangriffe, die mehr als 200 Menschen mittlerweile das Leben gekostet haben sollen, wechseln sich ab. Die angespannte Stimmung macht auch vor Jibril Ahmad Adam nicht halt, als er in seinem klapprigen Auto seine Frau vom Frisör abholen muss. "Durch christliche Gebiete fahre ich nicht mehr, und Christen kommen nicht in unsere", bedauert er. Er wünscht sich, dass die Regierung endlich etwas unternimmt. Doch die Politiker sind nur mit einem beschäftigt: mit ihrem Wahlkampf. Auf wirkliche Verbesserungen hoffen deshalb viele Einwohner bisher vergeblich.

Autorin: Katrin Gänsler
Redaktion: Katrin Ogunsade