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Journalistenmorde in Russland: Auftraggeber bleiben im Dunkeln

8. März 2007

In Moskau ist erneut ein Journalist unter rätselhaften Umständen gestorben. Im Interview mit DW-RADIO beklagt der Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes zahlreiche unaufgeklärte Todesfälle.

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Bild: DW
Russland Journalist Ivan Safranow gestorben
Iwan SafronowBild: AP

Am vergangenen Freitag (2.3.) ist Iwan Safronow, ein Mitarbeiter der Tageszeitung "Kommersant", aus einem Fenster im fünften Stock seines Hauses zu Tode gestürzt. Viele glauben, es könnte ein Auftragsmord im Zusammenhang mit brisanten Recherchen zu russischen Waffenlieferungen gewesen sein. DW-RADIO sprach mit dem Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakowenko.

DW-RADIO/Russisch: Herr Jakowenko, die Leitung der Zeitung Kommersant geht nicht davon aus, dass der Tod des Korrespondenten Iwan Safronow politische Hintergründe hat. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung, Ilja Bulawinow, erklärte allerdings, die Reaktion schließe weder einen Freitod noch einen Mord aus. Warum möchte der Journalistenverband Russlands unabhängige Untersuchungen zum Tod des Journalisten anstellen?

Igor Jakowenko: Das Leben zwingt uns, so zu entscheiden. In letzter Zeit haben sich Morde an Journalisten gehäuft. In den vergangenen Jahren waren es 214 Fälle. Russland steht, was die Anzahl von getöteten Journalisten in den vergangenen Jahren betrifft, nach Kolumbien gemeinsam mit dem Irak auf Platz zwei und drei.

Der aufsehenerregendste Mord in letzter Zeit war der an Anna Politkowskaja. Sie haben im vergangenen Jahr objektive Nachforschungen angekündigt, da Sie bezweifeln, dass die Behörden dazu in der Lage sind. Wie ist der Stand der Dinge in diesem Fall?

Wir haben eine internationale Kommission gebildet, die sich mit der Sache beschäftigen wird. Aber hier gibt es ein sehr ernstes Problem. Wir wollen die offiziellen Ermittler nicht stören, wir wollen keine Konfrontation mit ihnen. Es besteht aber die Möglichkeit, journalistische Nachforschungen anzustellen und eine öffentliche Kontrolle über die Ermittlungen auszuüben. Gerade dies wollen wir nun organisieren. Darüber werden wir auch auf dem internationalen Journalistenkongress in Moskau am 28. Mai sprechen.

Anna Politkowskajas Mörder sind bis heute nicht gefunden. Wie steht es um die anderen Journalistenmorde. Wie viele von ihnen sind geklärt?

Nur ein sehr geringer Teil ist geklärt. Und wenn man über vollständig aufgeklärte Morde spricht, so gibt es davon wohl gar keine. Die Mörder sind bestenfalls in jedem zehnten Mord ausfindig gemacht worden. Aber wenn man von den Auftraggebern spricht, so wurden sie in keinem einzigen Fall gefunden.

Ist es korrekt, wenn man sagt, dass viele der Journalistenmorde politische Hintergründe haben?

Jene 214 Journalisten wurden während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit getötet. Ich möchte nicht sagen, dass sie alle politische Hintergründe haben, aber jedenfalls haben Morde an Journalisten, an denen man sich auf diese Weise für Publikationen gerächt hat oder so zum Schweigen gebracht hat, politischen Charakter. Die Morde haben zum Ziel, den Menschen das Recht auf Information zu nehmen.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin
DW-RADIO/Russisch, 6.3.2007, Fokus Ost-Südost