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Josef Haslinger: PEN muss sichtbarer werden

Sarah Judith Hofmann 7. Mai 2013

Der PEN will für die Freiheit des Wortes eintreten. Doch in Deutschland hört man wenig vom einst berühmten Autorenverband. Der neu gewählte PEN-Präsident im Interview.

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Der österreichische Autor Josef Haslinger blickt am 03.05.2013 am Rande der PEN-Jahrestagung in Marburg (Hessen) in die Kamera. (Foto: Arne Dedert/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Der Internationale Schriftstellerverband PEN - die Abkürzung steht für "Poets, Essayists, Novelists" - wurde 1921 in London gegründet und hat in Deutschland rund 700 Mitglieder. Weltweit existieren 150 PEN-Zentren. Der Österreicher Josef Haslinger wurde Anfang Mai zum neuen PEN-Präsidenten Deutschland gewählt. Er lehrt am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und hat sich mit seinen Büchern "Opernball" und "Jáchymov" als Schriftsteller einen Namen gemacht.

DW: Herr Haslinger, Glückwunsch zu Ihrer Wahl als PEN-Präsident Deutschland. Aber: Welche Bedeutung hat der PEN heute eigentlich noch? In Deutschland hört man außerhalb eines Ereignisses wie der Neuwahl des Präsidenten von dem Autorenverband relativ wenig.

Josef Haslinger: Das ist in der Tat ein Problem, das ich sehe und an dem wir arbeiten müssen. Denn gerade was die Menschenrechtspolitik angeht, ist der deutsche PEN in den vergangenen Jahren sehr aktiv gewesen. Es gibt im internationalen PEN, unserem Dachverband, das "Writers in Prison Committee". Es kümmert sich um Kollegen, die, aufgrund ihrer Meinungsäußerung oder ihrer Schriften, Probleme mit den Behörden bekommen, inhaftiert werden oder flüchten müssen. Solche Autoren unterstützt auch das deutsche PEN-Zentrum. Darüber hinaus wurde in Deutschland das "Writers-in-Exile-Programm" geschaffen, ein Stipendienprogramm, bei dem wir verfolgte Autoren einladen, ein bis drei Jahre in Deutschland sorgenfrei zu verbringen, um ihre Berufs- und Lebensperspektiven neu zu gestalten. Das wird genutzt und das wurde vom deutschen PEN in den letzten Jahren mit großer Aufmerksamkeit betrieben.

50 Jahre PEN - Symbolbild
Seit mehr als 50 Jahren gibt es das "Writers in Prison Programm" des PENBild: PEN/Fotolia

Wie funktioniert der PEN darüber hinaus, wie darf man sich das als Laie vorstellen? Sitzen die Schriftsteller des Vereins beim Jahreskongress zusammen und überlegen, was man für Kollegen beispielsweise in Syrien, der Türkei, in China oder im Iran tun kann?

Es gibt ja nicht nur die Jahrestagung, sondern auch Veranstaltungen, zum Beispiel mit Autoren im deutschen Exil, die dazu dienen, nicht nur die Schicksale dieser Autoren, sondern auch ihre Schriften bekannter zu machen. Da lässt sich mit Gewissheit noch einiges entwickeln. Es ist notwendig, die deutschen Kollegen im PEN noch weiter für solche Veranstaltungen zu gewinnen. Das Bild, das die meisten Autoren das ganze Jahr über mit dem PEN nichts zu tun haben und dann nur zur Jahresversammlung anreisen, wenn sie überhaupt anreisen, dieses Bild ist nicht so ganz falsch.

Mit welchem "Werkzeug" agiert der PEN - Petitionen, offene Briefe, kontaktieren Sie auch die deutsche Botschaft, beispielsweise für Visa an verfolgte Kollegen?

Ja, es werden Botschaften oder auch Präsidenten kontaktiert. Als der Literaturnobelpreis an den chinesischen Autor Mo Yan vergeben wurde, haben wir versucht, das schwedische Königshaus darauf aufmerksam zu machen, dass es andere chinesische Kollegen gibt, die im Gefängnis sitzen. Also man versucht hier schon, sich direkt an Machthaber, aber auch an Botschaften zu wenden. Solche Versuche, Druck auszuüben, werden beim PEN international koordiniert.

Liu Xiaobo (r.), inhaftierter chinesischer Bürgerrechtler und Ehrenvorsitzender des PEN-Clubs (Foto: Liu Xia)
Ein Schriftsteller im Gefängnis: Friedensnobelpreisträger Liu XiaoboBild: picture-alliance/dpa

Sie nannten China als ein Land, in dem Schriftsteller immer noch unterdrückt werden. Auf welcher Region liegt für Sie in den nächsten Jahren ein Fokus, wo muss man sich als PEN-Präsident um Schriftsteller sorgen?

Selbstverständlich haben sich im arabischen Raum einerseits die Stimmen, die kritisch das Wort ergreifen, vermehrt, auf der anderen Seite gibt es auch wieder Rückschläge, weil man vorlaute Schriftsteller nicht haben will. Was beim Arabischen Frühling aufgebrochen ist, ist noch lange nicht durchgestanden. Es führt einerseits zu einer Ermutigung, das Wort zu ergreifen und andererseits zu neuen Maßnahmen gegen Schriftsteller.

Gerade in den Ländern des so genannten Arabischen Frühlings wurde und wird immer noch viel gebloggt und das Internet genutzt. Was hat sich für die Schriftsteller in solchen gefährdeten Regionen durch das Internet verändert?

Es hat sich verändert, dass sich Texte und Stellungnahmen viel schneller verbreiten können als früher, dass also oppositionelle Autoren, die sich zu Wort melden, die sich einmischen, auch leichter und schneller Gehör finden können. Man kann ihre Stimme nicht so leicht abdrehen, wie das früher der Fall war, indem man ihnen einfach ein Publikationsverbot auferlegt hat. Das ist die positive Seite, aber es gibt auch negative Seiten.

Der ägyptische Publizist Mohamed Hashem im November 2011 in Darmstadt (Foto: Boris Roessler dpa)
Setzt sich für die Freiheit des Wortes in Ägypten ein: Der Verleger Mohamed HashemBild: picture-alliance/dpa

Auf der einen Seite Segen, auf der anderen Fluch: Welche Probleme macht das Internet Schriftstellern in Deutschland und Europa? Stichwort: Urheberrecht.

Der freie Zugang zum Internet für alle Menschen ist etwas, das oberste Priorität für uns hat. Auf der anderen Seite haben wir darauf zu achten, dass die Freiheit des Wortes zusammengeht mit dem Schutz des geschriebenen Wortes vor Missbrauch und Plagiaten. Wir müssen darauf dringen, dass hier international geltende Gesetze existieren und durchgesetzt werden, die den Autoren das Urheberrecht sichern. Denn für freie Autoren ist dies die Haupteinnahmequelle ihrer Arbeit.

Lassen Sie uns von den Herausforderungen unserer Zeit einen Blick in die deutsche Vergangenheit werfen: Am 10. Mai 1933, vor 80 Jahren, verbrannten die Nationalsozialisten auf dem Berliner Opernplatz die Bücher von Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Heinrich Mann und vielen anderen. Wie wichtig ist auch gerade vor diesem Hintergrund die Rolle Deutschlands im PEN?

Wir haben zum Ende der diesjährigen Jahresversammlung genau dieses Datums gedacht, das ist eine Erinnerung, die sehr hoch gehalten wird. Aber: Einem Heinrich Mann, der schon damals eine Berühmtheit war, konnte man das Existenzrecht als Autor nicht so einfach entziehen. Es gibt andere Schriftsteller, die nicht die Möglichkeit hatten, ihre Karriere international fortzusetzen. Auch an sie wollten wir erinnern. Deutschland kann nicht genug daran tun, weiterhin an seiner internationalen Reputation zu arbeiten und sich als Land zu zeigen, das die Menschenrechte hochhält. Es ist wichtig, dass eine junge Generation weltweit Deutschland als freiheitliches Land wahrnimmt, das nicht nur auf den eigenen Wirtschaftsvorteil bedacht ist, sondern sich auch für die Menschenrechte der Anderen einsetzt.

Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass sitzt am 05.04.2012 in seinem Atelier in Behlendorf (Foto: Marcus Brandt/dpa)
Er ist und bleibt Ehrenpräsident des PEN Deutschland: Günter Grass - trotz seines umstrittenen Israel-Gedichts von 2012Bild: picture-alliance/dpa

Für viele ältere Autoren ist die Generation deutscher Exilschriftsteller, die den PEN mitgeprägt hat, noch präsent. Aber: Wie aktiv sind junge Schriftsteller im PEN? Sieht die junge Generation den PEN noch als wichtig an?

Tatsächlich ist es so, dass die junge Generation im deutschen PEN weniger sichtbar ist, aber ich würde die Schuld da nicht den jungen Kollegen geben. Das hat damit zu tun, dass der deutsche PEN sich in den letzten Jahren zu wenig um die Öffentlichkeitsarbeit bemüht hat, sodass den jungen Autoren gar nicht so einsichtig ist, warum man überhaupt Mitglied des PEN werden sollte. Es wird wohl an uns liegen, die Wichtigkeit dieses internationalen Instruments wieder deutlich zu machen.